Nicht bloß Buffett, sondern Value-Investoren insgesamt – und zu denen gehören Sie ja auch – müssen immer wieder Renditeeinbußen hinnehmen. Ist der Value-Ansatz trotzdem noch aktuell?
Am Kapitalmarkt gibt es Phasen und Wellenbewegungen. Bis 2007 hatte beinahe jede Bank eine Value-Abteilung aufgebaut und die Preise wurden nach oben getrieben. Dann hat es ab August 2007 nicht mehr geklappt und viele sind wieder rausgegangen. Da muss man drüberstehen. Meiner Meinung nach ist Value die einzig logische Anlageform: Billiger kaufen als der innere Wert, das funktioniert. Nur die Wellen lagern sich darüber und nehmen einem manchmal die Rendite weg und manchmal addieren sie was dazu.
Wie gehen Sie bei der Suche nach unterbewerteten Firmen vor?
Buffett würde einfach die Geschäftsberichte der Reihe nach durchlesen. Dass das ziemlich viel ist, hat auch mal jemand auf einer Hauptversammlung angemerkt. Und Buffett antwortete: ‚Dann fangen Sie bei A an.’ Also systematisch alles lesen. Wir machen das etwas anders, wir gehen zwar auch systematisch alle Bilanzen durch, aber mit Hilfe von Computern. In unserem System haben wir etwa 18.000 Bilanzen und ein Bewertungsschema und filtern jeden Monat durch. Dann kommen pro Monat 30 bis 50 interessante, billige Aktien heraus und etwa 20 davon schauen wir uns im Team genauer an. Was Buffett liest, analysiert bei uns der Computer.
Investieren ohne Computer geht also nicht mehr?
Moderne Computertechnologie wird für Investoren immer mehr zur Konkurrenz, die Computer nehmen uns die Butter vom Brot. Deshalb ist es nur logisch, dass ich die Computer für mich arbeiten lasse. Wir forschen gerade zum Thema künstliche Intelligenz: Was kann ich aus den Ziffern in einem Geschäftsbericht herauslesen? Welche Strukturen kann ich aus den Texten erkennen? Sehe ich irgendwelche Muster? Wie verhält sich das Management? Wir haben verschiedene Baustellen, an denen wir arbeiten, und die Computer sind unsere Assistenten.
Können Sie Ihren Computer irgendwann so programmieren, dass er handelt wie Warren Buffett?
Das wird gehen. Da bin ich mir ziemlich sicher und darauf arbeiten wir auch hin. Wir testen gerade verschiedene Modelle und neuronale Netze – das sind solche Dinger, die bei selbstfahrenden Autos, bei der Autovervollständigung von Google oder bei Schachcomputern zum Einsatz kommen. Da tut sich unglaublich viel. Wir wollen das so nutzen, dass wir das System mit Daten füttern und es uns am Ende sagt, ob sich ein Investment lohnt. Schon heute findet das System interessante Dinge, aber wir verstehen die noch nicht ganz, wir lernen noch.
Diese Anlagestrategien empfehlen die Finanzmarkt-Kenner
Die Pimco-Manager haben es nicht leicht. Einerseits arbeiten sie für den größten Anleihemanager der Welt, andererseits hält ihr Chef nichts mehr von US- und Euro-Land-Staatsanleihen, wie Pimco-Boss Bill Gross wiederholt betonte. Also legt auch Pimco möglichst schnell neue Aktienfonds auf und investiert in Rohstoffe, zu denen Pimco auch Öl und Gold zählt. Unter dem Strich packt Bosomworth die Hälfte des Anlegergeldes in Aktien. Schwellenländer hält er sowohl bei Aktien als auch bei Anleihen für attraktiv. Als Länder nennt er Brasilien, Russland – dessen politische Stabilität ihm allerdings zunehmend Sorgen bereitet –, Indonesien, Südafrika. Die 15 Prozent Liquidität parkt er in kurzlaufenden Unternehmensanleihen. Einzelne Aktien empfiehlt Bosomworth nicht. Bei Anleihen bleibt Anlegern oft gar nichts anderes übrig, als Fonds zu kaufen: Viele attraktive Anleiheemissionen sind erst in Stückelungen zu 50.000 oder gar 100.000 Euro zu haben.
Mayer gibt als Volkswirt keine Anlageempfehlungen, lässt aber keinen Zweifel daran, wohin die Reise geht: in die finanzielle Repression. Die Zentralbanken halten die Zinsen im Zusammenspiel mit den Regulierungsbehörden niedrig, sie „legen den Zins einfach flach, wie ein Surfbrett im Wasser“. Gleichzeitig weiten sie die Geldmenge gigantisch aus, sodass höhere Inflation kommen wird. Ihr entgehen können Anleger mit Gold und Aktien. Ein Anleger sollte Gold als Währung sehen, rät Mayer, verfällt dann aber doch in ein Plädoyer für die Aktie. Das Wachstum in den Emerging Markets rät er über globale Unternehmen, die dort besonders exponiert seien, zu kaufen. Wer sich nicht mit Einzeltiteln beschäftigen wolle, solle in Misch- und Aktienfonds investieren. Klar sollten Anleger sich über ihre Vorstellung von Risiko sein. Für Mayer ist „Risiko nicht Volatilität, also heftige Kursschwankungen, sondern Risiko ist Verlust. Volatilität dazwischen kann ich nehmen.“ Soll heißen: Aktien können schwanken, dürften aber auf Dauer sicherer sein als viele Anleihen. Goldene Regel: Je jünger ein Anleger ist, desto länger kann er Schwankungen aussitzen.
