Frankreich Parlamentswahl wohl ohne Auswirkung auf Börsenrally

In Frankreich steht die Neubesetzung der Nationalversammlung bevor. Auch der rechtsextreme Front National ist wieder ein Begriff. Europas Börsianer bleiben jedoch entspannt. Der Rekordkurs scheint ungefährdet.

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Frankfurt Die Neubesetzung der französischen Nationalversammlung schreckt viele Investoren nicht mehr. Experten zufolge werden die europäischen Börsen auf ihrem Rekordkurs bleiben. Denn anders als beim Duell zwischen Emmanuel Macron und Marine Le Pen um die Präsidentschaft Anfang Mai erwarten sie nach der Abstimmung im Juni keine Börsenturbulenzen – unabhängig vom Ausgang. Anleger konzentrierten sich inzwischen wieder mehr auf die Konjunktur als auf mögliche politische Risiken.

„Das im Vorfeld mitunter als politisches Risiko bezeichnete Superwahljahr in Europa verläuft bisher ganz im Sinne der Finanzmärkte“, sagt Anlage-Experte Christian Nemeth von der Zürcher Kantonalbank. Der Ausgang der Parlamentswahlen in den Niederlanden und der Sieg des Europa-Befürworters Macron hätten die Furcht vor einem Zerfall der Euro-Zone gedämpft. Zusätzlicher Schub komme von der Konjunktur. „Die Wirtschaftsdaten deuten immer mehr darauf hin, dass die Wachstumsbeschleunigung im Jahr 2017 nicht nur die Industriestaaten, sondern auch die Schwellenländer erfasst.“

Auch bei den Unternehmen laufe es rund, ergänzt Fondsmanagerin Nicholette MacDonald-Brown vom Vermögensverwalter Schroders. „Die zurückliegende Ertragssaison im ersten Quartal ist die beste, die Europa in den vergangenen sieben Jahren erlebt hat. Viele Unternehmen übertreffen ihre Absatz- und Gewinnprognosen.“

Darüber hinaus hätten die europäischen Börsen unter anderem wegen der Staatsschuldenkrise noch Nachholbedarf, sagt Hartwig Kos, stellvertretender Chef-Anleger des Vermögensverwalters SYZ. „Nun kehren internationale Investoren wieder zurück.“ Seit der Stichwahl um die französische Präsidentschaft Anfang Mai eilt der Dax von Rekord und Rekord und stieg zeitweise auf 12.841 Punkte. Der Pariser Auswahlindex CAC40 kletterte auf ein Neuneinhalb-Jahres-Hoch von 5442 Zählern.

Die Auswirkungen der französischen Parlamentswahlen auf die Reformpläne Macrons und die Finanzmärkte beurteilen Börsianer unterschiedlich. „Ob Macrons frisch gegründete Partei 'La République en marche' am 11. und 18. Juni die erforderliche Mehrheit erreicht, darf aber als sehr offene Frage gelten“, sagt Martin Lück, Chef-Anlagestratege für Deutschland, Österreich und Osteuropa beim weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock. „Und sollte es mit einer eigenen Mehrheit nicht klappen, wäre Macron auf die Unterstützung der etablierten Parteien angewiesen, die aber nach ihrer Niederlage in der Präsidentschaftswahl noch eine Rechnung mit dem Shooting Star offen haben.“ Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Odoxa zufolge dürfte Macron die Wahl mit 29 Prozent vor dem rechtsextrem Front National klar gewinnen.

John Wyn-Evans, Chef-Anlagestratege des Vermögensverwalters Investec, ist optimistisch gestimmt: „Es gibt eine gewisse Chance für eine arbeitsfähige Koalition, die Reformen durchsetzen kann.“ Ähnlich argumentiert Camilla Nathhorst Odevall vom Vermögensverwalter Edmond de Rothschild. „Am wahrscheinlichsten ist eine Koalition mit den Konservativen. Mit ihnen gibt es beim Thema Wirtschaftsreformen die größten Gemeinsamkeiten.“ Dies gelte auch für den Fall, dass Macrons Partei nur der Juniorpartner in der Regierung werde. Allerdings würden die Reformen dann sicher langsamer umgesetzt.

Die Fondsmanagerin setzt zudem auf Pragmatismus. „Macron weiß, dass Reformen notwendig sind, diese aber vorsichtig umgesetzt werden müssen.“ Außerdem könne er mit vergleichsweise geringen Änderungen bereits viel erreichen. Sollte Macrons Partei die absolute Mehrheit der Parlamentssitze erringen, könnte dies sogar den Startschuss für die sogenannte „Great Rotation“ bedeuten. Eine umfangreiche Umschichtung von Anleihen in Aktien könnte letzteren prozentual zweistellige Kursgewinne bescheren.

SYZ-Experte Kos mahnt jedoch zur Besonnenheit. „Macron steht vor einer schweren Aufgabe. Sein Reformprogramm ist ambitioniert.“ Er habe zudem von Anlegern bereits viel Vorschusslorbeeren erhalten. Daher bestehe das Risiko von Enttäuschungen. Geoffroy Lenoir, Chef des Geschäfts mit europäischen Staatsanleihen beim Vermögensverwalter Aviva Investments, warnt zudem vor möglichen Protesten wie gegen die Arbeitsmarktreform des bisherigen Präsidenten Francois Hollande. „Aber als ehemaliger Wirtschaftsminister wird Macron aus den Fehlern seines Vorgängers gelernt haben und sicherstellen, dass die notwendige politische Unterstützung vorhanden ist, bevor er solch einen Prozess beginnt.“

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