Grohe Viel Geld der Investoren versenkt

Beim Verkauf des deutschen Sanitärherstellers Grohe haben sich Finanzinvestoren eine goldene Nase verdient – zulasten japanischer Investoren und deutscher Anleger. Nun zieht der neue Eigentümer Konsequenzen im Management.

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Abfluss Quelle: Getty Images

Die Chefs des japanischen Baustoffkonzerns Lixil waren am Morgen des 15. Aprils 2015 mit sich und der Welt im Reinen. Man hatte gerade die Übernahme des deutschen Sanitärherstellers Grohe abgeschlossen und 3,1 Milliarden Euro bezahlt für einen jener Markennamen, für die Deutschland im Ausland so beneidet wird. Die Freude über den Coup währte unter den japanischen Managern, bis im Lauf des Tages ein ominöser Brief aus China eintraf. Absender: eine Bankfiliale. Und die Banker hatten Missliches mitzuteilen: Eine chinesische Tochterfirma der Grohe-Beteiligung Joyou AG könne einen Kredit nicht mehr bedienen.

Das überraschte die Japaner. Die chinesische Firma hatte schließlich grundsolide ausgesehen: Gute Wachstumszahlen, eine Finanzholding zum Betrieb der Firma war gar im Jahr 2010 an die Frankfurter Börse gegangen und hatte sich dort ordentlich entwickelt. Auch weil zahlreiche deutsche Anleger in das Papier investierten. Deswegen waren die japanischen Manager um so schockierter, als sie an jenen Folgetagen im April realisierten: Der notleidend gewordene Kredit war nur die Spitze eines Eisbergs. Eine Sonderprüfung fand „wesentliche Abweichungen“ bei Umsatz, Schulden und Barmitteln. Die in Frankfurt notierte Aktie stürzte von 17 Euro auf wenige Cent ab. Binnen weniger Wochen meldete die deutsche Joyou AG, ein Finanzvehikel für die Hongkonger Joyou-Holding mit ihren operativen Töchtern in China, Insolvenz an. Und neben einigen Lixil-Managern hatten vor allem deutsche Aktionäre den Schaden.

Nun prüft die Finanzaufsicht den Verdacht von Marktmanipulation. Eine Untersuchung von Lixil enthüllt fragwürdige Geschäftsmethoden der früheren Grohe-Besitzer Texas Pacific Group (TPG) und Credit Suisse Private Equity (CSPE). Sie scheinen Joyou benutzt zu haben, um Grohe zu verschönern.

Heuschrecken auf Einkaufstour

Im Mai 2004 kauften TPG und die Credit-Suisse-Tochter CSFB (heute: CS Private Equity) Grohe für 1,5 Milliarden Euro. Begleitet von Schlagzeilen über „Heuschrecken“, die einen wackeren Sauerländer Mittelständler zu zerschlagen drohten, machte sich im Auftrag der Fonds ein Sanierer ans Werk: Der neu berufene Chef David Haines entließ knapp ein Viertel der Belegschaft, senkte die Zahl der Produkte um zwei Drittel, halbierte die Zahl der Lieferanten und beschleunigte die Produktion. Operativ schrieb Grohe bald schwarze Zahlen. Doch die Besitzer luden Grohe Schulden von 1,1 Milliarden Euro mit einer jährlichen Zinslast von 80 Millionen Euro auf.

Die Geschichte von Grohe

Das hätte womöglich gut gehen können, wäre den Neueigentümern nicht die Finanzkrise dazwischengekommen. Allzu waghalsige Finanzierungen wurden plötzlich existenzgefährdend, schnelles Wachstum musste her, um die Schuldenlast abtragen zu können. So kamen die Grohe-Investoren offenbar auf eine hübsche Idee: Durch eine Vertriebsvereinbarung mit dem chinesischen Sanitärhersteller Joyou für Grohe-Produkte in China und dessen spätere Übernahme wollten sie Wachstumsfantasie schüren.

Wie alle privaten Firmen in China benötigte Joyou, das vom chinesischen Selfmade-Unternehmer Jianshe Cai und seinem Sohn Jilin gegründet wurde, damals wegen der Finanzkrise dringend liquide Mittel. Dennoch lehnten die Chinesen einen Einstieg von Grohe zunächst ab, weil man die Deutschen als Wettbewerber fürchtete. An diesem Punkt kam China Renaissance Capital Investment ins Spiel. Das Joint Venture von Credit Suisse First Boston und einer Gruppe chinesischer Finanzmanager bot Joyou einen gesicherten Kredit von zehn Millionen Dollar an, der mit Vorzugsaktien bezahlt werden sollte.

