Finanzexperte einmal anders "Was Buffett liest, analysiert bei uns der Computer"

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„Computer nehmen uns die Butter vom Brot“

Zehn Szenarien für 2013 - und was sie für Anleger bedeuten
Der Euro wird überlebenDie europäische Währung, Dauerpatient auf der Intensivstation, wird bis 2013 nicht sterben - davon gehen jedenfalls die Analysten der Research-Abteilung von HSBC Trinkaus aus. Ihre Prognose begründen sie mit den Treuebekundungen der europäischen Politiker zum Euro und dem Versprechen der EZB unbegrenzt Staatsanleihen klammer Staaten zu kaufen, die einen Hilfsantrag beim Euro-Rettungsschirm gestellt haben. Die Märkte werden sich langfristig beruhigen, sofern die Euro-Länder ihre Hausaufgaben machen. Quelle: dpa
Niedrige Zinsen, niedrige InflationDie Zinsen werden mittelfristig niedrig bleiben. Die Analysten der HSBC rechnen damit, dass die EZB ihre Niedrigzinspolitik auch noch 2013 fahren wird. Allerdings gehen sie auch von einer niedrigen Teuerungsrate aus. Paradox? Nein. Denn die Geldflut der EZB werde nicht über Kredite in die Realwirtschaft fließen und zwar wegen hoher Arbeitslosigkeit und Unterkapazitäten in der Euro-Zone. Ausnahme bleibe Deutschland: Hierzulande könnte die Inflation stärker anziehen - dank Lohnsteigerungen und robustem Arbeitsmarkt. Quelle: dpa
Keine ImmobilienblaseEine Immobilienblase in Deutschland sehen die Experten nicht. Das heißt aber nicht, dass Immobilien nicht gefragt sein werden. Dafür sprechen niedrige Zinsen und damit niedrige Finanzierungskosten. Zudem sei der Arbeitsmarkt robust - und wer einen sicheren Job hat, der will auch ein eigenes Häuschen. Doch Immobilien könnten auch als Anlageklasse interessanter werden – dank niedriger Renditen bei festverzinslichen Papieren und volatiler Aktienmärkte. Quelle: dpa
Dollar könnte unter die Räder kommenFür eine Belastung des Dollar-Kurses sehen die Analysten der HSBC für 2013 drei Faktoren. Erstens: Die lockere Geldpolitik der US-Notenbank und wahrscheinlich werden weitere quantitative Maßnahmen folgen. Zweitens driften die USA auf die Schuldenobergrenze zu. Wenn diese nicht erhöht wird, wird die US-Regierung zahlungsunfähig, was die Wirtschaft belasten und automatisch Steuererhöhungen mit sich bringen wird. Als dritten Grund sehen sie eine mögliche Verlagerung der Aufmerksamkeit. Während derzeit alle Welt auf die Staatsfinanzen der Euro-Länder schauen, könnte sich in Zukunft die Diskussion auf die USA konzentrieren. Quelle: dpa
Gold glänztDer Goldpreis wird weiter steigen. Weil Notenbanken Gold kaufen, die Realzinsen negativ sind und Währungen abgewertet werden, steigt die Beliebtheit des Edelmetalls weiter. Sorgen um eine wachsende Inflation verstärken diesen Trend noch. Die Geldflut dürfte außerdem ihren Weg zum Gold finden, das im Gegensatz zur Währung nicht beliebig vermehrt werden kann. Quelle: dpa
Unternehmensanleihen sind interessantAufgrund ihrer Prognosen für das Jahr 2013 hat die HSBC auch bestimmte Anlagestrategien empfohlen. Die Investmentgrade-Unternehmensanleihen gehören dazu. Denn selten sei der Aufschlag im Verhältnis zur Rendite so hoch gewesen. Langfristig sei das Chance-Risiko-Verhältnis besonders attraktiv. Gegen ein kurzfristiges Investment in diese Anlageklasse spreche dagegen vor allem die geringe Liquidität. Bei Staatsanleihen von Ländern mit einem guten Rating sind die Renditen kleiner als die Inflation und deshalb unattraktiv. Quelle: dpa
Spekulativ: Hoch-Zins-AnleihenIn Tagen der Niedrigzinspolitik ist bei Staatsanleihen wenig zu holen. Die Analysten der HSBC empfehlen deshalb spekulativen Investoren High-Yield-Anleihen - jedoch nur als Beimischung. Allerdings ist bei Unternehmens-Hochzins-Anleihen Vorsicht geboten: Die hohen Zinsen gibt es wegen der schlechten Kreditwürdigkeit der Unternehmen. HSBC empfiehlt deshalb, sich die Unternehmen genau anzuschauen und solche auszuwählen, die ein solides Geschäftsmodell und geringe Verschuldung. Quelle: dpa

