Geldanlage Was Top-Anlageexperten jetzt raten

Top-Anlageprofis und -Ökonomen wie Jens Ehrhardt und Bert Flossbach sehen schwere Zeiten für Anleger anbrechen. Welche Strategie sie Privatanlegern jetzt empfehlen, wo Ihr Geld jetzt noch sicher ist.

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Euro-Streitgespräch Quelle: Oliver Rüther für WirtschaftsWoche

Im ersten Teil des WirtschaftsWoche-Roundtables haben die Kapitalmarktprofis Jens Ehrhardt, Jochen Felsenheimer, Bert Flossbach und Thorsten Polleit ihr Szenario für die Finanzmärkte im Zeichen von Banken- und Schuldenkrise diskutiert. In der Fortsetzung der Debatte geht es nun um die Konsequenzen für Anleger.

Was sollen Anleger also tun? In Sachwerte flüchten? Oder deutsche Staatsanleihen kaufen, um bei einem eventuellen Euro-Bruch auf der richtigen Seite zu stehen?

Ehrhardt: Es gibt in so einer verfahrenen Situation leider keine einfachen Lösungen. Unsere Antwort ist – auch wenn es keiner mehr hören will – Diversifikation. Wir streuen das Vermögen auf viele Anlageklassen. Denn man muss sich heute einfach eingestehen, dass es keine ultimativ sichere Anlageklasse mehr gibt. Staatsanleihen zum Beispiel galten bis vor wenigen Jahren noch als genau das. Heute rechnen auf dem Markt fast alle mit einer oder mehreren Pleiten in den kommenden Jahren. Auch Immobilien oder Gold könnten irgendwann unattraktiv werden, aus Gründen, die heute noch nicht erkennbar sind.

Thosten Polleit Quelle: Oliver Rüther für WirtschaftsWoche

Flossbach: Korrekt. Deswegen ist aber nicht nur Streuung, sondern auch Flexibilität so immens wichtig. In einer so unübersichtlichen Situation sollte man sich nie mit einem Großteil seines Vermögens an eine oder wenige Anlageformen ketten. Vor allem nicht, wenn sie im Zweifel schwierig zu veräußern sind, etwa Immobilien. Man muss zumindest mit einem Teil seines Geldes flexibel bleiben.

Aber die Immobilienpreise steigen.

Flossbach: Natürlich sind Immobilien im Prinzip Profiteure eines Wertverfalls von Papiergeld. Ich habe nichts gegen eine selbst genutzte Wohnung oder Oma ihr klein Häuschen. Aber in teure, größtenteils auf Kredit finanzierte Kapitalanlage-Immos sollte kein allzugroßer Teil des Vermögens investiert sein. Denn sie sind eben auch, wie der Name schon sagt: immobil.

Warum soll das ein Nachteil sein?

Flossbach: Die Nachfrage könnte lokal leiden, wegen der demografischen Entwicklung, zum Beispiel.

Dann fallen beim Kauf hohe Nebenkosten an, der Verkauf ist mitunter extrem langwierig. Nicht zuletzt unterliegen Immobilen dem möglichen Zugriff des Staates.

Fürchten Sie neue Immobiliensteuern? Oder gar Zwangshypotheken?

Flossbach: Letztere vielleicht nicht. Aber das Abschöpfen von Immobiliengewinnen ist ein Prozess, der längst begonnen hat. Viele Städte und Gemeinden haben die Grundsteuern kräftig erhöht, und die Bundesländer erhöhen gerade die Grunderwerbsteuern von 3,5 auf 5,0 Prozent.

Bert Flossbach (l), Jochen Felsenheimer (r) Quelle: Oliver Rüther für WirtschaftsWoche

Was ist mit Aktien?

Ehrhardt: Die gehören in jedem Fall dazu. Kurzfristig kann es zwar jederzeit zu weiteren Einbrüchen an den Börsen kommen, aber langfristig halte ich die Aktie für eine unverzichtbare Depotkomponente. Aktien sind ein liquide handelbarer Sachwert. Als solcher unterliegen sie natürlich starken Schwankungen im aktuellen Preis, aber sie haben auch einen inneren Wert, der nicht so stark schwankt. Sie sind Anteil am Vermögen und Wertschöpfungspotenzial großer Unternehmen – Grundstücke, Gebäude, Patente, Markenrechte, Maschinen, gut ausgebildete Mitarbeiter, Marktanteile, Geschäftsbeziehungen. All das kann ich mir als Anleger in einem mundgerechten Happen bequem kaufen.

Vorschlag zur Depotaufteilung von Bert Flossbach

Viele Anleger fürchten aber gerade bei Aktien die starken Kurseinbrüche, derentwegen sie unter dem Strich Geld verlieren, wenn sie den richtigen Einund Ausstiegszeitpunkt verpassen.

