Geldflut der EZB Die Banken-Droge Billiggeld

Es ist wie auf einer Achterbahnfahrt: Die Notenbanken treiben die Werte von Aktien und Gold nach unten und nach oben. Prompt reagiert die Börse wie ein Süchtiger auf Entzug.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Doping-Spritze Quelle: dpa

Die „Aktienkurse steigen nach Geldspritzen der Europäischen Notenbank“. „Europas Börsen rutschen nach Äußerungen von US-Notenbank-Chef ins Minus.“ Zwischen diesen Schlagzeilen liegen gerade mal ein paar Stunden.

Was sich am vergangenen Mittwoch an den Börsen abgespielt hatte, spottet (mal wieder) jeder Beschreibung, zeigt jedoch, auf welchem Fundament die aktuellen Preise und Kurse für Rohstoffe, Edelmetalle und Aktien derzeit stehen: auf einem brüchigen.

Zunächst hatte die Europäische Zentralbank 800 Banken weitere 529 Milliarden Euro über bis zu drei Jahre zum Minizins von einem Prozent in die Bilanzen gepumpt. Inklusive der gleichen Aktion vom vergangenen Dezember summieren sich diese neu erfundenen Mittelfristleihgeschäfte der EZB an die Banken nun auf mehr als eine Billion (1.000.000.000.000) Euro.

Wer so vollgepumpt ist mit der Droge Billiggeld, der kauft natürlich, was das Zeug hält. Und diejenigen, die nicht direkt eine Spritze verpasst bekommen haben, freuen sich zumindest, dass die Junkies in den Banktürmen wohl erst mal genügend Dosis intus haben, und kaufen auch. So kletterten am Morgen munter die Aktienkurse und die Preise von Edelmetallen.

Zu niedrige Dosis

Doch von genügend Dosis kann offenbar keine Rede sein. Denn nachmittags sagte US-Notenbankchef Bernanke – nichts. Zumindest nichts zu weiteren möglichen Liquiditätsstützen für die Märkte. Noch voll auf Turkey, aber schon leicht ernüchtert ob demnächst möglicherweise fehlendem Nachschub, gingen die Kurse an den Märkten darob in den Keller.

Der Dax rutschte um gut 100 Punkte, der Goldpreis brach um gut fünf Prozent oder 100 Dollar ein; Silber – angeblich das Gold des kleines Mannes, in Wahrheit aber das Spekulationsobjekt für große Zocker schlechthin – crashte um fast zehn Prozent.

Liquidität aus der Notenbank

Ein Silberbarren und -nuggets. Quelle: dpa


Nun war es schon immer so, dass die Kurse sensibel auf die Liquiditätsbereitstellung durch Notenbanken reagierten. In Zeiten sinkender Zinsen stiegen Aktien, in Zinserhöhungszyklen gingen die Kurse zurück. Ganz einfach, weil alternative festverzinsliche Anlagen an Attraktivität bei gleichzeitig größerer Sicherheit gewannen.

Nun aber, da die Zinsen in den wichtigsten Währungsräumen praktisch auf null sind, können die Notenbanken nicht mehr anders, als allein über die Notenpresse Liquidität bereitzustellen. Da wirkt, wie am vergangenen Mittwoch gesehen, schon die ausbleibende Ankündigung, die Presse weiter auf Hochtouren laufen zu lassen, wie eine Zinserhöhung. Dementsprechend die Marktreaktion, die ein milder Vorgeschmack auf das war, was Anlegern früher oder später blüht.

Eines Tages wird das billige Geld entweder zu Inflation in der Realwirtschaft führen oder die Vermögenspreise an den Märkten so hoch treiben, dass die Notenbanken tatsächlich nicht nur die Notenpressen stoppen, sondern sogar die Zinsen erhöhen müssen. Der plötzlich kalte Entzug für die Junkies wird dann in einen Crash wahrscheinlich bisher unbekannter Größenordnung münden.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%