Griechenland Weicht Südeuropa vom Kurs ab?

Der strikte Sparkurs in den Peripheriestaaten treibt die Wähler in die Arme der Parteien, die den Staatsbankrott der Troika vorziehen. Die Präsidentschaftswahlen könnten einen Ausblick geben, was Gläubigern droht.

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Akropolis in Athen: Wirtschaftlich hat sich Griechenland stabilisiert. Politisch könnte ein Kurswechsel die Ziele der Troika dennoch gefährden. Quelle: dpa

Athen Der europäischen Krisenpolitik droht im kommenden Jahr eine schwierige, neue Situation in den südeuropäischen Ländern. In Griechenland steigt die Wahrscheinlichkeit einer Regierung, die die Schulden des Landes nicht weiter bedienen will. Der strikte Sparkurs der Länder begünstigt die Stimmenzahl solcher Parteien allerdings auch in Spanien und Italien. Die nahe politische Zukunft Griechenlands ist erneut unsicher. Die für den 17. Dezember geplante Präsidentschaftswahl dürfte kein klares Ergebnis bringen. Es wird erwartet, dass das Parlament im Falle einer gescheiterten Wahl innerhalb von zehn Tagen aufgelöst und 30 Tage später ein neues gewählt wird.

Aus diesem Wahlgang könnte die Syriza-Partei als stärkste Partei hervorgehen. Seit Mai sehen die Experten sie in sämtlichen Umfragen an der Spitze. Die Partei ist sich ihrer Rolle bewusst und plant schon den zukünftigen Kurs des Landes. Spitzenkandidat Alexis Tsipras traf sich zuletzt mit Vertretern der europäischen Zentralbank, auch mit ihrem Präsidenten Mario Draghi.

Syriza wäre die erste Partei im Euroraum, die sich weigert die Schulden eines Landes zu begleichen. Auf ihrer Webseite kündigt die Partei an, im Falle der Machtübernahme, den Forderungen der Troika nicht weiter nachzukommen. Seit dem Schuldenschnitt des Jahres 2012 steht Griechenland vor allem bei Partnerländern aus dem Euroraum in der Kreide. Die Regierungen der Gläubigernationen haben bereits die Laufzeiten für diese Verbindlichkeiten gestreckt und die Zinsen erheblich gesenkt.

Jede weitere Umschuldung würde Steuerzahler außerhalb Griechenlands belasten. Die öffentliche Meinung im Euroraum ist klar gegen einen solchen Schritt. Die Möglichkeit eines griechischen Zahlungsausfalls sollte ernst genommen werden. Der aktuelle Zeitpunkt wäre für das südeuropäische Land günstig und das erhöht die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Schritt. Während der Krise ist die griechische Wirtschaft um 25 Prozent geschrumpft, doch nun beginnt sie wieder zu wachsen. Für dieses Jahr rechnen Volkswirte mit einem Plus von 0,2 Prozent, für das kommende mit 1,5 Prozent. Eine neue Regierung könnte versucht sein, die sich abzeichnende Erholung zu nutzen, um die Vergangenheit - einschließlich Schulden - hinter sich zu lassen.


Stimmung in Italien und Spanien kippt ebenfalls

Das anspringende Wachstum gepaart mit den aktuellen Fortschritten bei den Kosteneinsparungen würden es Griechenland erlauben, die laufenden Ausgaben zu bestreiten, ohne die Finanzmärkte anzapfen zu müssen. Für den Zeitraum von Januar bis Oktober 2014, wies das Land sogar einen Primärüberschuss im Haushalt auf. Unter Nichtberücksichtigung der Zinszahlungen auf Verbindlichkeiten übertrafen also die Einnahmen die Ausgaben der Staatskasse. Für kommendes Jahr erwartet die Regierung nochmals ein Anwachsen dieses Überschusses auf drei Prozent des Bruttoinlandprodukts.

Die Lage in Griechenland ist nur ein Vorgeschmack auf das, was den Euroraum möglicherweise in naher Zukunft erwartet. Eine hartnäckige, niedrige Inflation, träges Wachstum und ein harter Sparkurs treiben immer mehr Bürger - und politische Parteien - dazu, einen Staatsbankrott als schnellen und einfachen Ausweg aus der Überschuldung in Erwägung zu ziehen.

Auch in Spanien und Italien, wo die Verschuldung der öffentlichen Haushalte im vergangenen Jahr 92 Prozent bzw. 128 Prozent erreichte, sind Parteien, die eine solche Strategie erwägen, beliebt. Bei der Parlamentswahl in Spanien im kommenden Jahr hat Podemos Chancen, stärkste Partei zu werden. Sie lehnt Rückzahlungen „illegitimer“ Schulden ab.

Die wirtschaftliche Lage in Europa wird vermutlich noch eine Weile nahe der Depression bleiben. Die Entscheidungsträger in Europa sollte sich deshalb auf immer wieder aufkommende Diskussion um die Schuldenpolitik in den Peripheriestaaten gefasst machen.

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