Ehrhardt: Dieses Risiko besteht. Dennoch glaube ich, dass, auf die lange Sicht gesehen, Aktien eine der attraktivsten Anlageklassen sind. Trotz aller Probleme, die immer wieder an den Aktienbörsen ihren Tribut fordern werden: Aktien sind zurzeit historisch gesehen nicht teuer. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis etwa oder das Kurs-Buchwert-Verhältnis sind im Durchschnitt für die deutschen Blue Chips auf den tiefsten Stand seit 2009 gefallen. Wer den Modetrends widersteht und kontinuierlich einen Teil seines Vermögens in gute Unternehmen investiert, etwa über einen Fondssparplan oder über mindestens zehn verschiedene Einzelaktien, wird auf Dauer seine Rendite bekommen. Zwischenzeitliche Rückschläge muss man aber aushalten können.

Flossbach: Ich beobachte gerade bei deutschen Anlegern häufig etwas, das ich Vola-Phobie nenne: hohe Volatiliät, also das starke Schwanken der Kurse, wird mit untragbarem Risiko gleichgesetzt...

...zu Recht, oder? Bei einer Aktie, die stark schwankt, ist das Risiko höher, sie irgendwann mit Verlust verkaufen zu müssen.

Flossbach: Theoretisch ja, dazu aber zwei wichtige Dinge: Erstens sind Sachwerte, deren Preis nicht oft festgestellt wird, etwa Immobilien oder geschlossene Fonds, nicht weniger riskant. Sie unterliegen genauso Preisschwankungen, nur werden die nicht jeden Tag ermittelt und über das Internet an Millionen Anleger kommuniziert. Oft gibt es dann ein böses Erwachen, wenn zum Beispiel ein geschlossener Fonds verkauft werden soll. Zweitens sind Aktien eine Langfristanlage: Nur Geld, das nicht morgen vielleicht gebraucht wird, sollte dort investiert werden. Wer das beherzigt, braucht vor Volatilität keine große Angst zu haben, er kann Kursschwächen notfalls aussitzen.

Felsenheimer: Aber nur, wenn es irgendwann wieder aufwärtsgeht. Ich habe grundsätzlich nichts gegen Aktien, halte aber den Einstiegszeitpunkt derzeit noch nicht für optimal. Wenn ich sehe, dass der Kreditmarkt derzeit mit einem Ausfall von 40 Prozent der Anleihen der 25 größten Finanzinstitute Europas rechnet, dann ist der Dax noch viel zu hoch bewertet. Denn sollte das passieren, hätten wir wieder eine akute Finanzkrise, das ginge mit einem erneuten Crash am Aktienmarkt einher, da können Aktien noch so günstig sein.

Polleit: Dennoch geht an Diversifizierung wohl kein Weg vorbei. Und dazu gehören Sachwerte wie Gold, Immobilien und die Aktien guter Unternehmen. Nur in Nominalwerte wie Tagesgeld oder Staatsanleihen investiert zu sein ist keinesfalls risikolos. Der täglich festgestellte Marktwert schwankt zwar nominell viel weniger als bei Aktien oder Gold. Deswegen wirken Anleihen weniger riskant. Das Risiko besteht aber im Kaufkraftverlust. Siemens-Aktien, vor dem Krieg gekauft, wären heute immer noch werthaltig, wenn auch unter heftigsten Kursschwankungen. Anleihen oder Geldkonten von damals nicht.

Jochen Felsenheimer (l), Jens Ehrhardt (r) Quelle: Oliver Rüther für WirtschaftsWoche

Wie sähe Ihr Portfolio konkret aus, wenn Sie 100.000 Euro neu anlegen müssten?

Ehrhardt: Je 25 Prozent des Geldes würde ich in Cash und physischem Gold halten, weitere 25 Prozent jeweils in Immobilien und Aktien, wobei ich innerhalb der beiden letzten Viertel einen guten Teil jeweils in Schwellenländern investieren würde, vor allem in Asien.

Vorschlag zur Depotaufteilung von Jens Ehrhardt

Flossbach: Die genaue Zusammensetzung hängt stark von der individuellen Situation des Anlegers ab. Dazu zählen Alter, Risikotragfähigkeit, berufliche Situation und Sachkunde. Selbstständige etwa brauchen mehr Cash als Angestellte, junge Leute können mehr Aktien kaufen als alte.

Für alle gilt: 40 Prozent sollten mindestens in Sachwerten angelegt sein, aber auch nicht mehr als 80 Prozent. Zu den Sachwerten zählen wir Gold, Aktien, maßvoll finanzierte Immobilien. Nominalwerte wie Tagesgeld und Anleihen sollten nicht weniger als 20, aber auch nicht mehr als 40 Prozent ausmachen.

