Hochfrequenzhandel

"Der unregulierte Wertpapierhandel gehört verboten"

Der Finanzausschuss des Bundestages befragt heute Vertreter von Banken, Börsen und Aufsichtsbehörden zu einem Gesetzentwurf, der künftig superschnelle Börsenhändler besser regulieren soll. Der Stuttgarter Börsen-Vorstand Christoph Boschan ist in Berlin dabei. Er fordert von den Politikern „eine umfassende Re-Regulierung des Finanzmarktes“.

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Risiken für Anleger minimieren - In Zukunft soll der Hochfrequenzhandel an der Börse besser reguliert werden Quelle: dpa

Im Bundestag geht es heute um einen Gesetzentwurf „zur Vermeidung von Gefahren und Missbräuchen im Hochfrequenzhandel“. Hinter dem sperrigen Titel verbergen sich neue Regeln, die die Risiken des elektronischen Wertpapierhandels eindämmen sollen. Zwar übermitteln Börsianer schon lange ihre Aufträge elektronisch. Allerdings begann vor zehn Jahren eine Entwicklung, die vor etwa fünf Jahren zum Massenphänomen wurde: Nicht nur die technische Abwicklung eines Wertpapierauftrags, sondern auch die Entscheidung zu seiner Erteilung wird heute zu großen Teilen von Computern gesteuert.

Man spricht dabei vom „algorithmischen Handel“, bei dem Computer nach zuvor programmierten Handlungsanweisungen selbstständig Käufe und Verkäufe auslösen. Besondere öffentliche Aufmerksamkeit hat der Teilbereich des algorithmischen Handels erlangt, der massenhaft und binnen Sekundenbruchteilen Aufträge an die Börsen schießt – der sogenannte „Hochfrequenzhandel“.

Risiken des Hochfrequenzhandels

Der breiten Öffentlichkeit wurden die Risiken des algorithmischen Hochfrequenzhandel im Mai 2010 bewusst, als ohne jede fundamentale Nachricht der US-Index Dow Jones durch den sogenannten Flash-Crash in kürzester Zeit um rund zehn Prozent einbrach. Im März 2012 scheiterte dann der Börsengang der Firma BATS Global Markets, selbst Anbieter von Handelsplattformen, an der eigenen Handelstechnik. In nur 500 Millisekunden verloren die Aktien 99 Prozent ihres Wertes. Beim jüngsten prominenten Vorfall im August 2012 fuhr der größte amerikanische Aktienhändler, die Knight Capital Group, durch fehlerhafte Computersoftware einen Verlust von 440 Millionen US-Dollar ein. Auch wenn die europäischen und insbesondere die deutschen Märkte aufgrund anderer technischer Voraussetzungen bislang keine Vorfälle dieser Größenordnung aufzuweisen haben: Anleger müssen sich darauf verlassen können, dass Preise für ihre Papiere ordnungsgemäß, fair und marktgerecht ermittelt werden. Das ist auch hierzulande eine drängende ordnungspolitische Grundsatzfrage.

10 Tipps für Börseneinsteiger

Der in der heutigen Anhörung behandelte Gesetzentwurf versucht die Probleme zumindest teilweise anzugehen. Im Kern sollen Händler im Gegensatz zu heute künftig eine spezielle Erlaubnis brauchen, wenn sie an Wertpapiermärkten mit mathematisch programmierten Algorithmen handeln wollen, die Aufträge eigenständig und in Millisekunden an Börsen erteilen. Sowohl die Börsenbetreiber wie auch die Handelsteilnehmer müssen zudem für ein angemessenes Verhältnis zwischen den erteilten und den ausgeführten Aufträgen sorgen. Bislang kommt es zu wahnwitzigen vielen Ordereinstellungen durch Händler, verglichen mit deren Ausführungen. Hier werden die Börsenbetreiber künftig gefordert sein.

