Fit für den Sommer Über den Sinn und Unsinn der Depotabsicherung

Wer möchte schon im Urlaub ständig auf das Depot schauen? Eine böse Überraschung in Form von Verlusten möchte man nach den Ferien aber auch nicht erleben. Es gibt Strategien dagegen. Aber machen die auch Sinn?

  • Teilen per:
  • Teilen per:
An den Börse sind die Sommermonate für Überraschungen gut. Quelle: dpa

Alle Jahre wieder dieselben Routinen vor der Abreise in den Urlaub: der Schlüssel zu den Nachbarn, damit die sich um Blumen und Briefkasten kümmern, die verderblichen Lebensmittel aufessen, verschenken oder wegschmeißen und schnell noch alle Stecker aus den Dosen ziehen. Doch was ist mit dem Depot? Müssen die Investments vor dem Urlaub abgesichert werden? Schließlich will man nach den Ferien keine böse Überraschung erleben.

Denn die vermeintlich sehr ruhige Urlaubszeit kann es an der Börse ganz schön in sich haben. „Allgemein sind die Märkte über die Sommermonate meist von geringerer Liquidität geprägt“, sagt Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege der Deutschen Bank. „Im Falle unerwarteter Ereignisse ist eine höhere Schwankungsbreite daher nicht auszuschließen.“ Es reichen oft schon im Vergleich recht geringe Kauf- und Verkaufsorders, um die Kurse zu bewegen. Da können die Ausschläge schon mal heftiger werden. „Ob sich Anleger gegen dieses Risiko explizit absichern möchten, hängt natürlich von der jeweiligen Risikoneigung ab“, so Stephan.

Und diese Absicherung muss gar nicht kompliziert sein. „In den Sommerferien müssen sich Anleger nicht von Kurausschlägen überraschen lassen“, schreiben die Experten des Fondsverbands BVI. „Mit einem Auftrag an ihre Bank können sie dafür sorgen, dass zwischenzeitliche Marktschwankungen sich nicht übermäßig auf die eigenen Ersparnisse auswirken.“ Eine Stop-Loss-Order, eine Verkaufsorder zum Schutz des Vermögens, sorgt dafür, dass Wertpapiere automatisch verkauft werden, wenn die Kurse unter einen vom Anleger vorab festgelegten Wert fallen. So können Anleger nicht nur Verluste vermeiden, sondern auch einmal eingefahrene Gewinne sichern.

Aktientipp Home Depot

Die Order ist bei den meisten Banken und Onlinebrokern kostenlos. Gebühren werden erst fällig, wenn die Order ausgelöst wird. „Solche Stop-Loss-Orders können sowohl für eine bestimmte Kursschwelle als auch für einen exakten Zeitraum eingestellt werden“, so der BVI. „Nach dessen Ablauf verfällt die Order, Anleger müssen dann nichts mehr weiter tun.“

Klingt nach der perfekten Versicherung für die Sommermonate. Doch Christoph Bruns kann Stop-Loss-Kursen wenig abgewinnen, hält sie gar für ungeeignet. „Gerade in Seitwärtsphasen mit hohen Schwankungen werden Anleger oft ausgestoppt und finden dann den Einstieg nicht mehr“, sagt der Fondsmanager und Mitinhaber der Fondsgesellschaft Loys. Vor allem wenn die Verkaufsschwelle zu eng gewählt ist, wird das schnell zum Problem. Denn dann werden bei kurzfristigen Kursausschlägen Papiere verkauft, die Anleger eigentlich langfristig halten wollten. Erholt sich die Aktie aber schnell wieder, müssten Anleger sie teurer zurückkaufen.

Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, teilt die Kritik. „Das grundsätzliche Problem mit Stop-Loss Kursen ist, dass damit der Versuch unternommen wird, die Rendite durch Market-Timing zu verbessern“, sagt er. Anleger versuchen also, den besten Kaufs- und Verkaufspunkt zu finden. „Das funktioniert aber auf Dauer nicht“, so Nauhauser.

Auch wenn ein Investor bei Aktienmärkten plausible Indikatoren zu erkennen meine, wonach eine Kurskorrektur überfällig sei: Man könne weder Zeitpunkt noch Ausmaß zuverlässig vorhersehen. „Störfeuer können aus allen Richtungen kommen und am stärksten wirken sich meist diejenigen Störfeuer aus, die zuvor niemand auf dem Zettel hatte“, weiß der Verbraucherschützer. Diese Ungewissheit sei aber nur dann ein echtes Problem, wenn Anleger das Risiko nicht breit streuen würden.

