Europäische Aktien An der Börse ist Island schon jetzt Europameister

EM-Neuling Island hat beim Spiel gegen Portugal positiv überrascht. Auch isländische Aktien brachten im Vergleich zu den anderen EM-Teilnehmerländern den höchsten Gewinn. Welche Länder und Fonds nun aussichtsreich sind.

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EM-Neuling Island hat alle überrascht. Auch isländische Aktien brachten im Vergleich zu den anderen EM-Teilnehmerländern den höchsten Gewinn. Welche Länder und Fonds nun aussichtsreich sind.

Wer hätte gedacht, dass Island, ein 320 000-Einwohner-Staat, der Aufsteiger aus der Europameisterschaftsqualifikation ist,  dann erstmals an einer EM teilnimmt und nach Österreich jetzt sogar die Briten in einem spannenden Achtelfinale aus dem Turnier geworfen hat.

 „Ich traue der isländischen Mannschaft durchaus eine Überraschung zu“, sagte Simon Rolfes bereits vor der Vorrunde. Der Ex-Nationalspieler und Geschäftsführer der Spielerberatung Rolfes & Elsässer The Career Company hielt damals schon ein Weiterkommen der Isländer ins Achtelfinale für realistisch.

Regel 1: Die Gegner nie unterschätzen

Rolfes weiß, dass man den Gegner nie unterschätzen sollte. Solche Fußballweisheiten helfen auch an der Börse weiter. Unter den Börsen aller EM-Teilnehmerländer ist Island zwar ebenfalls ein Zwerg, aber bereits Europameister. Um 135 Prozent ist der Aktienindex OMX Iceland All Share seit Ende der Fußball-EM 2012 gestiegen und hat damit alle anderen Börsen überflügelt (siehe Tabelle). Deutschland bringt es mit 62 Prozent plus nur auf Rang sieben. Der amtierende Fußballeuropameister Spanien kommt mit 49 Prozent plus auf Rang 10.

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Aus damals in den Island-Index investierten 1000 Euro wären 2350 Euro geworden – genug für einige EM-Eintrittskarten. Doch Island hat unter Anlegern keinen guten Ruf. In der Finanzkrise 2008 verloren auch deutsche Sparer Geld, als Banken wie Kaupthing insolvent wurden und sich der Staat nur mit Krediten des Weltwährungsfonds über Wasser halten konnte. Die Börse in Reykjavík hat damals an einem Tag zwei Drittel ihres Wertes verloren. Der Island-Index besteht nur aus 17 Unternehmen – das Schwankungsrisiko ist daher groß. Mit insgesamt nur 7,2 Milliarden Euro Börsenwert sind die Index-Mitglieder auch nur etwa so viel wert wie der deutsche Energieversorger RWE. Manche von ihnen sind zudem erst seit wenigen Jahren an der Börse.

Regel 2: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Nun sollten Anleger mit einer Verschnaufpause in Island rechnen. Derzeit blickt die Finanzwelt nach Großbritannien – und verliert das Abschneiden des englischen Three-Lions-Teams in Frankreich dabei nicht aus den Augen. Der Frankfurter Vermögensverwalter Stefan Wallrich hält es für möglich, dass ein Vorrunden-Aus der Engländer dazu führen könnte, dass sich die Briten beim Referendum am 23. Juni enttäuscht für einen EU-Austritt entscheiden. Ähnlich sieht das JP-Morgan-Fondsmanager Michael Barakos aus London. Er hofft allerdings, dass die englische Mannschaft 50 Jahre nach dem Weltmeisterschaftsfinale von Wembley – das sie bekanntlich gewann– sie jetzt endlich mal wieder die in sie gesteckten Erwartungen erfüllt. Dann sollte es auch mit dem EU-Verbleib klappen, orakelt er.

Regel 3: Das Team zählt

Barakos gehört zu den Fondsmanagern, die aus europäischen Aktien in den vergangenen vier Jahren am meisten herausgeholt haben. Wer beim Investieren keine Niederlage riskieren will, wettet nicht auf einzelne Länder, sondern kauft einen guten Aktienmix aus mehreren Ländern.

Wer trägt zum Erfolg bei?

Die erfolgreichsten Europa-Aktienfonds wurden aus über 2.000 Portfolios ermittelt. Titelchancen hatten Fonds, die überwiegend auf Großunternehmen setzen. Barakos bekommt Bronze für den Aktienfonds JP Morgan Europe Strategic Growth.
Für den Fonds filtert zunächst ein Computersystem aus 1.800 Unternehmen wachstumsstarke heraus. Die durchleuchtet Barakos und lässt meist um die 300 in den Fonds. So hat er etwa vor drei Jahren den dänischen Schmuckvertrieb Pandora entdeckt. Damals zahlte man 20 Euro für die Aktien, heute 130.

