Finanzmärkte „House of Wirecard“

Spekulanten, die auf fallende Kurse wetten, wittern beim Finanzdienstleister Wirecard Geldwäsche und fragwürdige Bilanzen. Viele Vorwürfe sind haltlos. Zukäufe des TecDax-Stars in Asien aber werfen in der Tat Fragen auf.

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Wirecard: Viele Vorwürfe sind haltlos. Quelle: dpa, Montage

Die Zentrale: versteckt in einem schmucklosen Gewerbegebiet südlich von München. Der Eingangsbereich: ein Sicherheitstrakt wie beim Bundesnachrichtendienst. In einem abgedunkelten Raum steht neue Technik, streng geheim. Alles ist ruhig hier, im Zentrum des Sturms, gegen den sich der Konzern stemmen muss, gegen eine nie gekannte Attacke von angelsächsischen Hedgefonds auf ein deutsches Unternehmen.

Willkommen bei Wirecard.

Das Geschäftsmodell Zahlungsdienstleistungen klingt dröge, doch das Unternehmen aus dem bayrischen Aschheim ist alles andere als langweilig. Millionen Menschen kommen täglich mit Wirecard in Berührung - meist unbemerkt. Bei Käufen bei Ebay etwa oder in Carrefour-Supermärkten, aber auch im Laden in der Fußgängerzone ist Wirecard als Zahlungsabwickler mit dabei. Oft garantiert Wirecard die Zahlungen sogar. Knapp fünf Milliarden Euro ist der im Technologiewerte-Index TecDax notierte Konzern an der Börse wert, fast so viel wie die Lufthansa. So langsam könnte sich Wirecard an den Dax heranrobben. Wären da nicht die Shortseller - Spekulanten, die auf fallende Kurse wetten und alles dafür tun, um den Kurs eines Unternehmens in die gewünschte Richtung zu bewegen. So werden, zum Teil über anonyme Quellen, Gerüchte über angeblich fragwürdige Bilanzmethoden in die Welt gesetzt.

Verkaufspositionen auf Allzeithoch: Shorts auf Wirecard seit 1. November 2014¹ (zum Vergrößern bitte anklicken)

Diese sind zwar vielfach nicht haltbar. Fragen gibt es aber dennoch.

Doch der Reihe nach.

Wirecard ging aus der 1999 gegründeten EBS-Holding hervor, einem Unternehmen, das die Technik für bargeldloses Bezahlen bereitstellte. Die ersten Kunden kamen aus der Porno- und Glücksspielszene. Das damit verbundene Halbweltsimage haftet Wirecard heute noch an.

Mit 10.000 Euro zum Millionär

1999 setzte die Vorläuferfirma 900.000 Euro um und schrieb Verluste. Im Januar 2002 wurde der Österreicher Markus Braun Wirecard-Vorstand. Heute sind die Zahlen beeindruckend: 2015 setzte Wirecard 771 Millionen Euro um, unter dem Strich blieben 143 Millionen Euro Nettogewinn. 2300 Mitarbeiter bedienen weltweit 24.000 Kunden. Im letzten Jahr wickelte Wirecard Transaktionen im Gegenwert von 45,2 Milliarden Euro ab. Wirecard automatisiert Zahlungsprozesse via Terminal, online oder mobil und steht im Zweifel für Zahlungsausfälle gerade. Die 2006 gegründete Wirecard Bank bietet zudem Konten- und Kreditkartendienstleistungen und arbeitet unter anderem mit Visa und MasterCard zusammen.

Die Geschichte der Aktie bringt Anleger zum Träumen: Vom absoluten Kurstief der Vorläufergesellschaft bei 36 Cent bis zum Hoch 13 Jahre später verhundertzwanzigfachte sich der Kurs. Wer damals 10 000 Euro riskierte, ist heute Millionär. So wie Braun, der sieben Prozent an Wirecard hält, Gegenwert: 340 Millionen Euro. 'Ich bin ja auch bei Wirecard eingestiegen, Ende 2001 und Anfang 2002, als alle anderen ausgestiegen sind. Ich glaube an antizyklisches Handeln', so der 46-jährige promovierte Wirtschaftsinformatiker.

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