EU-Anleihen Warum Brexit Bond-Händlern Angst macht

Wer hat wohl etwas zu verlieren, wenn Umfragen und Buchmacher beim Brexit daneben liegen? In die Liste sollten vor allem Anleihegläubiger aufgenommen werden.

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Nicht die wirtschaftlichen, sondern die politischen Folgen eines Brexit bereiten Anleihen-Investoren Sorgen. Quelle: dpa

Dublin Brexit könnte den Aufstieg von „extremen politischen Bewegungen” befeuern und den brodelnden Unmut gegenüber dem europäischen Projekt verstärken. Das glaubt zumindest Jan Von Gerich, Chef-Stratege bei Nordea Bank AB in Helsinki. Der Renditeaufschlag zehnjähriger italienischer Bonds gegenüber deutschen Bundesanleihen gleicher Laufzeit lag am Dienstag bei 120 Basispunkten. Nach einem Brexit-Votum würde dieser auf über 175 Basispunkte ansteigen, sagen Analysten von UBS.

Befürchtet werden weniger die Handelsauswirkungen eines Austritts der zweitgrößten europäischen Volkswirtschaft aus der Europäischen Union, sondern vielmehr die Gefahr, dass ein Votum für ein Ausscheiden beim britischen Referendum am 23. Juni eine Reihe ähnlicher Abstimmungen in der ganzen Region auslösen könnte. In Umfragen von Ipsos Mori in acht Ländern war die Hälfte der Teilnehmer der Ansicht, dass ihre Regierungen Abstimmungen über den Verbleib in der EU durchführen sollten.

„Die politischen Folgen sollten den Bond-Investoren mehr Kopfzerbrechen bereiten als die direkten wirtschaftlichen Konsequenzen", sagt von Gerich. „Sollte der Brexit eintreten, würden die Risikoaufschläge gegenüber Deutschland generell steigen. Niederländische, italienische und französische Anleihen erscheinen anfällig. Im Bereich der Semi-Kernländer gibt es keine guten Alternativen. ”

Bisher haben sich Euroraum-Bondinvestoren kaum vom Thema Brexit berührt gezeigt. Denn das quantitative Lockerungsprogramm der Europäischen Zentralbank stützt den Markt, zudem dürfte die Kampagne für den Verbleib Großbritanniens in der EU wohl Erfolg haben. Die jüngsten Umfragen zeigen einen Vorsprung von 51 Prozent zu 46 Prozent an, während der Buchmacher William Hill Plc die Wahrscheinlichkeit einer Brexit-Ablehnung auf 83 Prozent veranschlagt.

Sollten sie daneben liegen, könnte die Behandlung Großbritanniens nach einem Brexit den Enthusiasmus für ähnliche Abstimmungen dämpfen, sagt Jamie Murray, EMEA-Chefökonom bei Bloomberg Intelligence in London. Großbritannien steht eine zweijährige Runde an Gesprächen über die Konditionen eines Ausscheidens bevor.


Ansteckungsrisiko

„Für die anderen EU-Länder gibt es keine Anreize, nett zu sein”, sagt Murray. „Um das Ausstiegsrisiko zu begrenzen, dürfte die Europäische Kommission harte Verhandlungen führen.”

Der Chef der irischen Schuldenagentur erklärte am 26. Mai, dass das Land beschlossen habe, im Juni keine Bondauktion durchzuführen, um sich vor der Volatilität infolge des Referendums zu schützen. Irlands größter Handelspartner ist Großbritannien mit etwa 50 Mrd. Euro an Im- und Exporten.

Der Risikoaufschlag zehnjähriger irischer Bonds gegenüber Bundesanleihen würde sich im Falle eines Brexit von 60 Basispunkten auf mehr als 90 Basispunkte ausweiten, schreiben die UBS-Analysten Nishay Patel und John Wraith in einer Kundenmitteilung.

Unmut gegenüber der EU ist bereits in einigen Teilen der Region zu beobachten. Die Niederlande werden im nächsten Jahr Wahlen abhalten und die anti-islamistische Freiheitspartei, die einen Ausstieg des Landes aus der EU will, ist auf dem Wege, die größte Partei zu werden. In Italien gewinnt die euroskeptische 5-Sterne-Bewegung an Boden. In Finnland würde ein Brexit eine bereits angeschlagene Wirtschaft treffen und Spekulation um die Position des Landes im Euroraum anheizen, sagt von Gerich.

„Ob Großbritannien für oder gegen ein Ausscheiden stimmt, es wird auch anderswo Volksentscheide geben", sagte Michael O’Leary, Vorstandsvorsitzender von Ryanair Holdings Plc und ein führender Verfechter eines EU-Verbleibs, auf einem Forum in Dublin im vergangenen Monat. “Wir sollten den Ansteckungseffekt aus einem Ausscheiden Großbritanniens nicht unterschätzen. Es stellt die weitere Zukunft der EU infrage.”

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