WirtschaftsWoche Online: Herr Exner, die US-Aktienindices erklommen zuletzt fast täglich Rekordhöhen, gleichzeitig sind die US-Zinsen deutlich angezogen, wird Ihnen da als Investor nicht langsam schummrig?
Herr Christian Exner: Die gegenwärtige Situation in den USA ist für einen Investor brandgefährlich. Bei vielen Unternehmen hat sich die Bewertung von der tatsächlichen fundamentalen Lage abgekoppelt und luftige Höhen erreicht. Haupttreiber war die unverantwortliche lange Nullzinspolitik der Zentralbank und die Annahme vieler Marktteilnehmer, dass dieser Zustand dauerhaft anhalte.
Dieser rein zentralbankgetriebene Bewertungsaufschlag müsste sich bei steigenden Zinsen schrittweise in Luft auflösen. Das die Märkte gegenwärtig dennoch weiterlaufen, hängt wohl auch mit der Wahl Donald Trumps und dessen blumigen Versprechen, hohe Infrastrukturinvestitionen zu tätigen und die Unternehmenssteuern zu senken, zusammen. Es werden also bereits Dinge eingepreist, die noch nicht einmal angestoßen, geschweige denn erfolgreich umgesetzt sind – dies ist nicht ohne Risiko und wird an der ein oder anderen Stelle zu Verwerfungen führen.
Ziemlich weit oben sind auch deutsche Nebenwerte, der MDax kratzt ebenfalls am Allzeithoch, finden Sie da trotzdem noch investierbare Titel?
Es steht außer Frage dass die Nebenwerte in ihrer Gesamtheit bereits eine hohe Bewertung aufweisen. In unserem Bewertungsansatz orientieren wir uns an der nachhaltigen Cash-Flow-Stärke eines Unternehmens. Schaue ich mir unten diesem Gesichtspunkt den von Ihnen angesprochenen MDax an, offerieren die dort notierten Unternehmen im Durchschnitt eine Rendite von kleiner als drei Prozent; keine attraktive Größenordnung für einen Investor.
Dies bedeutet aber nicht, dass es nicht im Einzelfall immer wieder hervorragende Investmentchancen gibt. Beispielsweise haben wir in 2016 auch mit kleineren Unternehmen wie der Leifheit AG oder der Datagroup eine sehr schöne Performance erzielt. Aktuell sind wir unter anderem bei der MLP investiert, die nicht nur über sehr ansprechende Liquiditätsreserven verfügt, sondern auch in 2017 über Kosteneinsparungen einen spürbaren Ertragssprung realisieren wird. Im MDax sind sicherlich die Metro Vorzüge und die GEA einen tieferen Blick wert.
Der Dax dagegen hängt ganz schön hinterher, gibt es dafür Gründe?
Die Liste an Themen die auf dem DAX lasten ist lang: Den Versorgern E.On und RWE fehlt nach wie vor ein belastbares Geschäftsmodell, nachdem unsere Bundesregierung ohne erkennbaren Masterplan von heute auf morgen den Atomausstieg beschlossen hat. Der Chemiekonzern Bayer verfällt dem Größenwahn und versucht für aberwitzige Beträge den Agrarkonzern Monsanto zu übernehmen.
Volkswagen ist in einen nicht enden wollenden Abgasskandal verwickelt. Auf den Autobauern insgesamt lastet die Unsicherheit im Zusammenhang mit der aufkommenden Elektromobilität. Zudem ist die Frage zu stellen, ob diese normalerweise zyklisch verlaufenden Industrie nicht langsam den Wendepunkt erreicht. Finanztitel wie Allianz und Deutsche Bank befinden sich in einer Sandwichposition aus steigender Regulierung und wegbrechenden (Zins-)Erträgen. In Summe also ausreichende Gründe, warum der Dax kein großen Sprünge macht.
"Es spricht vieles für ein volatiles Jahr 2017."
Sehen Sie die Blue Chips also eher skeptisch?
Das kann man so pauschal nicht sagen. Zwar haben wir derzeit kein DAX-Unternehmen in unserem Portfolio, dafür jedoch diverse Blue Chips aus anderen Ländern wie zum Beispiel Großbritannien, Israel oder den USA. Auch haben wir bei Situation wie den Brexit gesehen, dass Unternehmen die heute noch teuer sind, bereits morgen preiswert sein können. Wir orientieren uns nicht nach Größenklassen.
Bei uns stehen rein die Qualität des Geschäftsmodells, die finanzielle Stärke sowie eine ansprechende, günstige Bewertung im Vordergrund. Erfüllt ein Unternehmen unseren anspruchsvollen Kriterienkatalog, kaufen wir zu - unabhängig davon ob es sich um ein Small oder Large Cap handelt. Beispielsweise haben wir zuletzt ein Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung in Höhe von 41 Milliarden Dollar ins Portfolio aufgenommen und prüfen derzeit ein Unternehmen mit einer Börsenbewertung von ca. 350 Millionen Euro auf Herz und Nieren.
Wird 2017 von ähnlich hohen Schwankungen begleitet sein wie 2016?
Es spricht vieles für ein volatiles Jahr 2017. Viele Probleme wurden durch die Niedrigzinspolitik und (wirkungslose) Stützungsmaßnahmen nur maskiert beziehungsweise in die Zukunft verschoben. Themen wie Griechenland und fehlende Solidität in der Bankenlandschaft werden uns weiterhin begleiten. Das hoch verschuldete Italien hat sein Handlungsunfähigkeit erst kürzlich durch das gescheiterte Referendum unter Beweis gestellt. In wichtigen Ländern wie Frankreich und auch bei uns herrscht durch das Wahljahr Stillstand – dies macht bitter nötige Strukturreformen schwierig. Die steigenden Zinsen in den USA dürften massiven Druck auf die Anleihenmärkte ausüben.
