Finanzmärkte Die große Krise im Devisenhandel

Unter Devisenhändlern herrscht Untergangsstimmung. Erträge schrumpfen und der Manipulationsskandal frisst sich durch die Branche. Mehr als elf Banken haben bereits Händler gefeuert. Die einst stolze Sparte klagt.

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Dollar für Euro: Billiges Zentralbank-Geld und rekordniedrige Zinsen in der ganzen Welt bremsen den Devisenhandel aus. Quelle: ap

New York Die fetten Jahre für Devisenhändlern sind vorbei. Der April machte die Hoffnungen auf ertragreiche Handelsbilanzen zunichte. Der Global Currency Managers Index, der laut Parker Global die besten 14 Fonds im Bereich Devisen abbildet, verzeichnete im vergangenen Monat ein Minus von 1,5 Prozent. Das war nicht nur der höchste Rückgang seit Juli, sondern auch deutlich schlechter als das Plus von 0,8 Prozent aus dem März.

Die Volatilität, die Investoren und Händler normalerweise zu ihrem eigenen Vorteil ausnutzen können, ist auf das Niveau von vor der Finanzkrise zurückgefallen - ausgebremst durch billiges Zentralbank-Geld und durch rekordniedrige Zinsen in der ganzen Welt.

„Bis wir uns von dieser weltweiten Zentralbank-Politik der Null-Prozent-Zinsen wegbewegen, werden wir das haben, was wir haben - nämlich eine bizarre Preisentwicklung an den Finanzmärkten, Devisen eingeschlossen“, erklärte David Kotok, Chairman und Investmentchef bei Cumberland Advisors. Seine Firma verwaltet ein Vermögen von rund zwei Milliarden Dollar. Die Händler „haben keine Handelsspannen und Volatilität, von denen sie profitieren können“.

Derzeit gibt es kaum Anzeichen dafür, dass sich an der Lage etwas ändern wird. Fed-Chefin Janet Yellen hatte vergangene Woche diejenigen enttäuscht, die darauf hoffen, dass die Fed ihre Konjunkturmaßnahmen schneller zurückfahren wird oder ein Signal dazu gibt, wann die Zinsen steigen. Die Notenbank beließ ihren Leitzins nahe null und bekräftigte, dass der Satz für eine „beträchtliche Zeit“' nach dem Ende ihres Bondkauf-Programms auf dem Niveau bleiben werde.

Gleichzeitig gehen die Händler davon aus, dass weder die Europäische Zentralbank noch die Bank of Japan dazu bereit sind, ihre Geldpolitik zu verändern. „Diese ruhige Zeiten könnten sogar länger andauern, als der Markt erwartet - was noch mehr schlechte Nachrichten bedeuten könnte“, sagte Olivier Korber, Devisen-Stratege bei Société Générale SA in Paris. Angesichts der niedrigen Volatilität und eines fehlenden Trends sei es sehr schwer, Geld an den Devisenmärkten zu verdienen. „Mit Zentralbanken, die so berechenbar sind, haben wir nicht die richtigen Zutaten, die notwendig sind.“ Auf dem Devisenmarkt werden 5,3 Milliarden Dollar pro Tag bewegt.

Auch die Deutsche Bank AG, der weltweit größte Händler von Devisen mit Sitz in Frankfurt, machte die niedrige Volatilität bei der Bilanzvorlage am 29. April dafür verantwortlich, dass die Erlöse aus dem Devisengeschäft im ersten Quartal signifikant gesunken waren.


30 Devisenhändler wegen Manipulationsverdacht gefeuert

Eine Möglichkeit für Händler, die niedrige Volatilität doch zu ihrem Vorteil auszunutzen, sind so genannte Carry-Trades. Dabei kaufen sie Hochzins-Anlagen mit Geld, das sie sich in Währungen von Ländern mit niedrigem Zins leihen. Die geringeren Schwanken senken dabei das Risiko, dass erzielte Gewinne durch Wechselkursbewegungen ausgelöscht werden. Ein UBS-Index, die die Erlöse aus Carry-Trades verfolgt, ist in diesem Jahr um 4,1 Prozent gestiegen.

Von dieser Handelsstrategie profitieren vor allem Devisen aus Schwellenländern, in denen die Zinsen relativ hoch sind. Ein Bloomberg-Index, der Währungen von 20 Schwellenländern abbildet, kletterte im April den dritten Monat in Folge.

„Nicht alles ist verloren“, sagte Bilal Hafeez, weltweiter Leiter Devisenstrategie bei der Deutschen Bank, in einer Notiz. „Opportunistische Streifzüge in die Schwellenländer sind wahrscheinlich der beste Bereich“, um in diesem Jahr auf den Devisenmärkten Geld zu verdienen.

