Euro, Dollar, Yen – der Devisenmarkt Das politische Kalkül

Anlegen 2017: Egal ob Brexit, die US-Wahlen oder das Italien-Referendum in Italien – politische Großereignisse haben die Währungskurse stark beeinflusst. Und das wird auch so bleiben. Ein Blick auf Gewinner und Verlierer.

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2016 wurde der Euro durch politische Großereignisse maßgeblich beeinflusst. Das dürfte auch 2017 so sein. Quelle: Imago

Frankfurt Wenn Mario Draghi an 2017 denkt, dann ist ihm offenbar nicht ganz geheuer. Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) sorgt sich aufgrund einer Mixtur aus steigenden Zinsen in der Welt, Wahlen in Europa, dem trägen Reformeifer vieler Defizitländer und den weiteren Budgetverstößen in der EU. Das alles könnte die Eurozone noch weiter schwächen. Davor warnte er die europäischen Spitzenpolitiker Mitte Dezember am Rande eines EU-Gipfels in Brüssel. Eine halbe Stunde habe seine Einschätzung und eine kurze Diskussion gedauert.

Was Draghi offenbar ansprach, lässt für den Euro nichts Gutes ahnen. Schon in diesem Jahr standen die Devisenmärkte stark unter dem Einfluss politischer Großereignisse wie dem Brexit, den US-Wahlen und dem italienischen Referendum. Und schon jetzt ist klar: Auch im kommenden Jahr wird das politische Geschehen die Devisenmärkte bestimmen.

Rückblick 2016: Kein Tag hat für so viel Furore gesorgt wie der 23. Juni. An dem Tag entscheidet sich eine Mehrheit der Briten für den Austritt aus der EU. In den kommenden Wochen stürzt das britische Pfund ab. Gegenüber dem Euro verliert es zeitweise 16 Prozent. Im Vergleich mit dem US-Dollar rauscht sein Wert um fast ein Fünftel nach unten. Den Schock kann das Pfund bis zum Jahresende nicht verdauen.

Wenn die britische Regierung im kommenden Jahr den offiziellen Brexit-Antrag einreicht, dürfte das Pfund noch einmal unter Druck geraten. Holger Achnitz, Leiter des Devisenhandels von Citi in Deutschland, glaubt aber nicht, dass die Abschläge ähnlich heftig werden wie nach dem Referendum. „Da der Antrag erwartet wird, ist im aktuellen Kurs des Pfundes schon viel vorweggenommen.“

Die zweite politische Überraschung 2016 schlug sich mit den US-Wahlen am 8. November nieder. Der Republikaner Donald Trump wird überraschend zum Präsidenten gewählt. In der Folge wertet der Dollar nicht ab – dabei hatten die meisten Analysten eben das erwartet. Er setzt zu einer Rally an, die sich auch im kommenden Jahr fortsetzen wird. Schon im ersten Halbjahr, da sind sich die Experten einig, wird ein Euro nur noch einen Dollar kosten. Das hat es seit Ende 2002 nicht gegeben. „Die Situation von damals ist mit der heutigen aber kaum vergleichbar“, sagt Achnitz. Damals sei der Euro noch neu gewesen und nicht so als globale Reservewährung etabliert.


Die schwächste große Währung 2017

Bleibt die Frage, ob das Jahr 2017 für den Euro ähnlich turbulent wird – schließlich stieg der Euro 2016 von 1,08 Dollar auf zwischenzeitlich 1,15 Dollar, nur um bis Jahresende wieder zwölf Cent einzubüßen. Zumindest eines bleibt laut Achnitz vorerst bestehen: „Politische Ereignisse werden von Devisenhändlern wieder stärker in ihre Positionen einbezogen als noch vor ein paar Jahren.“ Er selbst bleibt aber zurückhaltend. „Die Wahlen in Frankreich im April und im Mai sind sicherlich sehr wichtige Daten für die Eurozone. Wie turbulent es wird, hängt jedoch vom Ausgang der Wahl ab.“

Sollte Marine Le Pen von der rechtsextremen Partei Front National für eine Überraschung sorgen und die Wahlen gewinnen, schloss der Top-Ökonom und Devisenspezialist Barry Eichengreen jüngst in einem Handelsblatt-Interview gar den kompletten Zerfall des Euro nicht mehr aus. Zugegebenermaßen: Ein Basis-Szenario ist das nicht. Für die Zentralbanker und Währungshüter um Mario Draghi ist es aber ein Schreckensszenario, dem sie nicht in ihren kühnsten Träumen begegnen möchten.

