Gute Geschäfte Hugo Chavez und Goldman Sachs - eine unheilige Allianz

Hugo Chavez, Präsident Venezuelas, gibt gern den Kapitalisten-Schreck. Doch in Wahrheit bedient er fleißig Investoren wie Goldman Sachs. Die wiederum sind begeistert. Ein gutes Geschäft für beide Seiten.

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Von seinen Anhängern wird Hugo Chavez wie ein Heiliger vererht. Aus den jüngsten Wahlen in Venezuela ging er als Sieger hervor. Aufgrund einer Krebserkrankung hat er das Amt noch nicht antreten können. Quelle: dapd

Caracas/New York Goldman Sachs steht für Kapitalismus in seiner reinsten, manche sagen auch in seiner brutalsten Form. Hugo Chavez, Präsident Venezuelas, dürfte naturgemäß nicht zu den Freunden der Investmentbank zählen. Doch der Sozialist und die Banker haben mehr gemeinsam, als es den Anschein hat; zumindest haben beide sehr ähnliche Interessen.

Seit Chavez, der ehemalige Offizier und Fallschirmjäger, das Land regiert, hat er mehr als 1.000 Unternehmen verstaatlicht. Sein Ziel: eine sozialistische Revolution. Doch die kostet Geld. Und deshalb ist Chavez auf Investoren aus dem Ausland angewiesen. Die wiederum leihen ihr Geld bereitwillig, erhalten sie dafür doch eine stattliche Rendite. Schließlich liefert Chavez verlässlich.

Investoren, die in seiner Amtszeit in Staatsanleihen des Landes investierten, konnten damit ein kleines Vermögen verdienen. Die Renditen lagen etwa doppelt so hoch wie der Durchschnitt bei Schwellenländer-Bonds.

Die Anleihen aus Venezuela haben seither insgesamt 681 Prozent zugelegt, was einer Jahresrate von 14,7 Prozent entspricht. Investoren von Oppenheimer Funds bis hin zu Goldman Sachs Asset Management haben an dieser Wertsteigerung partizipiert. Sie zählen darauf, dass Chavez einen Teil der Öl-Einnahmen abzwackt und damit regelmäßig seinen Zahlungen nachkommt.

Natürlich haben sich während der Amtszeit von Chavez sich so viele Investoren aus dem Land zurückgezogen, sodass es Venezuela deutlich schwerer hatte, an Geld zu kommen, als andere Entwicklungsländer. Aber die Investoren, die geblieben sind, verdienten umso besser. Chavet hat noch nie eine Bond-Zahlung verpasst.


„Ein wirklich ausgezeichnetes Investment”

„Das ist ein wirklich ausgezeichnetes einkommensstarkes Investment mit hohem Gesamtertrag für ein Portfolio”, sagt Sara Zervos, Managerin für Schwellenländeranleihen bei Oppenheimer Funds in New York. Die Firma verwaltet 176 Milliarden Dollar (130 Milliarden Euro) und investiert seit mehr als zehn Jahren in venezolanische Bonds. „Chavez hat für sein Land nicht viel Gutes getan, aber er verfolgt das Ziel, die Bonds zu bedienen. Wir haben die gleichen Interessen.“

Die Verschlechterung des Gesundheitszustands des 58-Jährigen hat mit dazu beigetragen, dass die Bonds in den vergangenen zwölf Monaten um 41 Prozent auf ein Fünf-Jahres-Hoch hochgeschnellt sind. Am Markt wird darauf spekuliert, dass eine Nachfolgeregierung einige seiner politischen Initiativen rückgängig machen wird, durch die die Ölproduktion gedrosselt worden war. Venezuela verfügt über die weltgrößten Ölreserven.

Chavez, Verbündeter des früheren kubanischen Präsidenten Fidel Castro, hat Landwirtschaftsbetriebe und Energiekonzerne verstaatlicht, und Preisgrenzen für Produkte von Zahnpasta bis Toilettenpapier eingeführt. Er fördert zudem Unternehmen, in denen Arbeitnehmer am Entscheidungsprozess beteiligt sind. Im Jahr 2003 führte er Devisenkontrollen ein und hat die Landeswährung Bolivar seither viermal abgewertet. Mehr als 50 Devisen-Broker wurden 2010 geschlossen, und wer auf dem Schwarzmarkt handelt, dem droht eine Haftstrafe.

Diese Politik hat dazu geführt, dass es zu Engpässen bei allen möglichen Gütern gekommen ist, von Strom angefangen über Zucker und hin zu Rindfleisch. Gleichzeitig verzeichnet das Land die weltweit dritthöchste Inflationsrate und die Bond-Renditen schnellen hoch. Anleihe-Investoren, die die venezolanischen Bonds mit Bewertungsabschlägen gekauft haben, interessiert das allerdings wenig.


„Wir müssen uns also keine Sorgen machen.“

Chavez konnte es sich nicht zuletzt dank der steigenden Ölpreise leisten, den Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Der Preis für ein Barrel Rohöl schnellte von 12 Dollar in 1998 auf derzeit etwa 97 Dollar hoch. Die Regierung wird in diesem Jahr mit Öl-Exporten etwa 81 Milliarden Dollar einnehmen - das ist das das Zehnfache der fälligen Anleihezinsen und Tilgungen, wie aus Zahlen der Citigroup hervorgeht

Die Netto-Staatsverschuldung ist laut Standard & Poor's mit 22 Prozent des Bruttoinlandsprodukts deutlich niedriger als das Niveau vergleichbarer Länder, das bei 36 Prozent liegt.

„Die Lage verschlechtert sich zwar, Venezuela wird aber weiterhin seine Anleihen bedienen“, sagt Sam Finkelstein, Schwellenland-Bondsmanager bei Goldman Sachs Asset Management in New York. „Es müsste deutlich schlimmer werden, damit ein Ausfall wahrscheinlicher wird.“ Finkelstein investiert seit mehr als 15 Jahren in venezolanische Bonds.

Chavez hat Bonds zwar als Werkzeug der USA bezeichnet, um Venezuela auszubeuten, gleichzeitig aber stets die Verpflichtungen erfüllt. Und das selbst als ein Streik 2003 die Öl-Industrie für drei Monate lahmlegte und die Wirtschaft in dem Jahr um 7,6 Prozent schrumpfen ließ.

Diese Zahlungen erfolgen nach Ansicht von Simon Nocera, einem früheren Volkswirt des Internationalen Währungsfonds (IWF), auch deswegen, weil die Gläubiger sonst die Öl-Lieferungen des Landes beschlagnahmen lassen könnten. Und diese sorgen für 50 Prozent der Staatseinnahmen Venezuelas. Die Bond- Investoren könnten auch erwirken, dass venezolanische Vermögenswerte im Ausland eingefroren werden, wie beispielsweise Raffinerien und die US-Tankstellenkette Citgo Petroleum, die zum staatlichen Ölkonzern Petroleos de Venezuela SA (PDVSA) gehört.

„Chavez haut auf die Pauke, aber er wird sich niemals dazu hinreißen lassen, zu sagen, dass die Anleihen umgeschuldet werden“, sagt Nocera, der jetzt Chief Investment Officer bei Lumen Advisors ist. „Denn er weiß, wenn er das täte, kann er das einzige Produkt nicht mehr verkaufen, das sein Überleben garantiert. Wir müssen uns also keine Sorgen machen.“

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