Freie Finanzberater Diskussion um neue Regeln

Auch freien Finanzberatern beschert die EU ab dem kommenden Jahr mehr Arbeit — im Sinne der Anleger. Experten sehen die Branche im Umbruch.

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Finanzberatung: Die Top 100 der freien Finanzberater Quelle: dpa

Frankfurt Die Welt der Anlageberatung dreht sich ab Januar neu. Dann treten strengere EU-Regeln in Kraft, die private Anleger besser vor unpassender Beratung schützen sollen. Das betrifft auch zigtausend freie Finanzberater in Deutschland, die nicht einer Bank oder Versicherung angehören.

Ihre tägliche Arbeit wird ebenfalls aufwendiger. Kurz vor dem Start der sogenannten EU-Richtlinie Mifid II (Markets in Financial Instruments Directive II) ist aber noch immer nicht klar, wie streng die Vorschriften für die freien Berater wirklich werden. Experten können sich jedoch vorstellen, dass der Markt schrumpft, weil sich viele Berater angesichts der neuen Auflagen sogenannten Maklerpools anschließen oder sich anders zusammentun.

„Sicher ist, dass der bürokratische Aufwand zunimmt“, sagt Jan Altmann, Chef des Fondsberaters 4asset-management. Denn die EU schreibt künftig vor, dass die vielen Finanzberater, die sich unabhängig nennen, eine hinreichende Auswahl verschiedener Anbieter vorhalten, um Anleger passend zu beraten. Produkte bestimmter Risikoklassen müssen Anlegern und deren Zielen und Risikoneigung zugeordnet und dies muss ihnen erklärt werden. Zudem sind alle Kosten einer Geldanlage vor und nach dem Kauf genau auszuweisen. Die freien Vermittler unterliegen zwar der Gewerbeordnung, die nicht unmittelbar von den EU-Vorgaben erfasst wird. Aber die Bundesregierung will die neuen Regeln auch für sie anwenden.

„Freie Finanzvermittler müssen ebenfalls viel umfangreicher als bisher prüfen, ob ein bestimmter Fonds für einen Anleger geeignet ist“, sagt Frank Herring, Experte für Kapitalmarktrecht bei der Kanzlei Allen & Overy. Dazu gehöre, empfohlene Fonds unter Kosten-Ertrags-Aspekten mit anderen Produkten zu vergleichen. Auch habe der Berater dem Anleger genau zu erläutern, warum gerade der für ihn ausgewählte Fonds für ihn geeignet ist.

Es geht um rund 39.000 freie Finanzberater im Land. Viele von ihnen arbeiten für große Finanzvertriebe wie die DVAG oder MLP, die sie mit Informationen unterstützen und ihnen eine Auswahl von Finanzprodukten bestimmter Anbieter vorgeben. Meist verkaufen die Berater Fonds, viele dürfen auch Versicherungen vermitteln. In der Regel leben diese Finanzberater von Provisionen, die sie beim Verkauf von Produkten und laufend vom Anbieter bekommen. Andere Berater verlangen für ihre Arbeit vom Anleger ein Honorar. Sie empfehlen oft andere Produkte wie die Indexfonds ETF, für die keine Provisionen fließen.

Diskussion um aufwendige rechtliche Auflagen

Heiß diskutiert unter den freien Beratern wird aktuell, ob sie ebenfalls wie Banken, Sparkassen und Wertpapiervertriebe künftig bestimmte, aufwendige Auflagen erfüllen müssen, über die sich die Geldinstitute lautstark beschweren: Im Vordergrund steht die Pflicht, Telefongespräche zur Anlageberatung aufzuzeichnen und zu archivieren. Für freie Berater einschneidender könnte die Vorgabe werden, dass Zuwendungen von Produktanbietern nur angenommen werden dürfen, wenn sie zur Verbesserung der Leistung für Kunden dienen. Das gilt auch für die bisher üblichen Bestandsprovisionen, die Fondshäuser Vertrieben zahlen. Dabei bekommen Berater meist einen Teil der Fondsmanagement-Gebühr ab, wohl bis zu 40 Prozent. Für Berater Altmann sind solche Bestandsprovisionen in der neuen Welt aber „kaum noch zu rechtfertigen“. Rechtsanwalt Herring nennt mögliche weitreichende Folgen: Wenn dies für freie Finanzvermittler „umgesetzt werden sollte, dürften sie „eine aussterbende Spezies sein“.

Die Zahl der freien Berater könnte sich „massiv reduzieren“, meint auch Altmann. Viele freie Berater dürften sich Maklerpools anschließen, die sie technisch unterstützen und ihnen Schutz bei möglichem Rechtsstreit mit Kunden bieten. Andere könnten fusionieren und so Kräfte bündeln.

Viele Berater warten aber dem Vernehmen nach ab, was auf sie zukommt. Konkretes soll eine Verordnung des Bundeswirtschaftsministeriums regeln, die aber wohl nicht pünktlich fertig wird. Es könne noch Monate dauern, heißt es in der Branche.

Die neuen Regeln könnten für Anleger Anlass sein zu überlegen, was sie wollen: Beratung, die zunächst nichts kostet und über Provisionen beim Kauf bestimmter Produkte bezahlt wird, oder Rat gegen Honorar.

Wer einen Berater sucht, kann sich bei Bewertungsportalen einen Überblick verschaffen. Das Online-Vergleichsportal Whofinance gehört mit rund 300 000 geprüften Kundenbewertungen zu den großen Portalen. Whofinance listet Berater, Banken, Versicherer und sonstige Finanzdienstleister in Deutschland aus rund 1 000 Orten auf. In der Datenbank befinden sich 9 000 freie Berater, die laut Whofinance nicht einer Bank, einem Finanzvertrieb oder einem Maklerpool angeschlossen sind, sowie rund 23 000 Bewertungen für Geldanlage. Nutzer können online Beratungs- und Servicequalität, Produktangebot, Preise und Kommunikation zwischen Kunden und Berater bewerten. „Jede Bewertung wird vor Veröffentlichung von zwei Mitarbeitern unabhängig geprüft“, erklärt Mustafa Behan, Gründer von Whofinance. Dabei würden technische und inhaltliche Aspekte untersucht und auch bei Kunden oder Berater nachgefragt, sagt er. Rund ein Fünftel der Bewertungen werden nicht veröffentlicht.

In der Tabelle finden sich 100 freie Berater für Geldanlage – nach Städten sortiert. Pro Berater gingen im Durchschnitt 123 empfehlenswerte Urteile ein, mindestens je 40. Jeder Berater bekam ausschließlich 3-,4- oder 5-Sterne-Bewertungen nach einer Skala von einem (schwach) bis fünf (sehr gut) Sternen. Der Durchschnitt liegt bei 4,79.

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