Helge Pedersen, Chefökonom bei Nordea in Kopenhagen, erklärte kürzlich, der negative Zins funktioniere zwar, um eine Währung zu schwächen. Die Kreditvergabe kurbele man damit aber nicht an. Für die EZB ist das ein Schlag ins Kontor. Der Notenbank drohe ein „Teufelskreis“, warnte der Nordea-Volkswirt. Auch Lips ist skeptisch. „Die nominalen Zinsen können zwar noch tiefer sinken, ob das aber den gewünschten Effekt hat, ist fraglich“, sagt Lips.
Heizen die Zentralbanken mit ihrem Negativzins die Turbulenzen an? Scott Mather, Managing Director bei Pacific Investment Management Co. bezeichnete den Minus-Zins vor kurzem als “verzweifelte” Maßnahme, die schädlich sei für die „finanzielle und wirtschaftliche Stabilität“.
Nachteil des Wettbewerbs
Offenbar überwiegen bisher die Nachteile. Und die liegen eindeutig bei den Banken. Sie müssen für Geld, welches sie bei der EZB deponieren wollen, eine Gebühr bezahlen. Gleichzeitig verlangen Sparer aber weiterhin Geld von den Instituten, wenn sie Geld auf ihr Konto einzahlen. Die Ertragsmöglichkeiten der Banken werden also deutlich eingeschränkt.
Die drei Pfeiler der Bankenaufsicht
Die zentrale Bankenaufsicht („Single Supervisory Mechanism“/SSM) wird unter dem Dach der Europäischen Zentralbank (EZB) eingerichtet und soll am 4. November 2014 die Arbeit aufnehmen. Die EZB wird künftig die etwa 120 größten und wichtigsten Banken im Euroraum direkt überwachen. Vor dem Start durchleuchten die Aufseher deren Bilanzen und testen die Krisentauglichkeit der Institute.
Von 2016 an sollen gemeinsame Regeln zur Sanierung und - im Notfall - Schließung von Banken greifen („Single Resolution Mechanism“/SRM). Erklärtes Ziel ist, dass im Fall der Schieflage einer Bank zunächst deren Aktionäre und Sparer herangezogen werden - und nicht mehr allein der Steuerzahler. Alle Länder sollen Notfallfonds aufbauen, die sich aus Abgaben der Banken finanzieren.
Der grenzüberschreitende Schutz der Bankguthaben von Kunden ist noch Zukunftsmusik. Dagegen gibt es starken Widerstand aus vielen Staaten. Gerade die deutschen Sparkassen und Volksbanken befürchten, dass die üppig gefüllten deutschen Töpfe im Fall von Schieflagen von Instituten in anderen Euroländern geschröpft werden.
Käme es wie erhofft zu einer deutlich steigenden Kreditvergabe, wäre das auch für Banken positiv. Allerdings bezweifeln Analysten, dass die Nachfrage nach Darlehen dafür überhaupt groß genug ist. Banken dürften also weiterhin in einem Dilemma stecken, denn bisher winden sie sich darum herum, den Strafzins an ihre Kunden weiterzugeben. Dafür ist der Wettbewerb zwischen den Instituten zu intensiv.
Auf die verzwickte Lage der Banken angesprochen sagte EZB-Chef Mario Draghi nach dem Zinsentscheid im Januar, das Mandat der EZB sei es, Preisstabilität zu gewährleisten, nicht, die „Profitabilität der Banken zu schützen“. Vor dem Hintergrund, dass die EZB mittlerweile auch für die Aufsicht der wichtigsten Banken in Europa zuständig ist, eine bemerkenswerte Aussage. Noch sehe die EZB keine Zeichen von finanzieller Instabilität durch geldpolitische Maßnahmen.
Trotzdem bleibt es problematisch, denn im Moment sieht es schwer danach aus, als würde die EZB nachlegen und den Einlagezins noch weiter absenken. „Die Frage ist nur, wie weit nach unten es gehen wird“, sagt Lips. Die Konjunktursorgen und die schlechte Stimmung der Marktteilnehmer, gerade was Bankaktien angehe, deute darauf hin, dass die EZB nachlege, erklärt Lips. „Eine Senkung um mehr als zehn Basispunkte wird aktuell bereits vom Markt eingepreist“.
Schon bei ihrem vergangenen Treffen im Januar haben die EZB-Räte eine stärkere Absenkung des Einlagezinssatzes diskutiert. Die Zinskurven zeigen das bereits, der Markt wäre vermutlich schwer enttäuscht, wenn der Einlagezins nicht weiter gesenkt würde. Der „Teufelskreis“, von dem viele Beobachter sprechen, würde Realität. Bringt am Ende die Bankenaufsicht ihre eigenen Zöglinge mit ihrer eigenen Geldpolitik in Gefahr? Undenkbar ist es nicht. Und die Lehrbücher müssen so oder so umgeschrieben werden.
Wie steht es um die Zukunft der Banken? Droht der nächste Lehman-Moment, eine globale Finanzkrise? Eine umfangreiche Analyse zur aktuellen Lage in der Bankenbranche lesen Sie ab Freitag in der neuen WirtschaftsWoche.