WirtschaftsWoche Online: Frau Hartmann, die Börsen Europas sind im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Die Rally geht an manchen Börsenplätzen nun schon ins dritte Jahr. Ihr Euro Blue Chip Fonds hatte ordentlich Rückenwind. Waren das nur Sonderprofite dank der Entspannung in der Schuldenkrise?
Alexandra Hartmann: Nein, das waren keine Sondereffekte sondern ist das Ergebnis meines aktiven Fondsmanagements. Deswegen ist uns wichtig, dass Anleger den Fonds länger halten. Denn letztlich geht es darum, wie lange ein Fondsmanager gute Ergebnisse liefert. Dass ein Fondsmanager immer den Vergleichsindex schlägt, ist höchst selten. Auch bei mir gibt mehr und weniger starke Jahre, was die Performance angeht. Wenn sie sich meine Performance seit meinem Start als Fondsmanagerin im Jahr 1996 ansehen, hätten sie mit mir beziehungsweise den von mir gemanagten Fonds aus 1.000 Euro bis heute 2.920 Euro gemacht, mit dem Vergleichsindex hätten sie 2.320 Euro und mit dem Durchschnitt der Konkurrenz 2.140 Euro geschafft. Das entspricht für meinen Fonds einer jährlichen Rendite von 6,1 Prozent, beim Index waren es hingegen nur 4,8 Prozent und bei den Wettbewerbern im Durchschnitt sogar nur 4,3 Prozent. Ich kann also mit der Performance ganz zufrieden sein.
Aber kann das noch lange so weitergehen?
Politische Börsen haben eigentlich immer kurze Beine. Langfristig – also über mehr als ein Jahr hinaus - folgen die Aktienmärkte eher den fundamentalen Daten, also den Geschäftszahlen der Unternehmen. Und die Fundamentaldaten sind recht gut. In Europa peilen wir im Durchschnitt ein Gewinnwachstum von 11,5 Prozent pro Jahr für die nächsten zwei Jahre an. Das ist besser als die Erwartung für die USA von zehn Prozent. Gleichzeitig ist der europäische Aktienmarkt auch noch günstiger. Die Aktien sind im Schnitt mit dem 14-fachen ihrer Gewinne bewertet, in den USA ist es fast der 16fache Gewinn. Europa ist tatsächlich - wie auch der Weltdurchschnitt - günstiger und wachstumsstärker als die Vereinigten Staaten.
Ist denn die noch immer nicht bewältigte Eurokrise kein großes Risiko für Anleger?
Die Eurokrise als solche ist noch nicht ausgestanden. Wir sind sicher noch auf Jahre mit der Genesung beschäftigt, das kann auch noch ein Jahrzehnt dauern. Ich erwarte keine Krisenbörse. Die könnte es höchstens geben, wenn das europäische Anleihen-Aufkaufprogramm OMT vom Europäischen Gerichtshof einen Riegel vorgeschoben bekommt. Aber das kann ich mir nicht vorstellen und andere ernsthafte Krisengefahren sehe ich nicht. Für Anleger ist viel wichtiger, dass die Börse immer die Veränderung kauft. Von ‚sehr schlecht‘ zu ‚nicht mehr ganz so schlecht‘ ist es schon ein Riesenschritt. Dass die ersten Krisenländer wieder Zugang zum Kapitalmarkt haben, dass es wieder ein wenig Vertrauen an Märkten gibt - das ist es, was für gute Stimmung an der Börse sorgt.
"Das richtige Umfeld, um chancenreiche Aktien zu kaufen"
Also erwarten Sie, dass es für die Aktienmärkte in Europa weiter aufwärts geht?
Der Markt ist im vergangenen Jahr schon ziemlich gut gelaufen. Ich würde aber sagen, das war nur der erste Schub. Jetzt gab es eine erste kleine Konsolidierung. Solche Rücksetzer sind genau das richtige Umfeld, um chancenreiche Aktien zu kaufen. Sicher, wir haben hier und da fallende Kurse gesehen, weil doch zu viel Euphorie im Kurs enthalten war. Das gehört zum Börsenalltag: Nach der Untertreibung kommt die Übertreibung. Mit der Zeit pendeln die Aktienbewertungen aber um ihr fundamental gerechtfertigtes Niveau entsprechend der Unternehmensergebnisse. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Unternehmen schon viel besser dastehen als die europäischen Volkswirtschaften insgesamt. Wir reden immer von der hohen Staatsverschuldung, aber die Unternehmen haben dieses Problem nicht. Die Bilanzen sind sauber und die Verschuldung liegt unter dem historischen Durchschnitt. Auch die Kreditnachfrage zeigt Erholungstendenzen. Die Nachfrage nach Konsumkrediten entwickelt sich weniger schlecht und bei den Krediten für Unternehmen sieht es nach einer Bodenbildung aus.