Ebenfalls zum Erfolg beigetragen haben die britischen Bauunternehmen Taylor Wimpey und Persimmon, deren Kurse sich seit 2012 zwischenzeitlich verfünffacht hatten. Barakos hält die wirtschaftliche Entwicklung in Europa für „ermutigend, weil es unter anderem mehr Neuwagenzulassungen gibt und der Einzelhandel gut wächst“. Unsicherheit verbreite vor allem die Politik. Barakos lässt sich von Kursschwankungen nicht verrückt machen. Kursrücksetzer seien „Kaufgelegenheiten“ – Optimismus zählt auf dem Parkett und auf dem Platz. Politische Störfeuer sind ihm und seinen Kollegen unbequem, aber relativ egal. Sie setzen auf die Unternehmensanalyse.

Der Erfolg der Unternehmer kann sich stark von dem ihres Landes unterscheiden. Nur so ist es zu erklären, dass es belgische Konzerne mit 103 Prozent Börsenplus in vier Jahren zum Vizeeuropameister schaffen, obwohl ihr Staat ein verkommenes Bild abgibt. Auf dem Parkett glänzen die weltgrößte Brauerei Anheuser Busch, der Einzelhändler Delhaize, der Versicherer Ageas sowie der Halbleiterhersteller Melexis, die zeitweise zum Fonds von Barakos gehörten.

Diese Teams rüsten Adidas und Co. bei der EM aus

Auch der Vizeeuropameister unter den Fondsmanagern, Gianmarco Mondani (GAM Star European Momentum, 102 Prozent), ist in Belgien investiert. Der Metallverarbeiter Bekaert sowie der Einzelhändler Colruyt gehören zu den rund 70 Unternehmen im Fonds. Obwohl Mondani mit seinem Team in Lugano, weit weg von großen Finanzzentren arbeitet, bleibt er nah an den Unternehmen dran. Nur wenn das Management ihn im persönlichen Gespräch überzeugt, die Zahlen und langfristigen Aussichten stimmen, wird investiert.

Aktuell sind seine größten Positionen der schwedische Hygieneartikelhersteller Svenska Cellulosa (Tempo, Zewa), der deutsche Telekomausrüster Drillisch und der Schweizer Halbleiterspezialist für Navigationssysteme u-blox. Mondani fiebert bei der EM für die Schweizer Mannschaft („Nati“) mit. Da er ausgerechnet auch im Juni Börsenturbulenzen erwartet, rät er Anlegern, die EM als willkommene Ablenkung zu nutzen und sich mit einem Bier zu entspannen: „Ich glaube nicht, dass ein Austritt der Briten aus der EU oder die Wahl in Spanien die guten wirtschaftlichen Aussichten Europas zunichte machen wird.“

Dem erfolgreichsten Fondsmanager, David Tovey, könnte selbst das egal sein. Er lenkt von London aus den Blackrock Strategic Fund European Opportunities Extension (177 Prozent plus) und kann den Fonds an jede Situation anpassen. Wenn die Aktienkurse steigen, profitiert er, weil er rund 150 europäische Aktien im Depot hält. Glaubt er nicht an den Erfolg eines Unternehmens, wettet er auf fallende Kurse. Kommt es zum Kursverlust, steigt der Wert der sogenannten Contracts for Difference (CFD), die Tovey einsetzt. Schon vor einem Jahr hatte er sich etwa von Banken CFDs auf deutsche Aktien wie Gerry Weber und Rocket Internet auflegen lassen. Deren Kurs hat sich in einem Jahr halbiert. CFDs machten daraus einen Gewinn. Blackrock hat den Fonds aktuell auf die Zuschauertribüne verbannt und bewirbt ihn nicht. Anleger hatten ihn mit Geld überschüttet. Ein hohes Volumen allerdings schränkt mitunter Toveys Flexibilität ein. Anleger

können den Fonds zwar kaufen, sollten aber berücksichtigen, dass die CFD-Strategie riskant ist.

Regel 4: Einer verliert, der andere gewinnt

Wer in Führung ist, hat eben etwas zu verlieren. Oder wie es Trainerlegende Otto Rehagel gesagt haben soll: „Mal verliert man, mal gewinnen die anderen.“

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