Finanztransaktionssteuer Neue Steuer belastet private Anleger

Die geplante Finanzmarktsteuer könnte angesichts massiver Kritik von Banken und wachsender Bedenken in den beteiligten Euro-Staaten stark eingedampft werden. Warum Privatanleger trotzdem doppelt zahlen könnten. Ein Gastbeitrag.

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Aufmacher Finanztransaktionssteuer Quelle: WirtschaftsWoche Online

Ursprünglich sollte die neue Börsensteuer jede Finanzmarkt-Transaktion besteuern. Auf jeden Kauf und Verkauf von Wertpapieren sollte die Steuer anfallen. Zu Hochzeiten war die Rede davon, dass in der EU bis zu 70 Milliarden Euro jährlich kassiert werden könnten. Die Banken sollten so an den Kosten der Finanzkrise beteiligt werden. Doch: In Brüssel wird aktuell über Änderungen am Gesetzentwurf der EU-Kommission diskutiert. Die Neuerungen würden den Finanzinstituten entgegenkommen. Folge: weitaus geringere Steuereinnahmen als ursprünglich angenommen. Setzten sich die Forderungen der Lobbyisten durch, könnte der deutsche Fiskus nur eine statt zehn Milliarden Euro kassieren. Diskutiert wird offenbar auch eine Freistellung für Altersvorsorge-Produkte. Die Steuer könnte demzufolge in ihrer ersten Stufe auf eine Börsensteuer auf Aktien reduziert werden. In Stufe zwei kämen Anleihen hinzu und dann erst Derivate. Entschieden ist freilich noch nichts. Sicher scheint aber bereits, dass mit der neuen Steuer am Ende mal wieder die Privatanleger geschröpft werden. Christoph Boschan blickt regelmäßig hinter die Kulissen. Für wiwo.de beschreibt der Vorstand der Börse Stuttgart in seinem Gastbeitrag, wie sich die Steuer auf die private Geldanlage auswirken könnte.

EU-Kommission belastet Privatanleger

So unklar die Lage in den politischen Gremien ist, so eindeutig erscheint sie mittlerweile hinsichtlich der Auswirkungen auf die Märkte und – noch viel wichtiger – auf die Anleger. Denn nahezu alle Untersuchungen zur Finanztransaktionssteuer beschreiben ausführlich die negativen Effekte für die Effizienz der Finanzmärkte und für Privatanleger.

Aktuelle Analysen zur Finanztransaktionssteuer

In einer Studie untersuchte die Börse Stuttgart gemeinsam mit der Forschungsgruppe "Financial Market Innovation" des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) die Auswirkungen der französischen Finanztransaktionssteuer auf Handelsaktivität und Marktqualität. Die Ergebnisse sind eindeutig: Die französische Finanztransaktionssteuer beeinflusst die Handelsaktivitäten und das Verhalten der Investoren in erheblichem Maße. An der Euronext Paris ist das durchschnittliche Handelsvolumen der von der Steuer erfassten Aktien in den ersten drei Monaten nach Einführung der Steuer im August 2012 um rund 18 Prozent gesunken. Auf der multilateralen Handelsplattform Chi-X reduzierte sich das Handelsvolumen in den betroffenen Werten um 26 Prozent. Auch die durchschnittliche Anzahl der täglichen Transaktionen ist an der Euronext Paris um 19 Prozent und auf Chi-X um 14 Prozent gesunken. Neben den Handelsvolumina verschlechterten sich auch die Intervalle, in denen die An- und Verkaufspreise erneuert wurden.

Dramatische Auswirkungen

Die Situation in Frankreich ermöglicht eine Prognose auch für den deutschen Markt: Die Folgen einer Finanztransaktionssteuer sind höhere Transaktionskosten, rückläufige Handelsvolumina bei den betroffenen Wertpapieren und damit geringere Liquidität an den Märkten. Darüber hinaus sind die indirekten Auswirkungen der Steuer nicht zu unterschätzen. Die Liquidität im Markt für Wertpapiere wird leiden, wenn – wie von Brüssel gewollt – auch die Liquiditätsspender zur Kasse gebeten werden. Deren Marge bewegt sich üblicherweise im Bereich von wenigen Basispunkten und damit weit unterhalb der Steuerhöhe. Aus ihren Einkünften können diese wichtigen Marktteilnehmer die Steuer daher nicht begleichen. Die Folge wäre eine vollständige Weiterberechnung an die übrigen Marktteilnehmer. Damit träte genau die Vervielfachung der Steuer entlang der Transaktionskette ein, die die EU-Kommission eigentlich vermeiden wollte.

Mindestens ebenso dramatisch wären die Auswirkungen auf Privatanleger. Zunächst einmal müssten sie bei geringerer Liquidität höhere Spreads zwischen An- und Verkaufspreisen akzeptieren und Abstriche bei der Ausführungsgeschwindigkeit ihrer Orders machen. Zudem findet sich im Richtlinienvorschlag der EU-Kommission kein Passus, der Transaktionen von Privatanlegern von der direkten Steuerpflicht ausnimmt. Im Gegenteil: Privatanleger können der Steuer im Gegensatz zu Finanzinstituten nicht vermeiden, da sie keine Möglichkeit haben, ihre Finanzaktivitäten zu verlagern. Sie werden sogar die Hauptlast der Steuer tragen, da zu erwarten ist, dass die Finanzinstitute höhere Kosten für Konstruktion und Handel von Finanzinstrumenten infolge der Steuer vollständig an die Endkunden durchreichen werden – über höhere Spreads und Gebühren.