Das Angebot galt jedoch nur unter der Bedingung, dass Joyou auch Grohe als Partner akzeptierte. Joyou fügte sich. Der Kredit wurde im Mai 2009 über die Firma Bathware Limited auf den Britischen Jungferninseln abgewickelt. Fünf Monate später zog Grohe nach und erwarb zehn Prozent der Hongkonger Joyou-Holding. Dabei stockte Bathware ihren Anteil an Joyou auf 21 Prozent auf.

Schnell an die Börse

Nur sechs Monate nach dem Grohe-Einstieg ging die deutsche Joyou AG als Finanz-Vehikel für die Hongkonger Joyou-Holding an die Frankfurter Börse. Eine seriöse Prüfung der Bücher der eigentlichen Joyou-Unternehmen auf dem chinesischen Festland war in dieser kurzen Zeit wohl kaum möglich. Doch die Investoren hatten es eilig. Der Verkauf von acht Millionen neuen Aktien brachte der Gesellschaft 105 Millionen Euro ein. Zudem hatte sich der Wert des ursprünglichen Investments von Bathware und Grohe nahezu verdoppelt. Schon 2011 erwarb Grohe eine Mehrheit der Joyou AG und dabei auch die Aktien von Bathware. Diese Credit-Suisse-nahe Firma konnte ihren hohen Gewinn also schnell realisieren.

Dubioses Netzwerk

Den deutschen Aktienzeichnern dagegen wurden in dem Börsenprospekt wichtige Details vorenthalten. Erstens hätten sie nur mit eigener Recherche herausfinden können, dass der Bathware-Investor China Renaissance Capital Investment (CRCI) mit dem Grohe-Investor Credit Suisse zusammenhing. Zweitens hatten CRCI und Grohe laut dem internen Untersuchungsbericht von Lixil während der Prüfung bei ihren Erstinvestments bereits Informationen über Mängel in Controlling, Buchführung und im Finanzmanagement erhalten. Darauf gab es im Prospekt keinen Hinweis. Dort wurde an 28. Stelle einer Risikoliste nur festgestellt, Joyou habe „derzeit kein angemessenes Risiko-Management“.