Für Anleger heißt das lieber raus aus Bond-Fonds. Je nachdem wie stark das Zinsniveau steigt, ist auch eine Neubewertung am Aktienmarkt wahrscheinlich. Eine Vielzahl an Unternehmen hat die derzeit hohe Bewertung aus fundamentaler Sicht nicht verdient und wurde durch Sonderthemen wie die Niedrigzinspolitik mit nach oben gespült – Kursrückschläge sind also vorprogrammiert.
Und der Dax etwa endet dann wo?
Wir sind keine Freunde von Schätzungen und großen Zukunftsprognosen. Viel wichtiger ist es das Portfolio so auszurichten, das man auch in schwierigen Marktphasen eine positive Rendite für die Investoren erzielen kann – unabhängig davon ober der Dax Ende 2017 bei 14000 oder 9000 Punkten steht. Im Gegensatz zu vielen Wettbewerbern haben wir die bereits hohen Bewertungen am Kapitalmarkt genutzt, um Kasse aufzubauen. So sind wir stets handlungsfähig, von Kurseinbrüchen am Aktienmarkt weniger betroffen und können dann niedrigere Kurse gezielt nutzen, um neu Unternehmen ins Portfolio aufzunehmen. Volatilität ist für uns also kein Risiko, sondern eine Chance die Gewinner von morgen zu kaufen. Zudem legen wir hohen Wert auf die finanzielle Solidität unser derzeitigen Portfoliounternehmen, die dank wiederkehrender Cashflows auch hoch volatile Marktphasen durchlaufen können und somit als Krisengewinner gelten.
"Wir folgen einem klar strukturierten Investmentprozess."
Wie gehen Sie bei der Titelselektion für Ihren Fonds vor?
Wir folgen einem klar strukturierten Investmentprozess. Um rein faktenbasiert vorzugehen und trotz tausender börsennotierter Unternehmen die Übersicht zu behalten haben wir ein quantitatives Vorselektionsmodell entwickelt. Dieses funktioniert wie eine Art Filter und stellt uns die Unternehmen heraus, die nicht nur starke Cashflows zeigen, sondern auch den Prozess der Kapitalallokation beherrschen, also die verfügbaren Mittel regelmäßig effizient und wertschaffend einsetzen. Gerade der letzte Punkt ist besonders wichtig, da eine gute Kapitalallokation auch häufig ein Indiz für gutes Management ist.
Ziel ist es gute, unterbewertete Unternehmen systematisch aufzudecken; und zwar rein basierend auf der fundamentalen Qualität und ohne subjektive Einflüsse. Im Anschluss unterziehen wir die aufgezeigten Unternehmen einer umfassenden Analyse, prüfen das Geschäftsmodell auf Herz und Nieren und sprechen mit dem Management. Bei der Bewertung versuchen wir stets konservativ vorzugehen und stellen nicht auf große Zukunftspläne, sondern die nachhaltige Ertragsstärke ab. Werden alle unsere Qualitäts- und Bewertungskriterien erfüllt und offeriert das Unternehmen ein Kursgewinnpotential von mehr als 30 Prozent, kaufen wir dieses in unser Portfolio.
Bleibt bei der Vorauswahl noch viel übrig, oder sind viele Aktien schon zu teuer?
Derzeit ist es schwierig, neue, attraktive Investmentchance zu identifizieren. Die Anzahl der Investmentideen aus unserem Vorselektionsmodell ist überschaubar. Zwar finden wir gerade im deutschsprachigen Raum viele exzellente Unternehmen, jedoch scheitert es sehr häufig an der Bewertung. Cashflow Renditen von unter vier Prozent wie es die meisten Unternehmen in Europa und auch den USA offerieren, reichen uns nicht. Hier sind wir konsequent und fahren einen absoluten Anspruch. Das heißt alle unsere Qualitäts- und Bewertungskriterien müssen erfüllt sein, sonst investieren wir nicht. Aktuell verfügen wir über eine hohe Kassen-Quote im Fonds. Unsere Watchlist ist mit vielen hervorragenden Unternehmen gefüllt. Hier investieren wir, sobald die Preise wieder stimmen.
Welche Aktien wollen Sie derzeit kaufen, welche abbauen, welche Papiere und Branchen würden Sie generell meiden?
Wir stellen ungern Einzelinvestments oder unsere aktuelle Kauflist ins Schaufenster. Schließlich gehört zu einem erfolgreichen Fondsmanagement nicht nur, gute Investmentchancen aufzudecken, sondern auch die Positionsgröße richtig zu steuern. Zudem sind wir bei einer fundamentalen Fehlentwicklung schmerzfrei und verkaufen konsequent.
Was wir meiden kann einfacher beantwortet werden: Banken kommen uns nicht ins Depot, da die Risiken nicht überschaubar sind und der Regulierungsdruck anhalten dürfte. Auch lassen wir die Finger von Immobilienaktien, da zum einen häufiger der Cashflow zu schwach ist, und zum anderen steigende Finanzierungskosten („Zinswende“) massiven Gegenwind bedeuten wird. Zurückhaltend sind wir auch bei Rohstoffunternehmen, da sich hier die Zahlungsströme nur schwer planen lassen und sich auch ein gutes Management einem möglichen Preisverfall nicht vollständig entziehen kann. Wir lieben Planungssicherheit.