Befürchten Sie nicht, wichtige Absatzmärkte wie die USA, Japan, China oder andere Schwellenländer könnten einbrechen?
Es mangelt schon an starken Motoren. Aber ich rechne nicht mit einer massiven Enttäuschung. Ich vermute, dass die USA jetzt langsam schwächer werden, nachdem sie vier Jahre lang mit ihrer Geldpolitik massive Kapitalinvestments angeschoben haben. Die Skeptiker hängen sich jetzt nur daran auf, dass es in den vergangenen Jahren so gut gelaufen ist und fragen sich, warum das nicht so weitergehen kann. Aber die Gewinnmargen sind schon sehr hoch, weil sehr gut investiert worden ist. Und viele Kurse sind auch dank der massiven Aktienrückkäufe im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Dass diese Maßnahmen irgendwann enden, sollte niemanden verwundern und ist insofern auch schon in die Kurse eingepreist. China würde ich genauso beurteilen: es wächst, aber eben langsamer als vorher. Bei den Schwellenländern ist zwar damit gerechnet worden, dass die eine oder andere überbewertete Währung fällt, aber eben nicht bei allen Ländern, die jetzt eine Riesenabwertung erlitten haben. Das mag sich noch zwei Quartale so fortsetzen, aber die meisten Analysten bauen diese Risiken jetzt in ihre Modelle ein. Jetzt sind sich alle der Risiken bewusst.
Dennoch werden Unternehmen darunter leiden, wenn die Schwellenländer weiter unter Druck geraten.
Jetzt kommt es darauf an, welche Marktteilnehmer die Absatzmöglichkeiten für die betroffenen Unternehmen richtig einschätzen. Ändert ein Unternehmen seine Preisstrategie so, dass es seine Marktanteile in den jeweiligen Schwellenländern erhält oder sogar erweitern kann, weil es Wettbewerber verdrängen kann? Dann könnten sie in den nächsten drei oder vier Jahren davon profitieren, auch wenn es zunächst die Gewinne schmälert. Oder macht ein Unternehmen mit dem Festhalten an hohen Preisen weiter und verzichtet dafür auf Absatzvolumen? Das richtig einzuschätzen, bedeutet sehr viel Arbeit.
Wie kommen Sie denn zu einer fundierten Einschätzung über solche Fragen?
Wir betrachten jedes Unternehmen einzeln und sprechen diese Themen an. Ich habe drei Unternehmensgespräche pro Tag und kann dafür aus 20 Terminen täglich in ganz Europa auswählen. Wir fragen nach den verschiedenen Unternehmenssparten, in welchen Regionen sie präsent sind und warum sie glauben, schneller als der Markt wachsen zu können. Die Vielfalt der Unternehmen ist dabei groß. Die einen können ihre Geschäfte für die nächsten Monate gut voraussagen, andere planen nur von Tag zu Tag. Mir macht es Spaß, mir einzelne Unternehmen und ihre Aktien genauer anzusehen.
"Die Unternehmen müssen sich klar vom Rest unterscheiden"
Dennoch sind die guten Investmentchancen nach der Rekordrally bis zum Jahreswechsel schon weitgehend abgegrast. Wo werden sie fündig?
Der Vorteil von aktiv gemanagten Fonds ist eben, dass wir uns nicht nur den Durchschnitt rausgreifen, in dem bereits zu gut gelaufene Aktien ebenso stecken wie besonders günstige, sondern dass wir uns gezielt die Titel herauspicken, die noch viel Potenzial haben. Zum Glück gibt es immer wieder kaufenswerte Aktien und es gibt noch genügend Treiber in Europa. Viele Anleger denken, der Markt sei so effizient. Er ist es aber nur in Teilen und vor allem nicht immer. Das hat auch damit zu tun, dass sich das Personal auf der Seite der Broker in der Aktienanalyse permanent ändert. Dann sind Aktien mal besser und mal weniger gut abgedeckt. Einem neuen Broker fehlt vielleicht noch das Wissen und die Erfahrung mit einer Aktie. Das führt in der Aktienbewertung zu Diskrepanzen, die ich ausnutze.