Ein Ausgleich für die geringe Volatilität ist dies nach Meinung einiger Beobachter aber nicht. „Aggressive Händler leben wirklich von der Volatilität, und die war einfach nicht sehr hoch“, sagte Robert Sinche, weltweiter Stratege beim Broker Pierpont Securities. „Dieses Jahr war extrem schwierig.“

Als eine Folge der Entwicklungen lichten sich die Reihen der Devisenhändler bei den größten Banken in diesen Tagen rasant. Das liegt auch an Untersuchungen zu möglichen Manipulationen von Benchmark-Sätzen. Mehr als 30 Händler von elf Unternehmen sind seit Oktober gefeuert oder freigestellt worden, oder in Rente gegangen. Das zeigen Daten, die von Bloomberg News zusammengetragen wurden. Damals hatten Aufsichtsbehörden erklärt, sie würden mögliche Manipulation am Markt untersuchen.

Die britische Barclays und die Schweizer UBS sind den Daten zu folgen am stärksten betroffen - beide suspendierten mindestens ein halbes Dutzend Mitarbeiter. „Das ist ein beträchtlicher Prozentsatz der Mitarbeiter“, sagte Brad Bechtel, Managing Director bei Faros Trading in Connecticut. Seinen Schätzungen zufolge haben die größten Banken der Welt zwischen 80 und 160 Voice-Händler für Spot-Devisen- Raten. „Das erklärt den Mangel an Liquidität im Markt. Und es erklärt, warum etwas, was normalerweise als kleines Handels-Geschäft gelten würde, den Markt tatsächlich mehr als normal herumdrehen kann.“ Seinen Beobachtungen zufolge beschäftigten sich bei kleineren Unternehmen rund 200 Händler mit Spot-Devisen-Sätzen, erklärte er in einer E-Mail.


Stark schrumpfende Margen

Rund um den Globus werden mögliche Manipulationen am Devisenmarkt, an dem täglich 5,3 Billionen Dollar umgesetzt werden, unter die Lupe genommen. Mindestens ein Dutzend Aufseher auf drei Kontinenten prüfen die Vorwürfe, über die Bloomberg News erstmals im Juni berichtet hatte. Demnach sollen Händler mit ihren Kollegen bei anderen Banken kollaboriert haben, um Benchmark-Sätze zu manipulieren, und eigene Aufträge vor denen der Kunden ausgeführt haben.

Investoren erheben den Vorwurf, dass die Banker bestimmte Chat-Räume mit Namen wie „The Cartel“, „The Bandits' Club“ oder auch „The Mafia“ benutzt haben sollen, um gemeinsam die WM/Reuters-Sätze zu manipulieren, die zur Festlegung der Kurse am Devisenmarkt dienen. Keinen Firmen oder Händler sind bislang von Behörden eines Fehlverhaltens beschuldigt worden.

Gleichzeitig kämpfen die Banken in aller Welt auch gegen schrumpfende Margen. So ersetzen sie beispielsweise Händler durch Computer. Damit beschleunigt sich ein vor längerer Zeit eingesetzter Trend, den Handel hin zu elektronischen Plattformen zu verlagern.

Chris Ashton, weltweiter Chef für Spot-Handel bei Barclays, war vergangenes Jahr suspendiert worden - gemeinsam mit anderen Spot-Händlern der Bank in London und New York. Citigroup sagte im Januar, sie habe ihren Chef für den europäischen Spot-Handel, Rohan Ramchandani, gefeuert.

Auch wenn viele der Abgänge bei den Banken offenbar durch die Manipulations-Untersuchungen ausgelöst wurden, wird in einigen Fällen auch auf andere Motivationen hingewiesen. Darren Coote, der weltweite Chef für Spot Foreign Exchange bei Lloyds, hatte die Londoner Bank beispielsweise aus persönlichen Gründen verlassen. Das erfuhr Bloomberg News von informierten Personen im April.

James Pearson, Chef für den Devisenhandel in Europa, dem Nahen Osten und Afrika bei Royal Bank of Scotland, nimmt sich eine fünfmonatige Auszeit aus persönlichen Gründen, wie die Bank Ende April erklärte. Die Deutsche Bank gab in der letzten April-Woche bekannt, dass mit Kevin Rodgers ihr weltweiter Chef für den Devisenhandel im Juni gehen wird.

Rodgers „hat eine persönliche Entscheidung getroffen, sich aus der Branche zurückzuziehen, um andere Ziele zu verfolgen, darunter akademische und musikalische“, erklärte Renee Calabro, eine Sprecherin der Bank in New York. Rodgers war seit Mitte 2012 für das Devisengeschäft der größten Bank Deutschlands verantwortlich.

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