Haushaltskrise „Japan wird nicht bis 2020 überleben"

Der Internationale Währungsfonds prognostiziert einen enormen Anstieg von Japans Staatsverschuldung. „Es wird zu einer Finanzkrise kommen“, meint Experte Takeshi Fujimaki. Trotz der Hiobsbotschaften hat Japan einen Plan.

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Ein Man sitzt am Ufer in der Nähe des Hafens in Tokio. Japan leidet derzeit unter einer enormen Staatsverschuldung. Quelle: Reuters

Tokio Takeshi Fujimaki hält eine Haushaltskrise in Japan für unausweichlich. Weder eine Anhebung der Mehrwertsteuer noch die Olympischen Spiele 2020 können das aufhalten, sagte der ehemalige Berater von Milliardär George Soros, der nun Mitglied des japanischen Oberhauses ist.

„Ich habe mich dazu entschlossen, Politiker zu werden, denn ich denke, es wird früher oder später zu einer Finanzkrise kommen“, erklärte Fujimaki letzte Woche im Interview mit Bloomberg News. „Die Gesamtverschuldung wird weiter steigen. Ich denke nicht, dass Japan bis 2020 überleben kann.”

Die Rendite der japanischen Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit wird seiner Einschätzung nach auf 70 Prozent in die Höhe schießen - basierend auf der Entwicklung in Russland, als das Land im Jahr 1998 Anleihen nicht mehr bediente. Die Rendite der japanischen Benchmark-Anleihe ist derzeit mit 0,68 Prozent die niedrigste der Welt, und die Kosten zur Absicherung gegen einen Zahlungsausfall liegen nahe einem Viermonatstief bei 62 Basispunkten.

Bevor Ministerpräsident Shinzo Abe im Dezember wieder an die Macht kam, entwarf seine Liberaldemokratische Partei 2011 einen als Projekt „X-Day“ bekannten Plan, mit dem ein möglicher Zusammenbruch am Anleihemarkt verhindert werden soll. Die öffentliche Verschuldung belief sich in dem Jahr auf 924,4 Billionen Yen (6,9 Billionen Euro) und ist seither auf über eine Billiarde Yen angeschwollen - ein globaler Rekord.

„Es ist unausweichlich, dass es zu einem riesigen Schlamassel kommen wird“, sagte Fujimaki, der beim Wahlgang am 21. Juli für die Partei der Restauration Japans ins Oberhaus gewählt wurde.

Mit seiner als „Abenomics“ bezeichneten Wirtschaftspolitik will der Ministerpräsident die seit 15 Jahren währende Deflation im Lande überwinden. Seine Politik setzt auf die „drei Pfeile“ Konjunkturpakete, wachstumsfördernde Reforminitiativen und geldpolitische Lockerung.


Steuervergünstigungen für Unternehmen nur eine Maßnahme

Die japanische Notenbank will die Inflationsrate innerhalb von zwei Jahren auf zwei Prozent treiben. Um das Ziel zu erreichen, kauft die Bank of Japan monatlich heimische Staatsanleihen im Wert von mehr als sieben Billionen Yen auf. Im August lagen die Verbraucherpreise ohne Berücksichtigung von frischen Lebensmitteln 0,8 Prozent über dem Vorjahresniveau. Das war die höchste Teuerungsrate seit 2008.

„Da die Bank of Japan enorme Volumina an japanischen Staatsanleihen aufkauft, sind die Grundsätze des Marktes in diesem Land außer Kraft gesetzt“, erklärte Fujimaki, der Vorstandsmitglied bei der Firma Morgan Guarantee Trust in Tokio war, die später vom Kreditinstitut JPMorgan Chase übernommen wurde. „Die geldpolitische Lockerung schafft eine Blase bei den japanischen Bonds. Früher oder später wird der Markt das Kreditrisiko widerspiegeln.“

Der Internationale Währungsfonds erwartet, dass Japans Staatsverschuldung in diesem Jahr auf 245 Prozent der Wirtschaftsleistung klettern wird. Das Land wird für den Schuldendienst in dem seit April begonnenen Haushaltsjahr 22,2 Billionen Yen zahlen müssen, geht aus einer Schätzung des Finanzministeriums vom Januar hervor. Das entspricht den Angaben zufolge mehr als der Hälfte der Steuereinnahmen und macht etwa 24 Prozent des Haushalts aus.

Tokio hat Madrid und Istanbul im Rennen um die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2020 ausgestochen. Das Olympische Komitee entschied am 7. September, dass die Spiele erstmals seit 1964 wieder in der japanischen Hauptstadt abgehalten werden sollen. Zu dem Zeitpunkt werde das Land bereits seine Finanzkrise hinter sich haben und wieder im Aufschwung sein, erwartet Fujimaki.

„Die Olympischen Spiele starten genau dann, wenn die Wirtschaft boomt“, erklärte er. In dieser konjunkturellen Wachstumsphase seien dann bei den zehnjährigen Anleihen „eine Rendite von fünf, vielleicht sechs Prozent ein angemessenes Niveau.“


Konjunkturpaket über 38 Milliarden Euro soll greifen

Noch leidet das Land unter der immensen Staatsverschuldung. Die japanische Regierung hat sich deshalb zu einer Erhöhung der Mehrwertsteuer durchgerungen. Die Folgen für die Wirtschaft sollen aber mit einem Konjunkturpaket über umgerechnet 38 Milliarden Euro abgefedert werden. Dies geht aus dem endgültigen Entwurf der Regierungspläne hervor, der Reuters am Montag vorlag. Die Neuerungen sollen am kommenden Dienstag bekanntgemacht werden.

Dem Papier zufolge soll die Mehrwertsteuer im April auf acht von bislang fünf Prozent angehoben werden. Mit dem aktuellen Satz hat Japan gemeinsam mit Kanada die niedrigste Verbrauchsteuer aller Staaten in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Die Erhöhung ist der erste Versuch einer japanischen Regierung seit mehr als 15 Jahren, die galoppierende Staatsverschuldung in den Griff zu bekommen. Gemessen an der Wirtschaftsleistung hat das Land den höchsten Schuldenberg aller Industrienationen aufgetürmt.

Die in dem Entwurf aufgelisteten Vorhaben wurden größtenteils bereits erwartet. Eine wichtige Ausnahme gibt es allerdings: Es fehlt der Hinweis auf mögliche Senkungen der Unternehmenssteuer in der Zukunft. Dies geschah offenkundig auf Drängen des Finanzministeriums, das sich damit gegen Wirtschaftsminister Akira Amari durchsetzte.

„Wir werden die Krise nicht verhindern können, indem wir die Verbrauchssteuer anheben“, sagte Fujimaki. „Die Unternehmenssteuern sollten gesenkt werden, damit japanische Unternehmen im globalen Wettbewerb bestehen können.“ Er sagt einen Zahlungsausfall Japans seit mindestens 2009 voraus.

Allerdings winkt den Firmen eine Reihe anderer Erleichterungen, die der Konjunktur weiter auf die Sprünge helfen sollen. Vorgesehen sind Steuervergünstigungen für Investitionen und ein früheres Auslaufen der sogenannten Wiederaufbausteuer für Unternehmen, die nach dem verheerenden Tsunami 2011 eingeführt wurde. Hinzu kommen Gelder für staatliche Bauprojekte im Vorfeld der Olympischen Spiele in Tokio 2020. Diese Wirtschaftshilfen summieren sich bislang auf fünf Billionen Yen. Am Ende könne der Betrag sogar noch etwas höher ausfallen, sagte eine mit den Plänen vertraute Person.

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