Geldanlage und Dax-Jahreshoch Angst vor Verlust macht Sparer blind

Der Dax auf Jahreshoch, doch die meisten Anleger meiden jedes Risiko. Die Börse halten sie für gefährlich. Mit Zinsanlagen wiegen sich Sparer in absoluter Sicherheit, doch auch konservative Anleger tragen ein Risiko.

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Seit dem Brexit-Referendum hat die Sorge vor Kursverlusten bei Anlegern zugenommen. Quelle: Imago

Es klingt paradox. Doch risikoscheue Anleger tragen in Zeiten von Niedrig- und sogar Nullzinsen das größte Risiko. Sie tappen in eine sprichwörtliche Falle. Die Angst vor Verlusten treibt sie in nur vermeintlich sichere Anlageklassen. Dabei verzichten sie auf Rendite und verlieren ganz langsam, aber sicher ein Teil des Gelds. 

Doch bewusst ist das den Wenigsten und auch aktuelle Zahlen der Bundesbank trügen. Denn trotz der Niedrigzinsphase ist das Geldvermögen der Deutschen zwar im zweiten Quartal um 0,8 Prozent auf gut 5,4 Billionen Euro gewachsen. Und das, obwohl gerade einmal knapp 15 Prozent dieses Geldvermögens in Aktien oder Aktienfonds investiert ist. 

Der Großteil liegt nach wie vor in verzinslichen Spareinlagen, auf unverzinsten Girokonten oder steckt in Versicherungspolicen. Doch dort bringt es kaum noch Rendite. Schlimmer noch: Mit der wieder leicht anziehenden Inflationsrate verbuchen die fleißigen Sparer oft sogar einen realen Wertverlust. 

Der Treiber für das wachsende Geldvermögen der Deutschen waren steigende Löhne, geringe Arbeitslosenzahlen und eine leicht erhöhte Aktienquote. „Auf den ersten Blick scheint das ja eine durchaus positive Entwicklung zu sein“, sagt Mark Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). „Eine genauere Analyse würde aber zeigen, dass hier insbesondere die profitieren, die ihr Kapital in Aktien anlegen.“

Und das sei hierzulande leider nach wie vor eine sehr kleine Gruppe. Das neue Dax-Jahreshoch, das am Montag erreicht wurde, bringt den meisten Sparern also wenig bis nichts.

Diese Regeln sollten Sie bei Ihrer Geldanlage beachten

Dabei Aktien bieten langfristig positive Renditen – nicht zuletzt aufgrund der regelmäßigen Ausschüttungen. Die Dividendenrenditen liegen in der Regel deutlich über den Renditen von Anleihen oder gar Zinsprodukten. Doch die Angst vor Schwankungen hält Anleger zurück. 

Verhaltenspsychologisch ist die Furcht vor Gefahren mehr als verständlich. „Die Furcht vor Gefahren und entsprechende Abwehrreaktionen sind elementare Überlebensmechanismen und somit menschlich“, sagt Stefan Duchateau, Professor für Portfolio Management und Anlageberater des Vermögensverwalters PT Asset Management. „Bei der Geldanlage führt diese Abneigung gegen Risiko allerdings dazu, dass sich Anleger mehr vor Verluste fürchten, als dass sie sich über Gewinne freuen können.“ 

Angst und Unwissen sind bei der Geldanlage fatal


In der aktuellen Niedrigzinsphase ist das besonders tückisch, denn die risikoscheuen Anleger sind am stärksten betroffen und tragen so das höchste Risiko. „Die aktuell wieder leicht anziehende Inflationsrate in Europa ist für die Europäische Zentralbank zwar ein Grund zur Freude, den Sparern wird damit aber endgültig der Boden untern den Füßen weggezogen“, sagt DSW-Experte Tüngler. 

Doch bewusst ist ihnen dieses Risiko oft nicht. Denn das Verständnis für das Verlustrisiko in ihrem Depot ist bei der Hälfte der Privatanleger schlecht. Das zeigte eine aktuelle Umfrage von YouGov im Auftrag des digitalen Vermögensverwalters Scalable, für die 2000 Menschen befragt wurden und die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt. Die Sensibilität für Verlustrisiken hat sich durch das Brexit-Votum sogar nochmal erhöht. Trotzdem würde mehr als die Hälfte der Privatanleger demnach gerne stärker am Kapitalmarkt investieren, doch die Angst vor Verlusten bremst sie.

Doch was tun? Erik Podzuweit, Mitgründer und Co-Geschäftsführer von Scalable Capital, ist überzeugt: „Wir haben kein grundlegendes Problem mit der Kapitalmarktkultur in Deutschland. Wir haben vielmehr ein Problem mit den bestehenden Angeboten“, sagt er. „Sie gehen in der Regel an den Bedürfnissen der Anleger vorbei. Die Finanzbranche muss hier endlich umdenken.“ 

Was Investoren für die lukrativste Geldanlage halten

Die Umfrage zeigt in der Tat, dass ein wesentlich Grund für die Zurückhaltung deutscher Anleger liegt auch in der intransparenten Kommunikation der Anbieter zum Thema Risiko. So hat fast die Hälfte der Befragten ein relativ schlechtes oder sogar sehr schlechtes Verständnis für das Verlustrisiko in ihrem Portfolio. 

Angst und Unwissen sind bei der Geldanlage fatal. „Damit verbauen sich diese Anleger selbst die Aussicht auf Rendite“, so Duchateau. „Sie gehen damit langfristig das größere Risiko ein, weil sie kurzfristig um jeden Preis Risiko vermeiden wollen.“ Dabei zeigen Studien immer wieder: Je länger der Anlagehorizont bei Aktien, desto geringer das Risiko. Und desto höher die Rendite.

Wo die Deutschen ihr Erspartes verstecken
42 Prozent der Bürger lagern ihr Bargeld aus Verunsicherung zu Hause Quelle: obs
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Schuhschrank Quelle: Fotolia
Spardose Quelle: dpa
Tresor Quelle: dpa/dpaweb
Geld im Spülkasten Quelle: dpa
Vorratsdose Quelle: Fotolia
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