Ohnehin wird es in den kommenden zwölf Monaten schwierig für den Euro, vor allem im Vergleich mit seinem wichtigsten Gegenpart: dem US-Dollar. Während die US-Notenbank Fed im Dezember ihren Leitzins zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres hob und für 2017 drei weitere Zinsschritte in Aussicht stellte, wird der Zins im Euroland auf Nullniveau bleiben. Alles andere wäre eine faustdicke Überraschung.

Wenig Gutes verheißen auch die Erträge auf Anleihen. So stieg etwa die Rendite-Differenz zwischen zehnjährigen US-Staatsanleihen und zehnjährigen Bundesanleihen zuletzt auf 230 Basispunkte – ein historisch hohes Niveau. Das wirkt auf die Wechselkurse. „Wir müssen mit einem schwachen Euro leben“, urteilt Hans Redeker, Leiter der Devisenstrategie bei Morgan Stanley.

Devisenhändler folgen den Zinsen. Bei sogenannten Carry-Trades leihen sie sich Geld in einem niedrig verzinsten Währungsraum – beispielsweise dem Euro – um es in einem höher verzinsten Währungsraum – wie dem Dollar – anzulegen. Bleiben die Wechselkurse stabil, machen die Devisenhändler allein dank des höheren Zinses Gewinn.

Trotz der trüben Aussicht hat ein schwacher Euro durchaus seine Vorteile. Für Unternehmen, die über Exporte in die USA oder Standorten dort Umsätze in Dollar erwirtschaften, steigt der Erlös. Und wen das dennoch stört, der kann sich zumindest damit trösten, dass wohl eine andere der bedeutendsten Währungen noch stärker gegenüber dem Dollar einbüßen wird. „Für mich ist die Hauptabwertungswährung der japanische Yen“, sagt Redeker von Morgan Stanley.

Die Währung hat ebenfalls ein Jahr voller Aufs und Abs hinter sich. Bei einem Kurs von 120 Yen je Dollar gestartet, ging es zwischenzeitlich unter 100 Yen um sich bis Jahresende wieder auf dem Startniveau zu etablieren. Im kommenden Jahr, so schätzt Redeker, werde die japanische Währung weiter abwerten, auf 130 Yen. Allerdings sei diese Abwertung auch gewollt. Japan möchte mit aller Macht seine Inflation in Richtung zwei Prozent bewegen. Ein schwacher Yen, so das Kalkül, könnte der Wirtschaft dabei helfen.

Ob dieses Kursziel erreicht wird, hängt nicht zuletzt von Donald Trump ab. Der Republikaner, der am 20. Januar als neuer Präsident das Weiße Haus in Washington bezieht, ist neben Fed-Präsidentin Janet Yellen der Mann, der den Dollar in den vergangenen Wochen erst so stark gemacht hat – und andere wie den Yen im Vergleich schwächer. Trumps billionenschweres Investmentprogramm, Steuererleichterungen und Deregulierungen sollen die US-Wirtschaft wieder „great“ machen.

Noch glauben die Märkte Trump. Doch kann er seine Versprechen nicht erfüllen und bleiben auch die von Trump gewünschten privaten Kapitalflüsse aus, wird die Stimmung kippen. „In so einem Fall könnte die augenblickliche Dollar-Aufwertung sich in ein- oder anderthalb Jahren in eine sehr schnelle Dollar-Abwertung umkehren“, schätzt Redeker von Morgan Stanley.


Droht ein neuer Währungskrieg?

