Der große Unterschied zu früheren Krisen: dieses Mal besteht keinerlei Einigkeit darüber, was der Hauptauslöser der Kurseinbrüche ist. Die Lehrbücher sind eben noch nicht um das Kapitel Negativzins erweitert worden. Crashprophet und Börsenlegende George Soros etwa wettet offenbar auf einen Absturz des breiten Börsenindex S&P 500. Die Hauptursache für einen möglichen Crash sieht Soros dabei in China. Das Reich der Mitte exportiere Deflation und sei hoffnungslos überschuldet, eine harte Landung der Konjunktur in China somit unausweichlich, so Soros.
Das sind die drei Leitzinssätze der EZB
Der wichtigste Leitzins ist der Hauptrefinanzierungssatz. Er legt den Mindestzins fest, den Geschäftsbanken der EZB für einen Kredit mit einwöchiger Laufzeit im Rahmen der sogenannten Tenderauktionen bieten müssen. Änderungen wirken sich in der Regel direkt auf die Zinsen am Geld- und am Kapitalmarkt aus.
Für Banken, die sehr kurzfristig Geld brauchen, wird es teurer, hier bietet die EZB die sogenannte Spitzenrefinanzierungsfazilität an. Diese Kredite haben eine Laufzeit von einem Tag. Der Zins, den Banken für das über Nacht geliehene Geld zu zahlen haben, ist der Spitzenrefinanzierungssatz. Er liegt in der Regel rund einen Prozentpunkt über dem Hauptrefinanzierungssatz.
Die Einlagefazilität ist das Gegenstück zur Spitzenrefinanzierungsfazilität. Sie gibt Banken die Möglichkeit, einen Überschuss an flüssigen Mitteln bis zum nächsten Geschäftstag bei der Zentralbank zu parken. Die Verzinsung gibt der Einlagefazilitätssatz an. Spitzen- und Einlagefazilität sind Instrumente, mit denen die EZB weitere Feinsteuerung verwirklichen kann. Wenn die Banken zum Beispiel nur sehr wenig oder gar keinen Zins auf das Geld bekommen, das sie bei der EZB parken, dann steigt der Anreiz, es an einen Kunden zu verleihen. Derzeit ist der Einlagezins negativ - und bestraft somit Banken, die Geld bei der EZB parken.
Viele Stimmen zur Krise, viele Meinungen, kein Pauschalrezept. So sieht offenbar die Infrastruktur der "außergewöhnlichen Zeiten" aus. „Niemand weiß wirklich, welche Auswirkungen die quantitative Lockerung jetzt hat, geschweige denn, welche Folgen ihr Ende haben könnte“, schreibt Folkerts-Landau. Sicher sind bisher nur die Folgen, welche schon jetzt an den Finanzmärkten beobachtet werden können.
Die offensichtlichste Folge der negativen Einlagezinsen ist, dass ein beachtlicher Teil der europäischen Staatsanleihen mittlerweile im negativen Bereich notieren. Selbst Bundesanleihen mit siebenjähriger Laufzeit rentieren negativ. Laut Euro-Staatsanleihenindex von Bloomberg notieren inzwischen Bonds mit einem Umfang von 1,2 Billionen Euro unter 0,3 Prozent. Seit der vergangenen Sitzung des EZB-Rats im Januar ist das Volumen damit deutlich gestiegen.
Ist die EZB-Politik der Krisentreiber?
Der ehemalige EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark kritisierte die EZB in einem Interview mit der „Welt“ vor kurzem deutlich. Die Zentralbanken seien längst zur Gefangenen ihrer eigenen Politik geworden. Regierungen und Finanzmärkte seien abhängiger denn je vom billigen Notenbankgeld, bei den jüngsten Korrekturen kam es daher zu einem Überschießen der Marktreaktionen. Etwas, was kaum ein Analyst in seine Prognose mit eingerechnet hat. Steht ja auch in keinem Lehrbuch, wie das bei negativen Zinsen geht.
„Der Negativzins ist auf Dauer nicht verträglich“, sagt Christian Lips, Stratege bei der NordLB. Ein Blick auf die Bankaktien zeigt, dass es viele Papiere von Instituten aus Ländern sind, in denen ein negativer Einlagezins eingeführt wurde, die unter dem aktuellen Abschwung leiden. Zuletzt wurde immer mehr Kritik am Minus-Zins laut.