Das stark gesteigerte Interesse vieler an den eigenen vier Wänden treibt naturgemäß die Preise, (zunächst) vor allem in den Ballungszentren. In manchen Gegenden, vor allem in den traditionell beliebten Innenstadtvierteln von München, Hamburg, Frankfurt oder Berlin, sind die Preiszuwäche atemberaubend: So stiegen allein im ersten Quartal 2012 die Preise für Wohnungen in Hamburg-Eppendorf oder München-Bogenhausen um satte 30 Prozent. Und seit Allerneustem ist die deutsche Immobilienwelle auch in der Fläche angekommen: Um fünf Prozent stiegen nach Daten der Landesbausparkassen die Preise für Häuser 2011 im Bundesdurchschnitt; Wohnungen wurden sogar um acht Prozent teurer.
„Der Immobilienboom ebbt nicht ab. Die Angebotspreise für Wohnungen und Häuser zogen auch im Mai weiter an. Wie schon in den Vormonaten mit monatlichen Steigerungsraten um 0,5 Prozent. Die Treiber des Preiswachstums liegen auf der Hand: billiges Baugeld, ein deutlicher Nachfrageüberhang und täglich neue Schreckensnachrichten von der Euro-Front“, sagt Michael Kiefer, Leiter Immobilienbewertung bei Immoscout24, dem Marktführer für Online-Immobilien-Annoncen.
Wer nicht neu kauft, saniert wenigstens
Lange lag die Bautätigkeit in Deutschland im Dornröschenschlaf. Nachdem der Sanierungsboom nach der Wende im Osten der Republik ausgelaufen war, herrschte Ebbe in den Auftragsbüchern der Branche. Das hat sich schlagartig geändert: Um 9,5 Prozent nahm der Umsatz der Baubranche 2011 gegenüber 2010 zu, so stark wie zuletzt vor 18 Jahren. Und auch 2012 wird der Bau wachsen. Dachdecker, Zimmerer und Installateure können sich vor Aufträgen kaum retten. Laut Verband der Bayerischen Bau- und Ausbauwirtschaft bezeichnen 52 Prozent der 3500 Betriebe ihre Auftragslage im ersten Quartal 2012 als "gut bis sehr gut", nur noch 0,8 Prozent sagen, sie sei "schlecht". Ein historischer Bestwert. Vor allem Private und der Wohnungsbau sorgten für den Boom, so Jens Ulrich von der Handwerkskammer München.
„Instandhaltung und Sanierung im wirtschaftlich sinnvollen Maße sind für Haubesitzer fast immer eine gute Idee, denn sie heben den Wert der Immobilie, und sie sorgen gerade in Gegenden mit schwacher Nachfrage dafür, dass Altbauten überhaupt vermarktbar bleiben“, sagt Immobilienexperte Oliver Moll von der Hamburger Zinshaus-Verwaltung Moll und Moll.
Eine sparsamere Heizung oder Dämm-Maßnahmen lohnten sich für Eigenheimbewohner fast immer, meint auch Rüdiger Hornung, Geschäftsführer der TÜV Süd Immowert, „damit wirken Sie den überproportional stark steigenden Energiekosten direkt entgegen.“
Sanierungsboom
Im Jahr 2010 flossen 122 Milliarden Euro an Investitionen in den Gebäudebestand in Deutschland. Davon entfielen 42 Milliarden Euro auf Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz der Immobilien. Das entspricht mehr als einem Drittel der Investitionen.
Laut Bundesverband des deutschen Baustofffachhandels profitierte die Branche stark von der Flucht in Immobilien. Die Umsätze stiegen 2011 im Fachhandel um 16 Prozent, im Einzelhandel hingegen nur um weniger als drei Prozent. Die Aufträge seien hingegen kleinteiliger geworden. Ein Indiz für die wachsende Beliebtheit von Sanierungsmaßnahmen.
Im Bereich des Baustoffhandels sind vor allem Materialien für die Außendämmung, den Innenausbau, Fenster und Türen sowie Apparatetechnik wie etwa neue Heizanlagen besonders gefragt.
Besonders häufig optimieren Eigenheimbesitzer einer GfK-Studie zufolge Heizungs- und Warmwasseranlagen sowie die Dämmung von Dach und Fenstern. Auch die staatliche KfW-Bankengruppe, die mit vielen Förderprogrammen die energetische Sanierung unterstützt, bestätigt das. Gemessen an den geförderten Wohneinheiten lagen der Fensteraustausch (23%), die Dämmung der Dachflächen (18%), und die Dämmung der Außenwände (16%) in der Beliebheitsskala vorn.
Eine energetische Sanierung verschlingt lauf GfK im Durchschnitt einen Betrag von 21.500 Euro. Dafür spart jeder dritte Eigentümer, fast die Hälfte davon zwischen 100 und 200 Euro monatlich, ein weiteres Drittel sogar noch mehr. Bei jeder fünften Modernisierung kommen Bausparverträge zum Einsatz.
Die staatliche KfW-Bank hat ihre Förderprogramme Energieeffizient Bauen und Sanieren auf 2,3 Milliarden Euro und damit um als 50% gegenüber dem Vorjahr (1,5 Milliarden Euro) aufgestockt. Die günstigen Kreditkonditionen im Förderprogramm Energieeffizient Sanieren (ab 1,00 Prozent effektiver Jahreszinssatz) haben die Nachfrage beflügelt.
Wer davon profitiert
Vor allem der Wohnungsbau boomt plötzlich wieder: Um 14 Prozent legte der Umsatz im Wohnungsbau 2011 zu. Auch die Zahl der Bauanträge stieg kräftig, was für eine Fortsetzung zumindest auf mittlere Frist spricht.
Was also spricht dagegen, sich nach interessanten Aktien und Anleihen aus der Branche umzusehen? Doch es sind ohnehin weniger die ganz großen Baukonzerne, bei denen der Bau von Eigenheimen, wenn überhaupt, nur noch am Rand eine Rolle spielt. An der Börse gibt es jedoch eine ganze Reihe kleiner und mittelgroßer Spezialisten, die viel enger an der deutschen Wohnungsbau-Konjunktur hängen, als die Riesen der Branche, deren Geschäft längst internationalisiert und durch Dienstleistungsgeschäft wie die Verwaltung- und Vermarktung von Großprojekten verwässert wird.