Hervorgestochen ist Trump nicht nur mit seinen Geldversprechen, sondern auch durch seine Ausfälle. So hat er mehrfach offen mit Handelskriegen gedroht. China warf er vor, es würde seine Währung künstlich niedrig halten. Das erscheint auf den ersten Blick nicht einmal so abwegig. Schließlich hat das Land hohe Überkapazitäten. Kann das Land dank einer schwachen Währung mehr exportieren, könnte es diese zumindest zum Teil auslasten. Das dürfte sich jedoch schwierig gestalten. Und an einem Abbau der Überkapazitäten dürfte den Chinesen kaum gelegen sein, urteilt der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer. „Schließlich ginge dieser Abbau mit Massenentlassungen einher“, erklärt er. Die Regierung möchte die sozialen Probleme aber vermeiden. „Stattdessen dürften die staatlichen Banken die hochverschuldeten Staatsunternehmen weiter mit zusätzlichen Krediten über Wasser halten. Aber das entzieht den gesunden Unternehmen Ressourcen („Zombifizierung“), was die Wachstumsaussichten Chinas auf Jahre drückt.“

Stehen wir womöglich vor einem neuen Währungskrieg, wenn strauchelnde Wirtschaften überall auf der Welt versuchen, über schwache Währungen mehr zu exportieren? „Ich glaube, das Risiko ist heute immer noch relativ gering“, urteilt Achnitz von Citi. Was gegen Trumps These der künstlichen Abwertung des chinesischen Yuan spricht, sind die Handlungen der chinesischen Regierung. Sie hat zuletzt mit Kapitalverkehrskontrollen auf die 900 Milliarden Dollar Abflüsse reagiert, die Investoren 2016 aus dem Reich der Mitte abzogen.

Zudem seien die USA nicht an einer Abwertung interessiert. Das liege schon daran, dass Amerika stark auf seine Inlandskonjunktur fokussiert sei, erklärt Achnitz von Citi. Steigt der Dollar weiter gegenüber den wichtigsten Währungen, besteht zudem keine Not von anderen Staaten, ihre Währung selbst aktiv abzuwerten.

Die EZB hat ihrerseits Anfang Dezember ihre Anleihekäufe, die im März auslaufen sollten, vorerst bis Dezember 2017 verlängert. Das dürfte den Euro eher schwächen. Doch der EZB wird nachgesagt, dass sie ihre Kaufprogramme allmählich auslaufen lassen möchte. Wohl auch deshalb hat Draghi Mitte Dezember noch einmal die europäischen Regierungsspitzen eindringlich um Strukturreformen angehalten.

Ob er damit auf offene Ohren stieß, darf bezweifelt werden. Immerhin: Die ganz großen Rückschläge à la Brexit-Schock dürften im kommenden Jahr ausbleiben. Dennoch: Der neue US-Präsident wirft seinen Schatten voraus. Der Dollar, da sind sich die Devisenstrategen einig, wird der große Gewinner an den Devisenmärkten sein. Der Euro wird schwach bleiben. Am schwächsten dürfte von den großen Währungen der Yen abschneiden.


Anlegen 2017 – Alle Teile der Serie

Zum Jahreswechsel gibt die Handelsblatt-Redaktion einen Ein- und Ausblick zu verschiedenen Anlageklassen und Geldanlagemöglichkeiten. Die Serie hat 14 Teile und läuft vom 22. Dezember bis 4. Januar 2017. Jeweils im Tagesverlauf geht eine weitere Folge online.

Teil 1 (22.12.): Aktien Deutschland

Teil 2 (23.12.): Wohnimmobilien

Teil 4 (25.12.): Gold

Teil 6 (27.12.): Aktien Europa

Teil 7 (28.12.): Aktien Schwellenländer

Teil 8 (29.12.): Aktien Nordeuropa

Teil 9 (30.12.): Devisen

Teil 10 (31.12.): Der beste Markt der Welt

Teil 11 (1.1.2016): Aus Fehlern lernen

Teil 12 (2.1.): Aktien USA

Teil 13 (3.1.): Kreditzinsen

Teil 14 (4.1.): Leser-Erwartungen 2017

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