German Pellets Gläubigerversammlung Leibolds Vermächtnis

Die Insolvenzverwalterin von German Pellets glaubt, dass der Brennstoffhersteller lange vor der offiziellen Pleite zahlungsunfähig war – zum Schaden Tausender Anleger. Die Staatsanwaltschaft ermittelt noch.

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Wie es tatsächlich um das Unternehmen stand, könnte Geschäftsführer Leibold über viele Monate verschleiert haben. Quelle: dpa

Schwerin Der ältere Herr erhob sich als einer der ersten von seinem Sitz. „Befindet sich die Staatsanwaltschaft im Tiefschlaf?“, rief der Gläubiger der Insolvenzverwalterin zu. „Nein“, antwortete Bettina Schmudde. Sie rechne damit, dass in Kürze Ergebnisse vorlägen und aus den Ermittlungen Konsequenzen gezogen würden.

Seit fast acht Monaten arbeitet Bettina Schmudde die Insolvenz des Wismarer Brennstoffherstellers German Pellets auf. Es ist eine der größten Pleiten Deutschlands im laufenden Jahr. An diesem Mittwoch stand die Juristin im „Goldenen Saal“ des Justizministerium von Schwerin und berichtete den Gläubigern. Der prächtige Raum passte nicht ganz zu ihren düsteren Nachrichten. Kronleuchter, klassizistische Säulen, vergoldete Kapitäle umgaben die Insolvenzverwalterin, während sie im schwarzen Kostüm eher traurige Zahlen vortrug.

„Womöglich schon Mitte 2015 zahlungsunfähig“

Mit dem Verkauf mehrerer Werke haben sie und ihr Team zwar mehr als hundert Arbeitsplätze gerettet. Für die 17.000 Anleger, die German Pellets rund eine viertel Milliarde Euro anvertrauten, kam bisher aber nur ein Bruchteil ihres Einsatzes zusammen. Mindestens 480 Millionen Euro Schulden haben Gründer und Geschäftsführer Peter Leibold bis zur Insolvenzeröffnung angehäuft. Die angemeldeten Forderungen betragen sogar mehr als zwei Milliarden Euro. Doch vorsichtig gerechnet hat das Verwalterteam erst zwölf Millionen Euro aus dem Unternehmen gerettet. Damit dürfte Leibold mehrere hundert Millionen Euro verbrannt haben.

Mehr noch: Wie es tatsächlich um das Unternehmen stand, könnte Leibold über viele Monate verschleiert haben. Am 9. Februar hat der Geschäftsführer Insolvenz angemeldet. „Doch möglicherweise war der Konzern schon Mitte 2015 zahlungsunfähig“, erklärte Schmudde den Gläubigern. Trifft das zu, hätte sich Leibold strafbar gemacht. Ist eine Firma überschuldet oder zahlungsunfähig, muss der Chef binnen drei Wochen Insolvenzantrag stellen. Unterlässt er dies bewusst, drohen bis zu drei Jahren Haft. Fachbegriff: Insolvenzverschleppung. Wer dazu noch Vermögen beiseite schafft oder Bilanzen fälscht (Bankrott),muss mit bis zu fünf Jahren Gefängnis rechnen.

Zum möglichen Zeitpunkt der tatsächlichen Insolvenz jedenfalls ließ sich Peter Leibold nach außen hin nichts anmerken. Mitte des Jahres 2015 verkündete er einen Halbjahresgewinn von 4,7 Millionen Euro. Noch im November warb German Pellets bei Anlegern mehrere Millionen Euro frisches Genussrechtskapital ein und stellte acht Prozent Rendite in Aussicht. Die Ratingagentur Creditreform bescheinigte dem Unternehmen noch im Oktober eine „befriedigende Bilanzbonität“. Die Entwicklung zeige „grundsätzlich einen positiven Trend“. Eine Fehleinschätzung. Keine drei Monate nach dem Rating war German Pellets offiziell pleite.

