Höhere Bewertung Amazon übertrumpft Wal-Mart - aber nur an der Börse

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Amazon-Anleger riskieren mehr

Höhenflüge, wie der der Amazon-Aktie, können jäh enden, vor allem wenn der Aktienkurs wie hier in nur kurzer Zeit sehr stark gestiegen ist. Nur eine kleine Enttäuschung bei den Geschäftszahlen oder Management-Entscheidungen dürfte genügen, um Gewinnmitnahmen auszulösen und das Papier an der Börse wieder auf Talfahrt zu schicken. Das bedeutet zwar nicht, dass die Aktie kein Potenzial mehr hat.

Im Gegenteil liegen Aufwärts- und Rückschlagpotenzial eng beieinander, das zeigt der Geschäftsausblick des Online-Händlers. Im dritten Quartal rechnet Amazon mit einem Umsatzplus von 13 bis 24 Prozent, operativ dürfte es bestenfalls einen Gewinn von 70 Millionen Dollar geben. Es sei aber auch ein Verlust von maximal 480 Millionen Dollar möglich.

Was Gewinnkennzahlen aussagen, welche taugen

Wal-Mart ist fairer bewertet

Angesichts der schmalen Gewinne im Vergleich zu Wal-Markt ist die Aktie aber aktuell hoch bewertet. Ein Indiz dafür bieten ein paar Kennzahlen wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), der Quotient aus Aktienkurs und Gewinn je Aktie. Bei Amazon liegt das KGV auf Basis der Gewinnschätzung für 2015 noch bei mehr als 1000, bei Wal-Mart liegt es bei 17. Je niedriger der Wert, umso kaufenswerter ist die Aktie für erfahrene Investoren. Erfahrene Investoren betrachten Aktien mit einem KGV von zehn oder weniger als Schnäppchen.

Langfristig orientierte Investoren achten auf die Kennzahlen

Auch wenn Amazon das Zeug dazu hat, seine Gewinne bei geringeren Investitionen rasant zu steigern, ist die Börsenbewertung ehrgeizig. Am Freitagnachmittag gab der Amazon-Kurs auch schon wieder nach. Auch die Wal-Mart-Aktie ist nicht billig. Aber die Aktie ist weniger von Hoffnung als von langjährigen und stabilen Geschäftserfolgen getrieben. Zudem schüttet Wal-Mart im Gegensatz zu Amazon eine jährliche Dividende aus und hat im Verhältnis zum Aktienkurs den höheren Cashflow.

Value Investoren, die traditionell auf niedrig bewertete Unternehmen mit solidem Geschäftsmodell setzen, werden daher eher bei Wal-Mart investieren. Sie orientieren sich am fairen Wert einer Aktie, der unter anderem am Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) erkennbar ist. Grob vereinfacht unterstellt das KBV, das im Falle einer Unternehmenskrise zumindest immer das Eigenkapital als Vermögenswert übrig bleibt, der Buchwert also als Untergrenze des realen Unternehmenswertes fungiert. Das KBV stellt den Aktienkurs in das Verhältnis zu diesem Buchwert dar. Je niedriger das KBV, umso billiger ist die Aktie. Bei Amazon liegt dieser Wert bei 13, Wal-Mart kommt gerade mal auf drei.

Starke Schwankungen bei Amazon, Langeweile bei Wal-Mart

Anhand der harten Zahlen ist also Wal-Mart sicher das wertvollere Unternehmen, bietet allerdings weniger Aufwärtspotenzial - was unter anderem die gescheiterte Expansion nach Deutschland vor einigen Jahren deutlich gemacht hat. Somit ist Amazon die spekulativere und riskantere Anlage mit reichlich Zukunftschancen, Wal-Mart hingegen eher für konservative Anleger, die keine Überraschungen, dafür aber stabile Gewinne und Dividenden lieben.

Längerfristig, wissen erfahrene Investoren, orientieren sich die Aktienkurse ohnehin an den sogenannten Fundamentaldaten, also harten Geschäftszahlen wie Umsatz, Gewinn, Dividende oder Gewinnmarge. Kurzfristig bestimmt jedoch vornehmlich die Psychologie den Aktienkurs, also zum Beispiel Optimismus oder die Angst, Kursgewinne zu verpassen. So betrachtet ist bei der Börsenbewertung von Amazon derzeit sehr viel Psychologie im Spiel, während Wal-Mart-Papiere vor allem vom erfolgreichen, etablierten Geschäft und der erreichten Marktposition profitieren.

Beiden Aktien kommt dabei zugute, dass sich Anleger angesichts von Zinstief und Notenbankgeldschwemme auf Aktienanlagen konzentrieren und Konsumgüter relativ unempfindlich gegenüber konjunkturellen Schwankungen sind. Beide Papiere sind daher attraktiv, allerdings für unterschiedliche Anlageziele und vor allem Anlagetypen interessant. Darüber sagt der hohe Börsenwert leider nichts aus.

Mit Material von Reuters

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