Die 20 Prozent Anleiheanteil des Depots hat Flossbach in sichere Unternehmensanleihen gepackt und in Staatsanleihen von Staaten außerhalb des Euro-Raums, zuletzt etwa in kanadischen, neuseeländischen und australischen Dollar sowie in Polen und Chile. Ganz bewusst geht er raus aus den Gelddruck-Währungen Dollar, Euro, Yen und Pfund Sterling.
Von Immobilien rät er ab: Für Normalanleger sei die eigene Wohnung okay, darüber hinaus hätten aber nur Millionäre die Chance, vernünftig Risiken zu streuen: „Ein Mietnomade, und dann hat sich das tolle Apartment in München oder Hamburg nicht rentiert.“ Offene Immobilienfonds seien eindrucksvoll gescheitert und Immobilienaktien eben keine Immobilien, sondern Aktien: „Mit denen investieren Sie in Unternehmen, nicht in Immobilien.“ Skeptisch ist er auch bei Schwellenländeraktien. Bei denen stören ihn Korruption und der Einfluss der Regierungen auf Großunternehmen. „Wer die empfiehlt, macht sich selten die Mühe, die Firmen anzusehen.“
Von Anleihen hält Ehrhardt angesichts global weiter niedrig erwarteter Zinsen wenig. Der Fondsmanager würde Rentenfonds nur kaufen, um Geld zu parken; dazu allenfalls Fremdwährungsanleihen entwickelter Staaten wie jene des Rohstofflandes Kanada oder Papiere aus Singapur und dem ölreichen Norwegen. Bei höher verzinslichen Schwellenländeranleihen schreckt den Anlageprofi das Währungsrisiko. Unternehmensanleihen, die noch drei bis vier Prozent bringen, seien, wenn man kein hohes Ausfallrisiko auf sich nehme, schwer zu finden. Abseits seiner Liquiditätsreserve favorisiert Ehrhardt Aktien und Gold. Bei der Auswahl der Märkte schaut er zuerst auf die Entwicklung der Geldmengen – starke Geldschöpfung der Zentralbanken spricht dafür, dass Liquidität an die Börsen fließt und Aktienkurse steigen. Sein Geldmengenindikator spricht folglich primär für die USA sowie Deutschland, etwas weniger für Europa – und gegen China. Entsprechend ist Ehrhardt in einem seiner Fonds mit einer kleinen Position short auf China, wettet also auf fallende Indexstände, auch zur Absicherung preiswerter China-Aktien.
Roelli ist der typisch genaue Schweizer, der Wert darauf legt, dass seine Anlageverteilung ein „ausgewogenes Portfolio“ sei, also nichts für spekulative Investoren. 24 Prozent Bargeld ist viel, so viel hielt Pictet zuletzt im Dezember des Katastrophenjahrs 2008. Das Anleiheportfolio besteht aus soliden Unternehmensanleihen und einigen hochverzinslichen Junk-Bonds. Euro-Anlegern packt Pictet 30 Prozent des Vermögens in Fremdwährungen, „weil der Euro eher abwerten wird als aufwerten“. Anders als andere Teilnehmer der Runde vertraut er auf Hedgefonds, da gebe es einige sehr gute. Hinter „Alternativen Investments“ verbergen sich außerdem Rohstoffe und Immobilien. Bei Aktien sind die defensiven globalen Player stark vertreten, zehn Prozent nennt er „taktische Investments“, also Aktien, die nicht unbedingt über Jahre gehalten werden – zuletzt europäische Werte. Schwellenländeraktien mag er nicht, in China seien die letzten Gewinne enttäuschend ausgefallen. Das Schwellenländerthema spielt er lieber über europäische oder globale Aktien, etwa Swatch, die viel Umsatz in Asien machen. Neben Markenartiklern favorisiert er Technologiewerte, viele seien „so billig wie Anfang der Neunzigerjahre“.
Was ist denn heute schon machbar?
Wir machen zum Beispiel Textanalyse: Ein Kollege füttert den Computer mit Geschäftsberichten. Herauszufinden, ob sich in der Nähe bestimmter kritischer Worte interessante andere Worte befinden, ist Aufgabe der Künstlichen Intelligenz. Spannend – wenn auch ganz konventionell – ist auch das Benfordsche Gesetz: In einem Geschäftsbericht, wie in jedem Zahlenwerk, haben die Ziffern eine bestimmte Häufigkeit, die Eins kommt mit 30 Prozent Wahrscheinlichkeit vor, die Zwei mit 17 und so weiter. Wenn diese Häufigkeit nicht da ist, sind die Zahlen manipuliert. Das sind schöne Werkzeuge.
Die Leidenschaft für die Börse und die Finanzwelt merkt man Ihnen an. Auch Ihre Fotos sind keine Schnappschüsse. Was hatten Sie zuerst, eine Aktie oder eine Kamera?
Das war etwa zeitgleich, ich war zehn Jahre alt und habe meine erste Kamera und meine erste Aktie gekauft. Die Kamera war eine Adox Golf und die Aktie die Bayer AG. Die hat sich aber gar nicht bewegt. Wenn es danach gegangen wäre, wäre ich heute nicht Finanzinvestor. (lacht)