Sie suchen laut Fondsrichtlinien nach Blue Chips. Das klingt nach den Klassikern aus den Leitindizes, die jeder Indexfonds auch kauft. Die sind kaum unterbewertet.
Für mich sind Blue Chips etwas anderes. Die Aktien müssen jedenfalls nicht in einem Index vertreten sein. Es gibt bei den Blue Chips für mich nur eine Untergrenze bei der Liquidität, also der Handelbarkeit der Aktie. Was Branchen, Marktkapitalisierung oder die Art des Unternehmens angeht, habe ich aber keine Beschränkungen. Für mich ist entscheidend, wie nachhaltig das Geschäftsmodell ist. Es müssen Unternehmen sein, die ihre Markttreiber selbst kontrollieren. Rein mit der Unternehmensgröße hat das für mich nichts zu tun.
Die zehn wichtigsten Aktien-Regeln
Gegen die größer werdenden Unwägbarkeiten sollte man sich zuallererst mit einer Strategie wappnen: Wer an kräftiges Wachstum in Deutschland glaubt, an einen anhaltenden Boom der Schwellenländer und hohen privaten Konsum, kann weiter am Aktienmarkt investieren. Wer skeptisch ist, sollte seine Bestände hingegen nicht aufstocken.
Eng verbunden mit der ersten Regel: Immer wieder kommt es vor, dass sich Dinge anders entwickeln, als man erwartet hat. Es ist wichtig, sich selbst immer wieder zu hinterfragen und nicht jeder Entwicklung hinterherzulaufen. Eine solche Reaktion zeugt nicht von einem geringen Vertrauen in die eigene Strategie. Es kostet meist auch Geld, weil die Masse schon vorher diese Richtung eingeschlagen und das Gros an Rendite eingefahren hat.
Groß oder klein, spekulativ oder konservativ, liquide oder illiquide, dividendenstark oder dividendenschwach, Substanz oder Wachstum: Bei Aktien ist die Auswahl riesig. Der richtige Mix aus spekulativen und konservativen Titeln hilft, Schwankungen zwischen guten und schlechten Zeiten auszugleichen. Nicht zu unterschätzen sind starke Dividendenzahler, die Jahr für Jahr den Grundstock für eine solide Rendite legen.
Keine Frage, die Börsen haben in den vergangenen zehn Jahren stärker geschwankt als in allen Dekaden zuvor. Das wird so bleiben, mit wachsendem Computerhandel sogar noch zunehmen. Wer sein Risiko minimieren will, baut Barrieren ein – sogenannte Stopps. Gerne werden Stopps bei 20 Prozent über und unterhalb des aktuellen Kurses gewählt. Dann wird automatisch verkauft, wenn diese Grenzen erreicht sind. Kommt eine Phase überraschend steigender Kurse mit anhaltendem Aufwärtstrend, lässt sich die Barriere leicht nach oben verschieben. Wichtig ist dann, auch die Barriere am unteren Ende nachzuziehen.
Wichtig in Phasen überraschender Kurssteigerungen oder -stürze ist es, das Verhalten der Masse zu beobachten. Ist es noch nachvollziehbar oder völlig irrational? Häufig ist es irrational. Dann hilft meist die zweite Regel: Widerstandskraft zeigen. Nach einigen Monaten kehrt die Rationalität von ganz allein zurück. Der Kurssturz aus dem vergangenen Jahr und die jüngste Entwicklung beweisen das gerade wieder.
Sind Aktien wie seit Jahresbeginn schon um 30, 40 oder gar 50 Prozent gestiegen, dann sind Anschlussgewinne in der Regel nur noch schwer zu erzielen. Phrasenverdächtig ist zwar die alte Weisheit: „An Gewinnmitnahmen ist noch niemand zugrunde gegangen.“ Richtig ist sie trotzdem.
Firmenchefs haben einen gewaltigen Vorteil gegenüber normalen Aktionären. Sie wissen weit mehr als jeder Analyst oder Kommentator, wie es in ihrem Unternehmen aussieht. Insider nennt man sie deshalb. Sie melden ihre Orders innerhalb von fünf Handelstagen an die Börsenaufsicht Bafin. Das Handelsblatt veröffentlicht alle zwei Wochen das sogenannte Insider-Barometer, das aus der Summe aller Kauf- und Verkaufsorders Schlüsse für den weiteren Verlauf in Dax & Co. zieht. Jüngste Tendenz: Vorstände und Aufsichtsräte verkaufen mehr als sie kaufen. Vorsicht also!
