Hedgefonds wetten auf fallende Kurse Eigentor für Wirecard-Zocker

Zocken wie „The Wolf of Wall Street“? Vor gut einem halben Jahr attackierten Spekulanten die Aktie des Zahlungsabwicklers, der Kurs von Wirecard brach drastisch ein. Doch die Lage hat sich komplett gedreht.

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Leonardo DiCaprio als Jordan Belfort in einer Szene des Kinofilms „The Wolf of Wall Street“. Der aus einfachen Verhältnis stammende Börsenmakler wollte schnell reich werden, was aber nicht funktionierte. Bei der Wirecard-Aktie dürften viele Hedgefonds auch nicht reich werden, sondern Verluste erzielen. Quelle: dpa

In der Sportlersprache war es eine Einladung zum Elfmeter – zumindest für Spekulanten: Das bislang völlig unbekannte Analysehaus „Zatarra Research“ wirft Anfang März 2016 dem Zahlungsabwickler Wirecard betrügerisches Geschäftsgebaren vor. Als Folge bricht die Aktie, die zu den wertvollsten Unternehmen im Technologieindex TecDax gehört, um rund ein Viertel ein. Während die Anteilseigner innerhalb eines Handelstages einen Verlust von insgesamt rund 1,3 Milliarden Euro verkraften müssen, erzielen sogenannte „Leerverkäufer“ aus solchen Aktionen hohe Gewinne.

Deren Vorgehensweise: Sie leihen sich bei anderen Marktteilnehmern – vor allem bei Fonds - Dividendenpapiere, um diese sofort wieder zu verkaufen. Sinkt der Aktienkurs wie geplant, können die im Fachjargon auch als „Shortseller“ bezeichneten Investoren die Titel später zu einem verbilligten Kurs zurückkaufen und dem Verleiher zurückgeben. Die Differenz zwischen dem Verkaufs- und dem gesunkenen Rückkaufskurs streichen die Leerverkäufer als Profit ein.

Die Hintermänner der dubiosen Analystenstudie mit dem „Kursziel null“ bleiben unbekannt. Allerdings hatten damals neben mehreren angelsächsischen Hedgefonds zuletzt etwa das „Canada Pension Plan Investment Board“ auf fallende Wirecard-Kurse gesetzt – also die kanadische Rentenkasse. Doch wie viel diese „Shortseller“ mit ihren Aktionen verdienen, bleibt ein gut gehütetes Geheimnis der verschwiegenen Investoren.

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Doch aus der Einladung zum Elfmeter ist mittlerweile ein Eigentor geworden. Denn laut den Daten des Finanzdienstleisters Markit vom 22. August 2016, die dem Handelsblatt vorliegen, beträgt der Anteil der leer verkauften Papiere immer noch 15,4 Prozent von den im Streubesitz befindlichen Aktien. Bei einer Marktkapitalisierung von 5,3 Milliarden Euro und einem Anteil der frei verfügbaren Aktien in Höhe von 93 Prozent setzt immer noch ein Kapital von mehr als 750 Millionen Euro auf fallende Kurse.

Das Problem für die Zocker: Die Aktie fällt nicht, sondern ist seit der Attacke Anfang März dieses Jahres wieder deutlich gestiegen. Von einem Tiefpunkt von 29,40 Euro im März auf mittlerweile auf 45 Euro – ein Plus von mehr als 30 Prozent.


Wie der Leerverkauf funktioniert

Allein am Dienstag stieg die Aktie beflügelt von einem Analystenlob um bis zu 6,5 Prozent auf ein neues Sieben-Monats-Hoch. Die Großbank Barclays stufte die Titel auf „Overweight“ von „Equal Weight“ hoch und erhöhte das Kursziel auf 58 von 48 Euro. Auch vom Allzeithoch in Höhen von 48,96 Euro ist das Wertpapier nicht mehr weit entfernt.

Und die Aussichten auf weitere Gegentore für die Spekulanten, also weitere Kurssteigerungen, sind gut. Laut dem Handelsblatt-Analystencheck haben von 36 Experten seit Ende Mai 2016 insgesamt 34 Analysten Wirecard zum Kauf empfohlen, die restlichen zwei bewerten die Aktie mit „Neutral“. Das durchschnittlich gewichtete Kursziel, bei dem aktuelle Studien höher bewertet werden als ältere, aller 36 Analysen liegt bei 55,45 Euro und damit rund zehn Euro über dem aktuellen Kurs.

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Diese Situation setzt die Spekulanten mächtig unter Druck. Nicht nur, dass mit steigenden Kursen die Verluste immer größer werden. Sie müssen auch, um das Minus nicht zu groß werden zu lassen, irgendwann das Papier des Zahlungsabwicklers wieder kaufen und an den Verleiher zurückgeben (siehe Grafik „So funktionieren Leerverkäufe“). Diese neuen Käufe könnten den Kurs des Wirecard-Papiers kräftig in die Höhe schnell lassen – was den Druck auf die übriggebliebenen Shortseller noch zusätzlich verstärkt.

Die Namen der Spekulanten sind bekannt. Denn in der EU müssen Investoren den Regulierern melden, wenn sie mehr als 0,2 Prozent des Aktienvolumens eines Unternehmens für Leerverkäufe halten. Überschreitet die Order 0,5 Prozent des Volumens wird dies publik gemacht – in Deutschland ist das dann dem Bundesanzeiger zu entnehmen.

Derzeit veröffentlicht der Bundesanzeiger die Namen von neun Hedgefonds, die auf fallende Kurse bei Wirecard setzten – insgesamt mit einem Anteil von mehr als zehn Prozent der frei verfügbaren Aktien.

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