Nicht bloß Buffett, sondern Value-Investoren insgesamt – und zu denen gehören Sie ja auch – müssen immer wieder Renditeeinbußen hinnehmen. Ist der Value-Ansatz trotzdem noch aktuell?
Am Kapitalmarkt gibt es Phasen und Wellenbewegungen. Bis 2007 hatte beinahe jede Bank eine Value-Abteilung aufgebaut und die Preise wurden nach oben getrieben. Dann hat es ab August 2007 nicht mehr geklappt und viele sind wieder rausgegangen. Da muss man drüberstehen. Meiner Meinung nach ist Value die einzig logische Anlageform: Billiger kaufen als der innere Wert, das funktioniert. Nur die Wellen lagern sich darüber und nehmen einem manchmal die Rendite weg und manchmal addieren sie was dazu.

Wie gehen Sie bei der Suche nach unterbewerteten Firmen vor?
Buffett würde einfach die Geschäftsberichte der Reihe nach durchlesen. Dass das ziemlich viel ist, hat auch mal jemand auf einer Hauptversammlung angemerkt. Und Buffett antwortete: ‚Dann fangen Sie bei A an.’ Also systematisch alles lesen. Wir machen das etwas anders, wir gehen zwar auch systematisch alle Bilanzen durch, aber mit Hilfe von Computern. In unserem System haben wir etwa 18.000 Bilanzen und ein Bewertungsschema und filtern jeden Monat durch. Dann kommen pro Monat 30 bis 50 interessante, billige Aktien heraus und etwa 20 davon schauen wir uns im Team genauer an. Was Buffett liest, analysiert bei uns der Computer.

Hendrik Leber, Fondsmanager und Value-Investor, sucht stets nach unterbewerteten Aktien - und wird etwa bei Solarunternehmen und in Japan fündig. Wo er beim nächsten Kursrutsch zuschlägt.
von Andreas Toller

Investieren ohne Computer geht also nicht mehr?
Moderne Computertechnologie wird für Investoren immer mehr zur Konkurrenz, die Computer nehmen uns die Butter vom Brot. Deshalb ist es nur logisch, dass ich die Computer für mich arbeiten lasse. Wir forschen gerade zum Thema künstliche Intelligenz: Was kann ich aus den Ziffern in einem Geschäftsbericht herauslesen? Welche Strukturen kann ich aus den Texten erkennen? Sehe ich irgendwelche Muster? Wie verhält sich das Management? Wir haben verschiedene Baustellen, an denen wir arbeiten, und die Computer sind unsere Assistenten.

Können Sie Ihren Computer irgendwann so programmieren, dass er handelt wie Warren Buffett?
Das wird gehen. Da bin ich mir ziemlich sicher und darauf arbeiten wir auch hin. Wir testen gerade verschiedene Modelle und neuronale Netze – das sind solche Dinger, die bei selbstfahrenden Autos, bei der Autovervollständigung von Google oder bei Schachcomputern zum Einsatz kommen. Da tut sich unglaublich viel. Wir wollen das so nutzen, dass wir das System mit Daten füttern und es uns am Ende sagt, ob sich ein Investment lohnt. Schon heute findet das System interessante Dinge, aber wir verstehen die noch nicht ganz, wir lernen noch.

Diese Anlagestrategien empfehlen die Finanzmarkt-Kenner

Was ist denn heute schon machbar?
Wir machen zum Beispiel Textanalyse: Ein Kollege füttert den Computer mit Geschäftsberichten. Herauszufinden, ob sich in der Nähe bestimmter kritischer Worte interessante andere Worte befinden, ist Aufgabe der Künstlichen Intelligenz. Spannend – wenn auch ganz konventionell – ist auch das Benfordsche Gesetz: In einem Geschäftsbericht, wie in jedem Zahlenwerk, haben die Ziffern eine bestimmte Häufigkeit, die Eins kommt mit 30 Prozent Wahrscheinlichkeit vor, die Zwei mit 17 und so weiter. Wenn diese Häufigkeit nicht da ist, sind die Zahlen manipuliert. Das sind schöne Werkzeuge.

Die Leidenschaft für die Börse und die Finanzwelt merkt man Ihnen an. Auch Ihre Fotos sind keine Schnappschüsse. Was hatten Sie zuerst, eine Aktie oder eine Kamera?
Das war etwa zeitgleich, ich war zehn Jahre alt und habe meine erste Kamera und meine erste Aktie gekauft. Die Kamera war eine Adox Golf und die Aktie die Bayer AG. Die hat sich aber gar nicht bewegt. Wenn es danach gegangen wäre, wäre ich heute nicht Finanzinvestor. (lacht)

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