Terroranschläge und Naturkatastrophen kommen unerwartet. Politische Konflikte wie aktuell zwischen Israel und dem Iran schwelen meist länger. Entscheidende Wahlen wie jüngst in Russland und in diesem Jahr noch in Frankreich und den USA sind vorhersehbar und haben immer Einfluss auf die Börse. Dabei gilt generell: Wahljahre sind gute Börsenjahre.
Mit Optionsscheinen oder Bonus-Zertifikaten lässt sich zwar aus einem Aufwärtstrend ein noch größerer Profit schlagen. Dies sind jedoch in der Regel Wetten ohne realen Hintergrund. Aktien sind reale Werte.
Vor allem Aktien einzelner Branchen unterliegen immer wieder gewissen Moden. Doch die wechseln wie im realen Leben, und manchmal geht das schneller, als man denkt. Das bekommt gerade die einst angesehene Solarenergie-Branche bitter zu spüren.
Was macht für Sie dann eine Aktie zum Blue Chip?
Die ausgesuchten Unternehmen müssen sich erstens klar vom restlichen Markt unterscheiden. Das kann zum Beispiel ein innovatives Produkt sein, das für den Kunden einen wesentlichen Vorteil bringt, ohne dass der Mehrpreis den Absatz gefährdet. Es muss einen wichtigen Mehrwert besitzen, zum Beispiel für die Sicherheit eines Produktes. Damit hat ein solches Unternehmen einen Vorsprung vor der Konkurrenz, der nicht so leicht aufzuholen ist. Es besteht also eine Eintrittshürde für die Wettbewerber. Der zweite wichtige Punkt ist ein möglichst langjährig erfolgreiches und erfahrenes Management, das mich im Gespräch überzeugt. Sie müssen mir erklären können, wohin sie wollen, mit welchen Maßnahmen sie dorthin gelangen und wie realistisch ihre Ziele sind – auch im Vergleich zu den Konkurrenten. Mich interessiert, was sie mit dem Geld machen, das sie einnehmen. Der dritte Punkt ist dann Chance eines Unternehmens, von innen heraus zu wachsen – also nicht durch Zukäufe oder externe Faktoren, die das Unternehmen selbst nicht beeinflussen kann.
"Der Wettbewerb ist intensiv"
Gibt es Branchen, die sie aufgrund ihrer Auswahlkriterien grundsätzlich meiden?
Das pauschal zu sagen, ist schwierig. Ich gebe Ihnen ein Beispiel für das, was ich nicht suche: Banken, bei denen die Treiber von außen dominant sind. Das können etwa Wechselkurse, Zinsen oder das Konkurrenzumfeld sein. Anderes Beispiel: Ein gewöhnlicher Papiermaschinenhersteller arbeitet auf einem Markt mit geringen Zugangsbarrieren, der Wettbewerb ist intensiv. Dann ist das Unternehmen einfach vom Marktwachstum abhängig und für mich nicht von Interesse. Aber in jeder Branche gibt es auch attraktive Ausnahmen.
Der Fonds beinhaltet rund 60 verschiedene Titel. Wie oft schlagen Sie ihr Portfolio um?
60 bis 70 Prozent des Fonds werden pro Jahr ausgetauscht. Die übliche Haltedauer liegt bei eineinhalb Jahren. Manche Aktien halte ich über Jahre, andere nicht. Ein Beispiel: Der Vergleichsindex, der MSCI EMU, besteht zu einem Viertel aus Finanzwerten. Die passen mit meinem Ansatz inneren Wachstums allerdings nur selten gut ins Portfolio. Ich kann aber nicht so einfach 25 Prozent des Marktes ignorieren, wenn ich meinen Fonds mit dem Index vergleiche. Die Kurse der Banken können mitunter sehr schnell steigen und ebenso schnell wieder unter Druck geraten, weil ihr Geschäft eben oft von äußeren Einflüssen bestimmt wird. Also muss ich taktischer anlegen. Da sind die Haltedauern natürlich kürzer. Dann gibt es Firmen, die wollen sie sehr lange halten. Wenn deren Kurs aber zu weit voraus läuft und damit eigentlich schon das Wachstum für die nächsten zwei, drei Jahre eingepreist ist, dann schneide ich lieber mal auf die Hälfte der Position zurück und warte, bis sich das wieder etwas gesetzt hat. Wenn ich sehe, jetzt ist wieder zu wenig Wachstum eingepreist, baue ich die Position wieder auf.
Können Sie uns Beispiele für Aktien nennen, auf die Sie setzen?