Renditeverlust durch Steuer

Wie Europa zu den Plänen für die Börsensteuer steht
GroßbritannienDie Briten wollen die Einführung der Finanztransaktionssteuer mit allen Mitteln verhindern, da von London aus rund 20 Prozent der globalen Bankengeschäfte getätigt werden. Premierminister David Cameron will ein Veto gegen eine EU-weite Steuer einlegen. Allerdings gibt es... Quelle: dpa
...seit dem 17. Jahrhundert bereits eine Börsenumsatzsteuer im Aktienhandel. Sie beläuft sich auf 0,5 Prozent des Ankaufskurses der Aktie und bringt dem britischen Fiskus derzeit rund drei Milliarden Pfund pro Jahr. Quelle: Reuters
SchwedenEinen „Rohrkrepierer“ nennt Schwedens konservativer Finanzminister Anders Borg die Finanztransaktionssteuer. Er befürchtet, dass sie einen negativen Einfluss auf das wirtschaftliche Wachstum in der EU hätte. Schweden hat mit einer Börsensteuer bereits schlechte Erfahrungen gemacht:... Quelle: Reuters
...seit ihrer Einführung 1984 bis 1990 wanderte etwa die Hälfte des schwedischen Börsenumsatzes nach London ab. Aus diesem Grund schaffte sie der neue konservative Regierungschef Carl Bildt im Jahr 1991 wieder ab. Quelle: Reuters
Nicolas Sarkozy Quelle: rtr
Nicolas Sarkozy Quelle: rtr
ItalienDie Transaktionssteuer hat in Italien eine breite Mehrheit. Der Senat forderte Regierungschef Mario Monti auf, sich beim EU-Gipfel für deren Einführung einzusetzen - am liebsten in allen EU-Staaten. Quelle: Reuters

Ein Beispiel: Beim Kauf und Verkauf eines Discountzertifikats müsste ein privater Anleger durch die Finanztransaktionssteuer einen Renditeverlust von mindestens einem Prozent hinnehmen. Nach dem derzeitigen Richtlinienvorschlag zahlt der Anleger als Käufer 0,1 Prozent Steuer. Der Liquiditätsspender, also der Verkäufer an der Börse, zahlt dafür, dass er dem Privatanleger das Geschäft ermöglicht, weitere 0,1 Prozent. Zusätzlich muss er sich selbst als Käufer eindecken. Für diese Transaktion wird wiederum eine Steuer von 0,1 Prozent fällig. Beim Kontrahent dieses Geschäfts, in der Regel dem Emittenten des Zertifikats, schlägt die Finanztransaktionssteuer ebenfalls mit 0,1 Prozent zu Buche. Darüber hinaus muss er das Zertifikat konstruieren – im Falle eines Discountzertifikats durch den Kauf des Basiswerts und den Verkauf eines Calls darauf, was zusammengenommen ebenfalls eine Steuerpflicht von mindestens 0,1 Prozent auslöst. Unter dem Strich summiert sich die Finanztransaktionssteuer beim Kauf eines einfachen Anlageprodukts so bereits auf 0,5 Prozent des Kurswertes. Zusammen mit dem späteren Verkauf ergibt sich bereits ein Prozent Renditeverlust auf die Anlagesumme.

Privatanleger werden die Last tragen müssen

Eine ganze Reihe von weiteren aktuellen Studien bestätigen die gravierenden Belastungen für Privatanleger. Sowohl namhafte Vertretungen der deutschen Finanzbranche, etwa das Deutsche Aktieninstitut (DAI) oder der Deutsche Fondsverband (BVI), als auch renommierte Wissenschaftler wie die Professoren Christian Koziol und Christoph Kaserer kommen im Kern zu einem einheitlichen Ergebnis: Privatanleger werden letztlich die Steuerlast tragen müssen. Auch langfristige Sparer, die angesichts der demografischen Entwicklung zur privaten Altersvorsorge angehalten sind, sind laut BVI betroffen.

Dabei ist nicht zu vergessen, dass private Investoren die Finanzkrise sicher nicht verursacht haben und sich nicht an Spekulationen beteiligen, die es einzudämmen gilt. Sie tragen vielmehr als Steuerzahler die Kosten der Krisenbewältigung und bestreiten zudem ihre Investitionen aus bereits versteuertem Arbeitseinkommen.

Bei all den kritischen Stimmen geht es nicht darum, sich der Finanztransaktionssteuer grundsätzlich zu verweigern. Denn der Wille der politischen Mehrheit ist in unserer demokratischen Gesellschaft selbstverständlich zu akzeptieren. Ziel muss daher sein, die Steuer verantwortungsvoll auszugestalten und die negativen Auswirkungen so gering wie möglich zu halten. Eine Ausnahme der Privatanleger ist hierfür ebenso unverzichtbar wie die Ausnahme für Liquiditätsspender. Zur Beteiligung der Verursacher an den Kosten der Finanzkrise könnte das italienische oder das griechische Modell zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer als Vorbild dienen: Dort werden die weniger regulierten, außerbörslichen Geschäfte mit einem höheren Steuersatz belegt. Dieser Ansatz stimmt auch mit den Bestrebungen der G20 von Pittsburgh aus dem Jahr 2009 überein, wonach der OTC-Handel transparenter und sicherer werden soll. Noch ist es also nicht zu spät, eine faire Finanztransaktionssteuer einzuführen, die einerseits den Finanzmarkt stabilisiert und andererseits nicht den Privatanleger belastet.

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