Gegenwind für Aktien Börsentanz in der Erdbebenzone

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Wachstumsschwäche quer durch alle Branchen

Denn insgesamt zeigt der Dax ein unschönes Bild: 2015 sank der Nettogewinn der 30 Dax-Konzerne gegenüber 2014 um über 25 Prozent. 22 von 30 Konzernen verdienten 2015 teils drastisch weniger als in ihrem bisherigen Rekordjahr. Zwar gab es Härtefälle, wie VW und die Versorger E.On und RWE. Die Wolfsburger allein schrieben 1,6 Milliarden Euro Verlust. „Aber wir haben es mit einer Wachstumsschwäche quer durch fast alle Branchen zu tun“, sagt Zimmermann.

Dennoch halten fast alle Analysten an ihren hohen Gewinnprognosen fest. Die Schätzungen für 2016 sind seit Jahresanfang zwar um fünf Prozent gesenkt worden. „Die Hürde kommt aber in der zweiten Jahreshälfte und vor allem 2017, wenn die von vielen prognostizierte Gewinnbeschleunigung ausbleibt“, warnt Zimmermann. Die längerfristigen Wachstumserwartungen sind zuletzt sogar nochmals hochgesetzt worden – ein unwahrscheinliches Szenario. So rechnen die Analysten mit fast elf Prozent Gewinnanstieg für den Dax von 2016 auf 2017. Wo der herkommen soll, ist unklar.

Sorgen bereitet China. „China ist als zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde inzwischen fast so wichtig wie die USA für deutsche Aktien“, sagt Frank Wieser, Geschäftsführer der Vermögensverwaltung PMP, „auch, weil in den Jahren 2000 bis 2015 neue Wachstumsimpulse fast ausschließlich von dort kamen.“ 2015 ist die chinesische Wirtschaft offiziell nur noch um 6,9 Prozent gewachsen, das kleinste Plus seit 25 Jahren. Im ersten Quartal lag die schöngerechnete Ziffer bei 6,7 Prozent – gerade genug, um Anleger nicht erneut in Panik zu versetzen.

Schwächere Konjunkturprognosen dämpfen den Dax. Der Übernahmepoker um Monsanto ist eine zusätzliche Belastung. Wer trotzdem in Pharma-Aktien investieren will, sollte sich bei der Konkurrenz umsehen.
von Anton Riedl

Unabhängig davon, dass das echte Wachstum nur bei rund drei bis fünf Prozent liegen dürfte, ist das kleine Plus mit einem altbekannten Mittel erkauft: massenweise neuen Schulden. Im ersten Quartal pumpte die Zentralbank umgerechnet 1000 Milliarden Dollar in den Geldkreislauf – die größte Geldmengenausweitung seit 2008.

Nach Notenbankspritze im Zucker-High

Der Tanz auf dem Vulkan geht weiter: „Die massiv ausgeweitete Kreditmenge hilft wieder nur den ohnehin auf Blasenniveau befindlichen Immobilienpreisen und kurzfristig denen der Rohstoffe“, sagt Torsten Sløk, Chefvolkswirt von Deutsche Bank Securities in New York. Dass sie die chinesische Wirtschaft nachhaltig belebt, sei hingegen unwahrscheinlich. Sløk spricht vom „kurzfristigen Zucker-High“. Den deutschen Exporteuren hilft nicht einmal das. Im Februar sind Chinas Exporte gegenüber Vorjahr um 25 Prozent gesunken, die Importe fielen um 14 Prozent. „In den kommenden neun Monaten wird sich die Situation weiter verschlechtern“, sagt Victor Shih, Professor an der University of California in San Diego. Der Umbau der Volkswirtschaft zu mehr Binnennachfrage, weg von der reinen Exportindustrie, werde „zu Massenentlassungen führen und die Stabilität gefährden“. Bis zu fünf Millionen Industriearbeiter werden in den kommenden drei Jahren ihren Job verlieren, fürchtet der Professor.

Brexit und Trump als Risiko

„Eine Erholung des Dax in Richtung 10.700 Punkte in den nächsten Wochen ist zwar möglich“, sagt Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter bei Independent Capital Management, „dann würden wir aber Gewinne mitnehmen.“ Einige politische Probleme, die derzeit verdrängt würden, stünden „kurz vor der Eskalation“ und könnten der Dax-Erholung jäh den Garaus machen. „Der europäische Zusammenhalt bröckelt bedenklich. Das Risiko, dass mit Großbritannien ein großes Industrieland die EU verlässt, ist nicht viel kleiner als 50 Prozent“, glaubt Ehlhardt.

Unklar ist auch, wie die Börse auf Donald Trump als US-Präsident reagieren würde. Bei Hillary Clinton wäre die Reaktion eher positiv. Noch liegt Trump, der eine globalisierungsfeindliche Politik verfolgen dürfte, in den Umfragen hinter der Demokratin. Doch ein Unsicherheitsfaktor sind die vielen Nichtwähler früherer Jahre; liefe ein großer Teil von ihnen zu Trump über, könnte es noch eng werden für Clinton.

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von Christof Schürmann

Zuletzt wetteten Hedgefonds vermehrt auf fallende Kurse. Im April waren bei K+S 15 Prozent, bei der Deutschen Börse 13 und bei der Lufthansa zehn Prozent aller ausstehenden Aktien an Shortseller verliehen – Rekordwerte. Auch bei Allianz, Munich Re und bei Daimler zogen die Leerverkäufe an. Die Zocker können sich irren, aber taktisch wäre es riskant, jetzt neues Geld in deutsche Standardwerte anzulegen. Auch die Dividendensaison geht zu Ende. Rund 40 Milliarden Euro haben deutsche AGs dieses Frühjahr ausgeschüttet. Für viele kleinere Vermögensverwalter und Privatanleger ist die Ausschüttung ein gewichtiger Grund, Aktien auch bei drohender Unsicherheit noch nicht zu verkaufen. Der fällt nun weg.

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