Es gibt Aktien, deren Kurs nicht den wahren Wert des Unternehmens widerspiegelt, weil sie noch mit Altlasten behaftet ist. Die KBC aus Belgien ist beispielsweise so eine Aktie. Eine völlig solide Retailbank in zwei sehr oligopolistischen Märkten, nämlich Belgien und der Tschechischen Republik. Dort bestimmen vier Banken mit zusammen 80 Prozent Marktanteil den Markt – darunter KBC. Deren Aktie war jedoch stark unterbewertet, weil ihr der Markt Kapitalmangel unterstellt hat, weil der Staat involviert war und sie irische Problemkredite in der Bilanz hatte. Das alte Grundgeschäft war aber mit einer Eigenkapitalrendite von rund 30 Prozent sehr solide. Nachdem die Problemkredite abgeschrieben und eine Kapitalerhöhung Erfolg hatte, waren die Probleme behoben. KBC war aber noch immer so bewertet, als hätte sie noch ihre Altlasten. Das Aufwertungspotenzial war aus meiner Sicht sehr hoch und die Aktie für mich daher eine gute Kaufgelegenheit. Diese Aktie habe ich schon lange im Portfolio und fühle mich noch immer sehr wohl damit.
"Es ist ein Luxus, den wir uns mit diesem Aufwand gönnen."
Finden Sie solche Geschichten auch bei bekannten Titeln?
Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus einem Markt, von dem ich glaube, dass er strukturell wachsen kann und wo die Eintrittsbarrieren für Konkurrenten tatsächlich höher sind, als sie zunächst erscheinen: Die Billig-Airline Ryanair. Die Aktie kann zwar recht schwankungsfreudig sein, aber die Branche hat noch viel Wachstumspotenzial hat. Billigfluglinien stehen aus meiner Sicht noch immer am Anfang und können sich weiter durchzusetzen, weil die Menschen immer preisbewusster werden. Daneben bestehen an den großen Flughäfen Überkapazitäten. Billigflieger sind dort also willkommen. Ryanair ist in diesem Umfeld besonders flexibel und agil. Als zum Beispiel eine ungarische Fluglinie Pleite ging, nahm Ryanair innerhalb von drei Wochen dort den Flugbetrieb auf. Ryanair ist zudem so kostengünstig, dass das Unternehmen die Preise nach unten setzen kann – und so die Wettbewerber und Druck setzt oder ganz aus dem Markt drängt. Die sehr gute Kostenkontrolle ist auch beim Kauf oder Leasing von Flugzeugen wichtig. Die Gewinnprognosen von Ryanair liegen regelmäßig über den Schätzungen der Analysten, die Cashflow-Generierung ist gut und die Aktie ist vernünftig bewertet. Für mich ein interessantes Investment.
Gibt es Branchen oder Länder, in denen Sie besonders häufig fündig werden?
Nein, Chancen gibt es eigentlich überall. Wenn Sie unseren Fonds ansehen, werden sie merken, dass wir sehr diversifiziert sind. Entscheidend ist lediglich, dass unsere Kriterien an einen Blue Chip erfüllt und die Aktien unterschätzt werden. Dafür müssen sie sich aber viele Aktien genau anschauen. Bei uns arbeiten rund 70 Aktienanalysten, darunter 45, die Europa abdecken – die mich in meiner Arbeit allesamt sehr unterstützen. Es ist nicht so, dass man da Themen oder eine Branche entdeckt, die noch keinem aufgefallen wären. So leicht ist es nicht.
Wie viele Unternehmen schauen Sie sich denn im Jahr an?
Ich habe ungefähr drei Einzelgespräche am Tag, die zwei Drittel meiner Arbeitszeit beanspruchen. Die Unternehmen, die ich im Fonds habe, sehe ich viermal jährlich. Insgesamt sind das fast 700 Gespräche im Jahr, die ich führe. Ich muss ungefähr sieben verschiedene Unternehmen treffen, um daraus eine neue Investmentidee zu generieren, die ins Portfolio wandert. Das ist viel, aber entspricht unserem hohen Anspruch. Es ist geradezu ein Luxus, den wir uns mit diesem Aufwand gönnen.
Haben Sie noch eine Prognose für Anleger?
Grundsätzlich bin ich verhalten optimistisch. Wir sehen eine Bodenbildung. Aber es gibt noch eine ganze Menge Unternehmen, die pro Jahr rund 15 Prozent wachsen. Ich rechne insgesamt mit steigenden Kursen.