Das sind Deutschlands erfolgreichste Mittelständler
Platz 20: Schöck AGUmsatz im Geschäftsjahr 2013/2014: 119,0 Millionen Eurodurchschnittliches Umsatzwachstum von 2010 bis 2014: 14,1 Prozentdurchschnittliche Ertragsquote von 2010 bis 2014: 13,3 Prozentdurchschnittliches Ertragswachstum von 2010 bis 2014: 33,1 ProzentDie Unternehmensberatung Munich Strategy Group (MSG) hat die Mittelständler mit dem größten Wachstum bei Umsatz und Erträgen in den letzten fünf Jahren gekürt. Die Top 20 eröffnet die Schöck Aktiengesellschaft aus Baden-Baden, einem Spezialisten für Fertigbauteile zur Wärme- und Lärmdämmung für Tritte.Quelle: Munich Strategy Group: "TOP 100 Ranking des Mittelstands 2015 - Deutschlands Wachstums-und Ertragsstars" Für ihr jährliches Unternehmensranking hat die Unternehmensberatung MGS rund 3.500 Mittelständler mit Umsätzen von 15 bis 600 Millionen Euro analysiert, um daraus die wachstums- und ertragsstärksten Unternehmen herauszufiltern.Das Ranking ergibt sich aus einem Score, der sich aus durchschnittlicher Ertragsquote, durchschnittlichem Ertragswachstum und durchschnittlichem Umsatzwachstum im Zeitraum 2010 bis 2014 ergibt. Ertragsquote und -wachstum fließen mit je 25 Prozent in den Gesamtscore ein, das Umsatzwachstum wird mit 50 Prozent gewichtet. Quelle: Presse
Platz 19: HeinzmannUmsatz im Geschäftsjahr 2013/2014: 72,8 Millionen Eurodurchschnittliches Umsatzwachstum von 2010 bis 2014: 16,1 Prozentdurchschnittliche Ertragsquote von 2010 bis 2014: 10,8 Prozentdurchschnittliches Ertragswachstum von 2010 bis 2014: 36,1 ProzentHeinzmann baut, entwickelt und betreut Verbrennungsmotoren, Generatoren und Turbinen, die etwa in Lokomotiven und Schiffen eingesetzt werden.  Quelle: Screenshot
Platz 18: Vemag Maschinenbau GmbHUmsatz im Geschäftsjahr 2013/2014: 86,5 Millionen Eurodurchschnittliches Umsatzwachstum von 2010 bis 2014: 15,2 Prozentdurchschnittliche Ertragsquote von 2010 bis 2014: 12,6 Prozentdurchschnittliches Ertragswachstum von 2010 bis 2014: 33,1 ProzentDie Vemag Maschinenbau GmbH stellt Maschinen und Geräte für die Nahrungsmittelindustrie her. Dazu zählen Würstchenfüller und Teigportionierer. Einen Schwerpunkt bildet hier die Entwicklung eines Convenience Systems, das dem Anwender ein flexibles System zum Portionieren und Formen von Produkten bietet. Quelle: Presse
Platz 17: Wenglor Sensoric GmbHUmsatz im Geschäftsjahr 2013/2014: 55,9 Millionen Eurodurchschnittliches Umsatzwachstum von 2010 bis 2014: 15,8 Prozentdurchschnittliche Ertragsquote von 2010 bis 2014: 12,6 Prozentdurchschnittliches Ertragswachstum von 2010 bis 2014: 43,9 ProzentWenglor entwickelt, produziert und vertreibt seit 30 Jahren Produkte zur berührungslosen Objekterkennung. Das Produktspektrum umfasst Sensoren, Bildverarbeitungsprodukten, Barcode-Scanner und Sicherheitstechnik. Zu den Kunden zählen kleine und mittelständische Unternehmen wie auch internationale Industriekonzerne. Quelle: Presse
Platz 16: DeloUmsatz im Geschäftsjahr 2013/2014: 57,9 Millionen Eurodurchschnittliches Umsatzwachstum von 2010 bis 2014: 20,0 Prozentdurchschnittliche Ertragsquote von 2010 bis 2014: 15,4 Prozentdurchschnittliches Ertragswachstum von 2010 bis 2014: 21,7 ProzentDas Unternehmen aus Windach bei München ist mit Spezialklebstoffen erfolgreich. So hat Delo etwa ein Verfahren entwickelt, um RFID-Chips zu verkleben. Die elektrischen Signale werden dabei zuverlässig weitergeleitet. Quelle: Presse
Platz 15: HAZET-WERKUmsatz im Geschäftsjahr 2013/2014: 79,0 Millionen Eurodurchschnittliches Umsatzwachstum von 2010 bis 2014: 12,8 Prozentdurchschnittliche Ertragsquote von 2010 bis 2014: 13,0 Prozentdurchschnittliches Ertragswachstum von 2010 bis 2014: 178,6 ProzentDie Hazet-Werk Hermann Zerver GmbH & Co. KG ist ein deutscher Werkzeughersteller mit Sitz in Remscheid. Der Markenname Hazet steht verkürzt für die Anfangsbuchstaben Ha und Zett des Namens des Gründers Hermann Zerver.
Platz 14: Getriebebau NordUmsatz im Geschäftsjahr 2013/2014: 460,0 Millionen Eurodurchschnittliches Umsatzwachstum von 2010 bis 2014: 15,4 Prozentdurchschnittliche Ertragsquote von 2010 bis 2014: 11,6 Prozentdurchschnittliches Ertragswachstum von 2010 bis 2014: 80,2 ProzentDie Getriebebau Nord ist einer der größten Getriebemotoren-Hersteller der Welt. Das Unternehmen ist international für seine mechanische und elektronische Antriebstechnik bekannt. Quelle: Presse

Schon die Verdreifachung des Umsatzes von Joyou in China von 2007 auf 2008 hätte TPG und CSPE eigentlich misstrauisch machen müssen. Nach eigenen Angaben aber erhielt Grohe in den knapp vier Jahren bis zum Verkauf an Lixil keinen Zugang zu den Finanzdaten der Joyou-Firmen. Zugleich verzögerten die Chinesen Zahlungen und ließen sich trotz hoher Barmittel in der Bilanz von der deutschen Joyou neue Kredite bewilligen. Trotzdem stockte Grohe seine Anteile bis zum März 2013 auf 73 Prozent auf.