Störfeuer oder ruhige Sommermonate


Eine weitere Möglichkeit, das Depot gegen Turbulenzen abzusichern, sind Derivate. Doch auch hier sind die Experten sehr kritisch. „Derivate eignen sich aus Kosten- und Laufzeitgründen eher nicht für Privatanleger“, warnt Bruns. Natürlich sind die Experten nicht grundsätzlich gegen ein Sicherheitsnetz fürs Depot.

„Absicherungen des Vermögens machen immer dann Sinn, wenn Gefahr für Selbiges im Verzuge ist“, sagt der Fondsmanager. „Ob Gefahren für das an der Börse arbeitende Kapital bestehen, hängt von einer Vielzahl von ökonomischen und politischen Variablen ab, nicht aber von der eigenen Urlaubsplanung.“ Aktuell spricht wenig für aufziehende Wolken an den Aktienmärkten, glaubt er, denn die realen Zinsen bleiben noch für geraume Zeit negativ. Auch die politische Lage hat sich in Europa stark beruhigt.

Vielleicht verläuft die Ferienzeit an den Märkten also genauso entspannt und ruhig wie am Strand. „Wir blicken aktuell weiterhin konstruktiv auf die Kapitalmärkte, auch wenn eine erhöhte Schwankungsbreite über den Sommer natürlich nicht ausgeschlossen werden kann“, sagt auch Ulrich Stephan. „Global stehen die Zeichen weiterhin auf Wachstum.“ Die meisten Einkaufsmanagerindizes haben zugelegt und sind damit deutlich im expansiven Bereich, Geschäfts- sowie Konsumentenvertrauen bleiben in vielen Regionen äußerst positiv. Das Gewinnwachstum der Unternehmen dürfte im Jahresvergleich nach dem sehr starken ersten Quartal auch im zweiten Quartal 2017 insgesamt solide ausfallen.

Die performancestärksten Geldmanager-Depots über fünf Jahre

Auch aus China kamen zuletzt Zeichen anhaltender Stabilität: Das Wachstum für das zweite Quartal überraschte positiv. „Hiervon sollte auch der Rest der Welt profitieren“, sagt der Experte der Deutschen Bank. „Durch diese Gemengelage bleiben Aktienmärkte weltweit unterstützt.“ Marktteilnehmer hätten zuletzt verstärkt auf die Anleihemärkte geschaut.

„Unerwartet rasch steigende Zinsen könnten der Erholung an den Märkten einen Dämpfer verpassen“, so Stephan. „Allerdings erachten wir das Risiko für zu schnell steigende Zinsen derzeit als gering. Sowohl die EZB als auch die Fed sollten auf einen transparenten und graduellen Zinsanstieg bedacht sein, um die Stabilität der Realwirtschaft und an den Finanzmärkten nicht zu gefährden.“ Ein ähnliches Bild zeige sich beim Ölpreis. Die Bewegungen sorgten zuletzt für erhöhte Aufmerksamkeit. Mit signifikanten Verwerfungen rechnet die Deutsche Bank jedoch auch hier nicht.

Ausschließen lassen sich Kursschwankungen an den Märkten aber natürlich nie. Und im mittlerweile neunten Jahr der Börsenhausse werden die kritischen Stimmen lauter. „Wer sich im Urlaub wohler damit fühlt, geringere Risiken im Depot zu haben, kann darüber nachdenken“, so Nauhauser. Eine veränderte Risikoeinstellung sei immer ein gutes Argument für eine Anpassung des Portfoliorisikos. „Bei einer solide diversifizierten Anlagestrategie zum langfristigen Vermögensaufbau sind zwischenzeitliche Absicherungen allerdings überflüssig.“ Sie würden die Kosten erhöhen und ihr Einfluss auf die Rendite sei dadurch eher negativ. „Es ist ja nicht so, dass Anleger die Rendite einer Geldanlage einfach erhöhen könnten, indem sie ihr Portfolio an kurzfristige Marktentwicklungen anpassen“, ist der Verbraucherschützer überzeugt.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%