Die Staatsanwaltschaft Rostock ermittelt seit Monaten gegen Gründer Peter Leibold unter anderem wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppung und des Bankrotts. Ein eigens beauftragter Gutachter sei noch immer dabei, den exakten Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit zu bestimmen, erklärte ein Sprecher der Behörde. Bisher gebe es nur Vermutungen aber keine belastbaren Ergebnisse. Peter Leibold war am Mittwoch für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Eine schriftliche Anfrage ließ er bis zum späten Nachmittag unbeantwortet.

Schmudde sieht nun „Anhaltspunkte für Haftungsansprüche gegen den Geschäftsführer“. Nicht nur weil er die Zahlungsunfähigkeit über Monate verschleiert haben könnte. Auffällig sei auch, dass Leibold umfangreiche Darlehen an Dritte geleitet hat, ohne jede Sicherheit. Allein an die Pele-Stiftung in Wien ist ein dreistelliger Millionenbetrag geflossen, der wiederum in Werke in die USA weitergeleitet wurde.

Staatsanwalt: „Keine belastbaren Ergebnisse“

„Dass die Pleite kommt, wussten wir schon lange“

Bettina Schmudde blickte im Schweriner Justizpalast noch einmal zurück. Als die Insolvenzverwalterin am 9. Februar anfing, war der Geschäftsbetrieb längst eingestellt. Nur noch Tiereinstreu wurde weiter hergestellt. Das Bankguthaben von zwei Millionen Euro sei schon mehrfach gepfändet gewesen. Mitarbeiter hätten geäußert: „Dass die Pleite kommt, wussten wir schon lange.“

Grundstücke, Maschinen, alles was irgendwie Wert hatte, war häufig mehrfach verpfändet. Ein Gewirr von mehr als 20 Firmen vernebelte die Zahlungsströme. Bilanzierte Vorräte waren, so Schmudde „körperlich nicht vorhanden“, stattdessen habe sie „Luftbuchungen“ vorgefunden. Die Frage, was die Herstellung der Holzpellets koste, habe in der Belegschaft für Verblüffung gesorgt. „Die hat uns vorher noch nie jemand gestellt.“

Derweil drehte Peter Leibold nicht nur seine Runden im Privatflugzeug, sondern versuchte in den USA ein noch viel größeres Rad in Schwung zu bringen. Mithilfe des deutschen Anlegergelds wollte der Gründer eine riesige Pelletsproduktion aufziehen. Die US-Werke in Texas und Louisiana sind inzwischen ebenfalls in Schieflage und befinden sich im Gläubigerschutzverfahren nach dem so genannten „Chapter 11“.

Bettina Schmudde kämpft weiter um jeden Cent. Mit dem Verkauf der Produktionsstandorte Wismar, Herbrechtingen, und Ettenheim erzielte ihr Team 2,5 Millionen Euro. Immerhin. Die Gebäude, Grundstücke und Anlagen waren zum großen Teil mehrfach verpfändet gewesen. Der Verkauf eines Kohlekraftwerks in Belgien brachte bisher 1,5 Millionen. Es könnte aber gemäß den Verträgen noch ein zweistelliger Millionenbetrag folgen, erläuterte die Insolvenzverwalterin, sollte die Umwandlung in ein Pelletswerk reibungslos und kostengünstig laufen. Aus Anfechtungsansprüchen erwartet sie noch mindestens vier Millionen Euro. Aus dem Forderungsbestand und weiteren Positionen könnten noch einmal vier Millionen hinzukommen. Noch, versichert das Insolvenzverwalterteam, sei alles konservativ gerechnet. Die möglichen Haftungsansprüche gegen Leibold etwa rechnet es bislang nur als Erinnerungsposten mit einem Euro.

Peter Leibold ist wieder im Geschäft

Der Mann, der mit Holzpellets Hunderte Millionen verheizt hat, ist unbeirrt von allen Vorwürfen inzwischen wieder in derselben Branche aktiv: als Geschäftsführer der in Leipzig angemeldeten US Wood Service GmbH. Das Unternehmen handelt laut Registerdaten mit Holzbrennstoffen. Per Stellenanzeige wird eine Kraft als Assistenz der Geschäftsführung gesucht. Oberste Aufgabe: Unterstützung des Geschäftsführers im internationalen Tagesgeschäft.

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