Bei der Deutschen Börse drohen wegen der geplanten Fusion mit der London Stock Exchange (LSE) Hunderte Arbeitsplätze wegzufallen. Bei der anvisierten Mega-Börse könnten in den kommenden drei Jahren "potenziell circa 1250 bestehende Arbeitsplätze abgebaut werden", erklärten beide Konzerne am Mittwoch bei der Vorstellung ihrer Fusionsunterlagen.
Parallel sollen allerdings rund 550 neue Stellen geschaffen werden. Unter dem Strich würden bei der Verschmelzung somit etwa 700 Arbeitsplätze gestrichen.
Die Aktionäre der Deutschen Börse und LSE sollen beide im Juli über die gut 25 Milliarden Euro schwere Verschmelzung abstimmen. Anschließend müssen noch zahlreiche Behörden grünes Licht geben, allen voran die EU-Kommission und die hessische Börsenaufsicht. Die Behörde in Wiesbaden sei am Prüfen und warte bei einigen Fragen noch auf Antworten der Deutschen Börse, sagten mehrere mit dem Vorgang vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Wie das Votum aus Wiesbaden am Ende ausfalle, sei heute noch nicht abzusehen.
Die hessische Börsenaufsicht möchte den Insidern zufolge sicherstellen, dass sie künftig auch Einfluss auf die Geschicke des fusionierten Konzerns mit Sitz in London hat - etwa, wenn die europäische Mega-Börse eines Tages selbst zu einem Übernahmeziel werden sollte. Die Behörde, die beim hessischen Wirtschaftsministerium angesiedelt ist, wollte sich zu dem Thema nicht äußern. Sie kann den Zusammenschluss untersagen, wenn sie der Ansicht ist, dass dadurch die Weiterentwicklung des Börsenstandortes Frankfurt beeinträchtigt würde.
Es bringe nichts, über die Entscheidung aus Wiesbaden zu spekulieren, sagte Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter in einer Telefonkonferenz mit Analysten. Er geht davon aus, dass beide Unternehmen im Austausch mit den Regulierern "in den kommenden Monaten weiter gut vorankommen".
Mega-Börse hat immer noch keinen Namen
Deutsche Börse und LSE haben ihren Aktionären bei der Fusion Einsparungen von 450 Millionen Euro pro Jahr in Aussicht gestellt. Um diese zu erreichen, sollen bei beiden Unternehmen unter dem Strich jeweils 350 Stellen wegfallen, wie Insider berichten. Bei der Deutschen Börse, die Ende vergangenen Jahres rund 5.300 Mitarbeiter beschäftigte, entspricht das rund sieben Prozent der Belegschaft. Bei der LSE liegt der Anteil bei zehn Prozent. Die Londoner haben nach dem Verkauf einer Vermögensverwaltungs-Sparte, der am Mittwoch abgeschlossen wurde, noch rund 3500 Mitarbeiter.
Die gescheiterten Fusionspläne der Deutsche Börse AG
17. Juli 2000
Die Deutsche Börse präsentiert einen Plan für die Gründung de iX international exchange zusammen mit der Londoner LSE. Die beiden Partner hoffen, mit der paneuropäischen Handelsplattform weitere Börsenbetreiber mit ins Boot zu holen. Das Projekt scheitert allerdings an mangelnder Unterstützung.
Sommer 2003
Der damalige Chef der Deutschen Börse, Werner Seifert, trifft sich mit Euronext-Chef Francois Theodore. Die Gespräche über eine Fusion werden allerdings beendet, nachdem sich beide Seiten nicht über die Bewertung ihrer Häuser einig werden.
Frühling 2004
Seifert und Theodore nehmen ein weiteres Mal Kontakt auf. Ein Zwist über die Besetzung der Führungspositionen lässt sie abermals ergebnislos auseinandergehen.
August 2004
Die Schweizer Börse SWX lehnt Pläne der Deutschen Börse für eine Fusion, faktisch eine Übernahme, ab.
