Hochfrequenzhandel Blitztrader zocken mit dem Geld normaler Sparer

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Wie man die Flash Boys austrickst

Die schwärzesten Börsentage aller Zeiten
Farbenprächtig blühende Tulpen im Erholungspark Britzer Garten in Berlin Quelle: dpa/dpaweb
Strände Neukaledoniens - hier «Kuto Bay» Quelle: dpa-tmn
Broker stehen am 25. Oktober 1929 in der New Yorker Boerse waehrend des Boersenkrachs, der die Weltwirtschaftskrise einleitete ('Schwarzer Freitag'). Quelle: AP
Blick auf das leere Autobahnkreuz Duisburg-Kaiserberg. Wegen der Ölkrise wurde am 02.12.1973 zum zweiten Mal ein sonntägliches Fahrverbot verhängt Quelle: dpa
Hektisches Treiben in der Aktienbörse in Frankfurt (Hessen) Quelle: dpa
United Airlines planes arrive at Denver International Airport in Denver Quelle: REUTERS
 Boris Jelzin, links, neben Alexander Korschakow Quelle: AP

Weil die Flash Boys immer schneller werden, müssen andere langsamer werden. Orders werden, um die Hochfrequenzhändler abzublocken, absichtlich verzögert. Die Investmentbank Goldman Sachs etwa, die für große Fonds als Broker arbeitet, kann Orders von einem Ort in der Nähe von London binnen sechs Millisekunden auf das deutsche Xetra-System jagen.

Nach Madrid braucht eine Order aber schon 31 Millisekunden. Schickt der Broker zwei Orders für die gleiche Aktie an beide Börsen, käme die in Madrid also 25 tausendstel Sekunden später an – eine halbe Ewigkeit für Hochfrequenzhändler.

Deren Programme erkennen Nachfrage nach der Aktie in Frankfurt und ziehen deshalb in Madrid den Preis nach oben – indem sie vorkaufen oder günstige Angebote stornieren. „Allein, weil ein Auftrag an einer Börse ausgeführt worden ist, verschwinden die Angebote für diese Aktie an den anderen Börsen. Wenn man nicht selber die Hochfrequenz-IT hat, ist man maßlos unterlegen“, sagt der Chefhändler des Frankfurter Fondshauses.

Seine Abwehrstrategie: „Unsere Broker drosseln unsere Orders und versuchen, dass alle Teilaufträge gleichzeitig an den verschiedenen Börsen eintreffen“, sagt er. So fehlt den Flash Boys die Zeit, auf die über mehrere Börsen verteilten Orders zu reagieren – und die Fonds können ihre Papiere zum aktuellen Preis kaufen.

"Der Hochfrequenzhandel kostet uns Geld"

Eine Zeit lang geht das gut. „Ich versuche, so lange wie möglich unter dem Radarschirm zu fliegen, aber nach 30 bis 45 Minuten weiß der Markt, dass da eine große Order unterwegs ist“, sagt einer, der bei einem milliardenschweren Vermögensverwalter das globale Aktiengeschäft verantwortet.

Von Ultra oder Core der Deutschen Börse hat er noch nie etwas gehört. Seine Aufträge platziert er bei Brokern, die werden ihm schon günstige Preise organisieren, hofft er. Immerhin: Er kontrolliert sie, vergleicht, an welchem Platz es die besten Kurse gab und zu welchen er mit Aktien bedient worden ist. Arbeitet ein Broker schlecht, bekommt er keine Aufträge mehr und damit auch keine Provision.

Befürworter des Hochfrequenzhandels sagen, dass die Flash Boys Liquidität bringen – Angebot und Nachfrage, die letztlich zu günstigeren Kursen führen. Der Chefhändler des großen Fondshauses ist da skeptisch: „Wenn einer verdient, muss ein anderer abgeben – daher denke ich, dass der Hochfrequenzhandel uns Geld kostet.“

Wie viel Geld, das hat der vorläufige Wertpapierprospekt von Virtu Financial offenbart. Allerdings: Dass der extrem profitable Hochgeschwindigkeitshändler überhaupt an die Börse geht, Gewinne also plötzlich mit anderen Anlegern teilen will, könnte auch ein Signal für aufkommende Probleme der Flash Boys sein.

Geld wird Virtu nicht gebraucht haben. Eine andere Vermutung liegt näher: Das Geschäftsmodell hat seine besten Zeiten hinter sich, die Eigner wollten noch schnell via Börsengang abkassieren.

Tatsächlich wird der Markt, nachdem immense Gewinne viele neue Hochfrequenzhändler angelockt haben, zunehmend härter. Weil große Aufträge abseits der Börsen abgearbeitet werden, könnte den Algorithmen das Futter ausgehen.

Khartchenko von Intel hat tatsächlich in letzter Zeit Kunden gesehen, die sich zurückgezogen haben. „Einige Hochfrequenzhändler mussten in der Vergangenheit einen Gewinneinbruch hinnehmen, nachdem viele neue Spieler in den Markt gekommen sind und der Wettbewerb größer wurde“, sagt er.

Hinzu kommt, dass der technische Fortschritt ausgereizt scheint. Khartchenko erwartet in Sachen Schnelligkeit „vorerst keine Revolution mehr, dafür einige Verbesserungen“. Cumberland von Colt sagt, dass die Grenzen der Physik bald erreicht sein dürften. „Wir kommen den theoretisch schnellsten Verbindungen bereits sehr nahe“, sagt Cumberland. Schneller als Licht geht eben nicht.

So sind auch an der Frankfurter Börse der Anteil des Hochfrequenzhandels am Gesamtumsatz und die Zahl der Kunden, die ihre Rechner nahe der Börse aufstellen, zurückgegangen. Offenbar stoßen die ersten Flash Boys an ihre Grenzen. Immerhin ein Hoffnungsschimmer: Auf Dauer gibt es eben doch keinen Gratis-Lunch – auch nicht an der Börse.

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