Strafbare Marktmanipulation

Mit diesen Werten zocken Anleger am liebsten
15. PlatzDie Commerzbank-Aktie liegt wie Blei in vielen Depots. Viel Freude hatten die Aktionäre in den vergangenen Monaten und Jahren nicht mit den Papieren. Auch die Kursgewinne der vergangenen Wochen ändern daran wenig. Trotzdem oder gerade deshalb gehört die Commerzbank zu den beliebtesten Basiswerten der Zertifikate-Anleger. Mit einem Volumen von 13,5 Millionen Euro wurden an der Stuttgarter Börse Commerzbank Faktor 4x Short DAXF Indizes ge- und verkauft. Das reicht für Platz 15 der beliebtesten Basiswerte, die im September an der Stuttgarter Börse gehandelt wurden. Quelle: Börse Stuttgart Quelle: dpa
14. PlatzAuch die Bayer-Aktie zog zuletzt kräftig an. Seit Juli ist das Papier kontinuierlich im Wert gestiegen. Von den Kursgewinnen wollten auch viele Zertifikate-Anleger profitieren. Sie handelten Papiere mit Basiswert Bayer für 15,5 Millionen Euro. Quelle: AP
13. PlatzIm August brach bei BMW der Neuwagenverkauf um 13,5 Prozent ein. Das belastete auch den Kurs der Aktie. Dennoch waren die Papiere zuletzt bei den Anlegern gefragt. Zertifikate mit Basiswert BMW wurden mit einem Volumen von 19,1 Millionen Euro gehandelt. Quelle: dapd
12. PlatzEntgegen ihrer Ankündigung wird die Commerzbank wohl auch für das Geschäftsjahr 2013 keine Dividende an ihre Aktionäre auszahlen. Deutschlands zweitgrößtes Geldhaus plagen vor allem Probleme im Kreditgeschäft. Zertifikate-Anleger stört das weniger. Sie zockten trotzdem kräftig mit Papieren auf Deutschlands zweitgrößte Bank. Im September wurde der Basiswert Commerzbank an der Börse Stuttgart mit einem Volumen von 21,5 Millionen Euro gehandelt. Quelle: dpa
11. PlatzObjekt der Begierde vieler Anleger war im September auch Silber. Sie kauften und verkauften Papiere mit Basiswert Silber im Volumen von 22,8 Millionen Euro. Quelle: dpa
10. PlatzAnfang Juni war ein günstiger Zeitpunkt, um Aktien der Telekom zu kaufen. Seither hat das Papier rund 20 Prozent zugelegt. Im September war der Bonner Konzern auch bei Zertifikate-Anlegern gefragt. Sie kauften und verkauften den Basiswert Telekom in Höhe von 23,1 Millionen Euro. Quelle: dapd
9. PlatzDie Pkw-Absatzkrise in Deutschland macht auch Volkswagen zu schaffen. Doch was hierzulande schlecht läuft, klappt in den USA umso besser. Dort verbuchen die Wolfsburger Verkaufsrekorde. Ähnlich gefragt wie VW-Fahrzeuge in Übersee, war im September der Wolfsburger Konzern bei Anlegern. Sie kauften und verkauften Zertifikate auf die Aktie im Volumen von 26,2 Millionen Euro. Quelle: rtr

Weitere Vorschriften für die Handelsteilnehmer sollen sicherstellen, dass von ihren eingesetzten Computerprogrammen keine Gefahr ausgeht. Bestimmte Handelspraktiken von Computern werden zukünftig als strafbare Marktmanipulation gewertet. Als wichtiger Eckpfeiler werden nicht zuletzt auch die Rechte der Aufsicht gestärkt. Im Großen und Ganzen handelt es sich daher um einen sinnvollen Gesetzesvorschlag 

Dennoch muss die Gesamtbewertung zwiespältig ausfallen. Schließlich ist das Gesetz auch in den Gesamtzusammenhang der Re-Regulierung des Finanzmarktes zu setzen. Die Politik hatte das Ziel, mehr Konkurrenz an den Märkten zuzulassen. Dadurch jedoch ist viel Geschäft von regulierten Börsen an unregulierte, außerbörsliche Märkte abgewandert. In dieser Hinsicht weist das Gesetz die gleiche Unzulänglichkeit auf wie die meisten Gesetze zur Aufarbeitung der Finanzkrise: Einzelne, durchaus richtig erkannte Probleme werden lediglich punktuell reguliert. Der bessere Ansatz wäre eine umfassende Re-Regulierung des Finanzmarktes. Für eine ordnungsgemäße Preisfeststellung an Märkten hieße das, zum Zustand vor der De-Regulierung in der ersten Hälfte der 2000er Jahre zurückzukehren.

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Rückkehr zu regulierten Märkten

Hierfür müsste das heute behandelte Gesetz nicht nur das Teilproblem des algorithmischen Handels und des Hochfrequenzhandels angehen, sondern den Wertpapierhandel generell wieder an Regulierte Märkte zurückholen. Denn die Risiken in der Ermittlung von Marktpreisen werden nicht nur durch den algorithmischen Hochfrequenzhandel verursacht.

Auch die Marktstrukturen selbst sind mitverantwortlich. So ist es etwa auch weiterhin zulässig, die Aufträge privater Anleger im außerbörslichen, unregulierten Handel auszuführen – ohne Handelsüberwachung, ohne öffentlich-rechtliche Preisfeststellung, ohne Transparenz über das Handelsgeschehen. Für professionelle Marktteilnehmer, die sich selbst schützen können, mögen diese Rahmenbedingungen unproblematisch sein.

Um Privatanleger zu schützen, wäre jedoch ein Verbot angebracht, ihre Aufträge im außerbörslich unregulierten Bereich auszuführen. Insofern bleibt zu hoffen, dass der politische Wille ausreicht, nicht auf halbem Weg stehenzubleiben. Dann lässt sich das geplante Hochfrequenzhandelsgesetz als Ausgangspunkt einer umfassenden Re-Regulierung des Wertpapierhandels zugunsten derjenigen nutzen, denen die Finanzmarktordnung schließlich dienen soll – den Bürgerinnen und Bürgern.

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