Zu schön, um wahr zu sein

Wie aber kann es sein, dass die Grohe-Manager ihre chinesische Beteiligung nie richtig unter die Lupe nahmen? Offenbar für den Börsengang in Frankfurt hatte Joyou laut Lixil-Bericht die Zahlen ab 2008 rückwirkend frisiert – die Kosten nach unten, den Ertrag nach oben. Diese manipulierten Zahlen standen dann im Börsenprospekt. Haben die Grohe-Investoren nichts geahnt? Oder wollten sie nichts wissen, weil sich mit der vermeintlichen Wachstumsperle Joyou auch Grohe besser verkaufen ließ? Bei TPG heißt es heute: Von „irgendwelchen Unregelmäßigkeiten“ habe man nichts mitbekommen. Zudem habe Lixil ja auch vor dem Einstieg in die Bücher schauen dürfen, so eine TPG-Sprecherin. Ein Credit Suisse-Sprecher verweist darauf, dass man sich zu vertraulichen Vorgängen nicht äußere.

Die offenen Fragen könnte der langjährige Grohe-Chef Haines beantworten. Doch der gebe dazu „aus aktienrechtlichen Gründen“ keine Interviews, sagt eine Grohe-Sprecherin. Zwar bescheinigt der Untersuchungsbericht Grohe, dass es sich um Reformen bemüht habe. Andererseits: Zwischen 2008 und 2012 erwirtschaftete die Grohe Holding 351 Millionen Euro Verlust. Das Eigenkapital schmolz ebenso wie die Liquidität. Dank Joyou, die auf dem Papier wuchs und gedieh, sah Grohe dennoch wertvoll aus.

Im Juni 2013 begannen TPG und CS Private Equity die Verkaufsauktion für Grohe. Dazu wurde – mehr als drei Jahre nach dem Börsengang von Joyou – endlich eine zweisprachige Person in die chinesische Joyou-Zentrale geschickt, die dort in die Bücher schauen sollte. Das kann Zufall gewesen sein, sollte aber vielleicht auch die Bieter für Grohe beruhigen.

Schließlich erhielt Lixil den Zuschlag. Damit hatte sich das Investment von TPG und CS Private Equity in neun Jahren verdoppelt. Die Schulden wurden an den Käufer weitergereicht. Bei dem Deal dürfte die Joyou AG ein wichtiger Erfolgsfaktor gewesen sein. Allein die Existenz dieser an einer deutschen Börse notierten Firma bestärkte die Japaner in dem Glauben, dass in China alles in Ordnung sei.

Eigentlich müsste Lixil die früheren Grohe-Eigentümer verklagen. Laut eines Sprechers behält man sich das vor. Allerdings gewährte Lixil dem Joyou-Gründer Cai eine Kreditlinie von 300 Millionen Dollar. Eine Klage könnte daher eine Klage der eigenen Aktionäre nach sich ziehen, dem Chinesen leichtfertig Geld geliehen zu haben. Womöglich deswegen schied Lixil-Präsident Yoshiaki Fujimori im Dezember aus. Die Joyou-Firmen in China existieren unterdessen dank Kapitalhilfe der Lokalregierung weiter.

Und David Haines? Er leitete zunächst das das Wassertechnikgeschäft von Lixil. Aber nur wenige Tage nach der Veröffentlichung dieses Artikels in der Printausgabe der WirtschaftsWoche trennte sich Lixil von Haines mit sofortiger Wirkung. Nun berichtet der für Grohe verantwortliche Manager, Michael Rauterkus, direkt an den Lixil-Vorstandschef Kinya Seto ein Schritt, der Entscheidungswege verkürzen, aber auch Verbesserungen in Buchhaltung, Kontrolle und Unternehmensführung schneller implementieren soll.

Einen Zusammenhang von Haines Ausscheiden mit dem Bericht der WirtschaftsWoche schließt eine Sprecherin bei Grohe auf Nachfrage explizit aus. Aber schon zuvor wurde Haines bestraft: Für seine Fehler in Sachen Joyou hatte Lixil ihm drei Monate lang das Gehalt gekürzt.

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