13. Dezember 2004
Die Deutsche Börse veröffentlicht ein Übernahmeangebot für die LSE über knapp zwei Milliarden Euro, das 2005 am Widerstand des Hedgefonds und Deutsche-Börse-Aktionärs TCI scheitert.
21. Februar 2006
Der neue Börsenchef Reto Francioni legt ein vorläufiges Fusionsangebot für die Pariser Euronext vor und facht damit ein Konsolidierungsfieber in der Branche an.
19. Mai 2006
Die Deutsche Börse dient Euronext-Chef Theodore die Führung eines vereinten Unternehmens an, besteht allerdings auf Frankfurt als Hauptsitz. Auch der Großteil des Managements sollte am Main angesiedelt sein.
Juni 2006
Die Deutsche Börse unterbreitet der Euronext einen überarbeiteten Fusionsvorschlag. Die Frankfurter geben in der Hauptquartiersfrage nach, doch der Vorstoß kommt zu spät: Die Euronext schließt sich mit der NYSE zusammen.
19. Mai 2006
Die Deutsche Börse dient Euronext-Chef Theodore die Führung eines vereinten Unternehmens an, besteht allerdings auf Frankfurt als Hauptsitz. Auch der Großteil des Managements sollte am Main angesiedelt sein.
Juni 2006
Die Deutsche Börse unterbreitet der Euronext einen überarbeiteten Fusionsvorschlag. Die Frankfurter geben in der Hauptquartiersfrage nach, doch der Vorstoß kommt zu spät: Die Euronext schließt sich mit der NYSE zusammen.
Dezember 2008
Deutsche Börse und NYSE Euronext loten eine Fusion aus. Die Pläne werden vorzeitig bekannt und scheitern.
April 2011
Die Börse wagt einen weiteren Versuch, mit der Nyse Euronext als Partner eine neue Größenordnung zu erreichen. Die US-Börsen Nasdaq OMX und ICE wollen die Fusion mit einer Gegenofferte für die Nyse torpedieren.
Februar 2012
Der Traum Francionis platzt erneut. Die EU-Kommission untersagt die Milliardenfusion mit den Amerikanern aus schwerwiegenden wettbewerbsrechtlichen Bedenken. Die EU fürchtet vor allem ein weltweites Monopol im Handel mit europäischen Finanzderivaten.
Die Deutsche Börse will den Stellenabbau durch "natürliche Fluktuation und die Nichtwiederbesetzung frei werdender Stellen" abfedern. Auf betriebsbedingte Kündigungen möchte der Konzern verzichten, wie Finanzchef Gregor Pottmeyer bereits im April in einem Interview erklärt hatte.
Die Deutsche Börse und die LSE rechnen bei der Fusion mit Umsatzsynergien von mindestens 250 Millionen Euro pro Jahr - beispielsweise durch eine bessere Zusammenarbeit im Vertrieb und der gemeinsamen Entwicklung neuer Produkte. Das kam am Markt gut an. Deutsche-Börse-Aktien gewannen ein Prozent und gehörten damit zu den größten Gewinnern im Dax.
Im Rahmen der Wachstumsinitiativen wollen beide Konzerne mindestens 200 neue Arbeitsplätze schaffen. Hinzukommen sollen ungefähr 350 zusätzliche Stellen in Niedriglohnländern kommen. Die Deutsche Börse lässt bereits heute viele Arbeiten in Prag erledigen.
Die Aktionäre von Deutschlands größtem Börsenbetreiber haben nun sechs Wochen Zeit, ihre Aktien anzudienen. Die Angebotsfrist läuft am 12. Juli um 24 Uhr ab. Mindestens 75 Prozent müssen grünes Licht geben. Bei der LSE werden die Aktionäre auf einer außerordentlichen Hauptversammlung am 4. Juli über die Verschmelzung abstimmen. Sie soll unabhängig vom Ausgang des Referendums über den Ausstieg Großbritanniens aus der EU stattfinden, wie beide Unternehmen bekräftigten. Einen Namen für die fusionierte Börse gibt es immer noch nicht, sagte Kengeter. "Das stand für uns bisher nicht im Mittelpunkt."