Europäische Aktien Die Zeit der Schnäppchen ist vorbei

Seit Mario Draghi vor zwei Jahren versprach, den Euro zu verteidigen, haben die Aktien von Europas Unternehmen 2,1 Billionen Euro an Wert zurückgewonnen. Nun haben Investoren Probleme, günstige Aktien zu finden.

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Die Zeit günstiger europäischer Aktien scheint vorbei, klagen die Investoren. Quelle: dpa

New York Sein Geld zur richtigen Zeit in die richtige Firma zu stecken - das ist wohl der Traum vieler Anleger. Für viele, die vor zwei Jahren in Aktien europäischer Unternehmen investierten, ging er in Erfüllung. Die Daten der Nachrichtenagentur Bloomberg zeigen: Bei rund 85 Prozent im Stoxx Europe 600 abgebildeten Unternehmen sind die Kurse seit Juli 2012 geklettert. Damals versprach der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, den Euro um jeden Preis zu retten.

Wer an die EU-Papiere glaubte, macht heute oft Kasse. Zugewinne wie 98 Prozent bei der spanischen Banco Bilbao haben die Lücke zwischen Firmen mit hoher und mit niedriger Bewertung so eng zusammenschmelzen lassen wie nie zuvor.

Doch die Rally könnte bald vorbei sein: Der Aktienmarkt bewegt sich nun im Vergleich zu den Gewinnen um ein Vier-Jahres-Hoch und günstige Aktien sind Mangelware. So sieht das zumindest Francois Savary, Investmentchef bei der Schweizer Bank Reyl & Cie, die in Genf sitzt.

Zwar gewinne die europäische Wirtschaft wieder an Fahrt, doch in den Bewertungen der Aktien sei möglicherweise ein noch stärkeres Wachstum eingepreist. „Die breite Rally ist vorbei”, sagt der Stratege. „Es ist inzwischen sehr schwierig, einige der Bewertungen zu rechtfertigen. Man kann nicht mehr einfach alles kaufen.”

Dass es sich für die Investoren lohnte, europäische Titel zu halten, liegt auch an der Notenbankpolitik der EU. EZB-Chef Draghi senkte im vergangenen Jahr den Euro-Leitzins gleich zweimal. Zudem versprach er bei jedem Notenbanker-Treffen seit Juli, die Zinsen niedrig zu halten. Seinerseits ist das nur konsequent - schließlich hatte er vor zweit Jahren versprochen, alles Notwendige tun zu wollen, um den Euro zu erhalten.


Der Markt bewegt sich nahe am Stillstand

Inzwischen verabschieden sich aber viele Anleger von der Schnäppchenjagt. Europäische Aktien im Stoxx 600 wurden zuletzt mit einem mittleren Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 19,4 gehandelt. Das ist nahezu das höchste Niveau seit Dezember 2009. Die Zuwächse in den vergangenen 20 Monaten hoben das durchschnittliche KGV für die billigsten 20 Prozent der Firmen im Börsenbarometer auf 10,3 - verglichen mit 32,5 für die teuersten 20 Prozent. Das zeigen Daten von Bloomberg. Damit ist der Abstand zwischen den Gruppen so gering wie seit mindestens 2002 nicht mehr.

„Es ist schwieriger, Günstiges in Europa zu finden”, sagt auch Graham Secker, ein Stratege bei Morgan Stanley in London. „In den Bewertungen spiegelt sich eine stärkere Erholung wider als das, was wir womöglich sehen werden. Investoren wollen nicht noch mehr von dem kaufen, was sie schon haben. Gleichzeitig können sie nichts anderes zum Kaufen finden. Daher gibt es einen kleinen Stillstand im Markt.”

Aktien zu finden, deren Kurse in Relation zum Gewinn besonders niedrig sind, werde für die Investoren immer schwieriger, erklärt Andrew Lapthorne, Stratege bei der französischen Societe Generale: „Wenn alles neu ausgepreist wurde, kommt man zu einem Punkt, an dem alles mit ähnlichen Bewertungen gehandelt wird.”

Da zeigt der Vergleich von zwei europäischen Banken: Die Bewertung von Banco Bilbao hat sich seit Juli 2012 mehr als verdoppelt, belegen Daten von Bloomberg. Dabei sind die Gewinne der zweitgrößten Bank Spaniens in fünf der vergangenen sechs Jahre gefallen. Im Gegensatz dazu hat sich die Bewertung von Svenska Handelsbanken - unter den Großbanken in Europa die am besten kapitalisierte Bank -gerade mal von 11,3 auf 14,9 erhöht. Die schwedische Bank berichtete aber im Gegensatz zu der spanischen vier Jahre in Folge steigende Gewinne.

„Nachdem die Bewertungen jetzt höher sind als die langjährigen Durchschnitte, ist die Kernfrage: Wann wird der Markt beginnen, gute Geschäftsmodelle zu belohnen?”, fragte Tom Stubbe Olsen, Gründer von European Value Partners in der Schweiz. Diese Frage dürften sich auch viele der Unternehmensführer stellen.

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