Für die meisten Anleger liegt das Optimum irgendwo in der Mitte, also 60 Prozent Sachwerte, davon 30 Prozentpunkte Aktien und 30 Gold und Immobilien; und 40 Prozent in Nominalwerten, also Cash und kurz laufende Zinspapiere.

Welche Zinspapiere?

Flossbach: Hier gilt ganz klar Sicherheit vor Rendite, also keine Experimente mit griechischen Staatsanleihen oder irgendwelchen kaum analysierbaren Derivate. Nur kurze Laufzeiten und erstklassige Schuldner: Staatsanleihen Deutschlands, Hollands, Finnlands und Anleihen von erstklassigen, bilanziell gesunden Unternehmen.

Was ist mit Rohstoffen wie Kupfer, Nickel, Zink, Weizen oder Öl?

Flossbach: Nur als kleine Beimischung in wirklich großen Vermögen. Und wenn, dann über Rohstoffaktien. Die komplexen Finanzprodukte, mit denen Anleger auf die Rohstoffkurse selbst wetten, sollten sie den professionellen Zockern an den Rohstoffbörsen überlassen.

Ehrhardt: Richtig, daran verdienen nur die Emittenten in den Investmentbanken.

Welche Aktien favorisieren Sie?

Ehrhardt: Ich sehe hier nach wie vor die größten Potenziale in Asien. Klar gibt es auch dort Risiken, aber anders als früher sind nicht nur die europäischen, sondern auch die asiatischen Aktien derzeit günstig bewertet, weil alle Welt mit einem harten Einbruch der Konjunktur in China rechnet. Auch Agraraktien und Nahrungsmittelwerte sind attraktiv; das sind Dinge, die die Menschen immer brauchen.

Flossbach: Ich unterscheide weniger nach Branchen und Regionen. Ich halte mich an solide Unternehmen, deren Geschäftsmodell mir eine gute Visibilität künftiger Gewinne bietet, das weltweit und zur Not auch ohne den Euro funktioniert. Das sind dann eben nicht Banken und in den meisten Fällen auch keine Zykliker. Unternehmen wie Microsoft, Nestlé, Pepsi oder 3M. Wichtig ist außerdem eine attraktive und verlässliche Dividende.

Jochen Felsenheimer Quelle: Oliver Rüther für WirtschaftsWoche

Sollten Euro-Anleger in andere Währungen flüchten?

Flossbach: Nicht flüchten, aber diversifizieren. Auch bei den Währungen gilt: Streuen und flexibel bleiben ist besser als alles in einen Korb. Ein Mix aus einigen Schwellenländerwährungen, dem Dollar, Gold und dem Franken ist deutlich weniger riskant als 100 Prozent im Euro.

Polleit: Dass Sie auch den Dollar nennen, finde ich interessant. Der wird ja gerne totgesagt. Ich persönlich glaube ja, dass der Dollar uns alle noch positiv überraschen könnte. Der Grund ist Lateinamerika. In Ländern wie Brasilien, Chile, sogar Argentinien gibt es viele Fortschritte: Rechtssysteme werden verbessert, vor allem der Eigentumsschutz. Die Bevölkerung ist jung und gut ausgebildet. Die Länder sind reich an Rohstoffen und arm an Schulden. Vor allem aber ist das Projekt der Marktliberalisierung von Alaska bis Feuerland nur aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. Die USA dürften bei einer Realisierung ein großer Profiteur davon sein. Der Dollar wird also weiterhin eine Leitwährung bleiben, zumindest auf dem Doppelkontinent Amerika.

Was ist mit Gold?

Polleit: Auch eine schöne Währung! Wahrscheinlich sogar die schönste von allen.

Ehrhardt: Professor Polleit spielt darauf an, dass Gold heutzutage weit weniger als Rohstoff für die Schmuckindustrie gebraucht wird denn als Wertaufbewahrungsmittel. Und als solches dürfte es auch weiterhin gebraucht werden. Deshalb bin ich sehr optimistisch für Gold.

Wie stark ist der Goldpreis derzeit von Spekulation getrieben? Man sah ja kürzlich beim Silberpreis, wie schnell auch bei den Edelmetallen die Luft wieder rausgehen kann.

Polleit: Sehr wenig. Die Zentralbanken der starken Schwellenländer wie Russland, Indien, China sind alle dabei, ihre Goldbestände nach und nach aufzustocken. Das sind die mit Abstand größten Käufer. Sie spekulieren nicht, sondern sind klassische Langfrist-Investoren. Die Asiaten wollen nicht noch mehr Papiergeld wie Dollar und Euro; sie werden weiterhin die Goldnachfrage massiv stützen.

Wie soll man in Gold investieren? Physisch? Oder über Zertifikate und Fonds?

Flossbach, Polleit (unisono): Physisch! 

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