Hunger auf „CoCos“ Investoren kaufen Zwangswandelanleihen

Banken kommen mit Zwangswandelanleihen schnell an frisches Kapital, sie gelten als „Rückversicherung für Katastrophen-Szenarien. Experten rechnen mit Deutsche-Bank-Papieren noch vor dem Sommer.

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„CoCos sind für Banken und Regulierer eine Art Rückversicherung für Katastrophen-Szenarien“, so Marcus Schulte, Verantwortlich für das Fremdkapital von Banken bei Credit Suisse in Europa. Quelle: dpa

Frankfurt Sieben Prozent Zinsen pro Jahr für eine Anleihe der Deutschen Bank - das klingt angesichts der Dauerniedrigzinsen wie ein echtes Schnäppchen für Anleger. Doch die Sache hat einen Haken: In der nächsten Finanzkrise oder bei einem neuen Handelsskandal kann das Geld auf einen Schlag weg sein. Die Rede ist von „CoCos“ - ausgeschrieben: Contingent Convertible Bonds, auf Deutsch: Zwangswandelanleihen. Braucht eine Bank schnell frisches Eigenkapital, werden die CoCos kurzerhand in Aktien umgewandelt. Der Gläubiger wird zum Aktionär, mit allen Risiken. Oder die CoCo-Bonds werden einfach wertlos und tragen auf diese Weise die Verluste der Bank mit. So wollen es die Politiker in der EU, damit in der nächsten Krise nicht schon wieder der Steuerzahler einspringen muss.

Die neuen Bonds sind für die europäischen Geldhäuser zwar kein Allheilmittel zur Lösung ihrer Kapitalprobleme, aber doch ein wichtiges Sicherheitsnetz: „CoCos sind für Banken und Regulierer eine Art Rückversicherung für Katastrophen-Szenarien“, erklärt Marcus Schulte, der sich bei Credit Suisse in Europa um das Fremdkapital von Banken kümmert. „Etwa wenn ein milliardenschwerer Handelsverlust dazu führt, dass die Kapitalquote quasi über Nacht von neun auf fünf Prozent und weniger abstürzt.“

Institutionelle Anleger - vom Hedgefonds bis zur reichen Unternehmerfamilie - sind für ein entsprechendes Entgelt gerne bereit, einen kleinen Teil dieses Risikos zu tragen. Rentenfonds kaufen die Bonds ebenfalls gerne, allerdings nicht die Variante mit der Wandlung in Aktien, weil sie festverzinsliche Wertpapiere im Portfolio haben und eben keine Dividendenpapiere. Dabei bieten gerade Aktien auf längere Sicht die Chance, einen Teil der erlittenen Verluste wieder wettzumachen.

Etwa sieben Prozent Zinsen müsste die Deutsche Bank ihnen bieten, wenn sie die Option der Aktienwandlung wählt und die Reißleine in der Eigenkapitalquote bei sieben Prozent liegt, hat Fondsmanager Michael Hünseler von Assenagon ausgerechnet. Bei der zweiten Variante, bei der die CoCos im Krisenfall einfach wertlos würden, würde Hünseler einen Kupon von zehn Prozent aufrufen. Schließlich sei das Kapitalpolster der Bank nicht allzu dick, weshalb sie mehr zahlen müsste als etwa die spanische BBVA. Experten erwarten, dass die Deutsche Bank einen ersten CoCo in diesem Jahr begeben will, möglichst noch vor dem Sommer. Etwa zeitgleich wird eine Zwangswandelanleihe der Aareal Bank erwartet, die ihre Staatshilfen von 300 Millionen Euro damit tilgen will. Bei der Commerzbank, die sich noch nicht zu ihren Plänen geäußert hat, könnten es zwei Milliarden Euro werden.

Hünselers Fondsgesellschaft hat im Januar einen CoCo-Fonds aufgelegt, der schon 80 Millionen Euro schwer ist. „Ich halte nicht für ausgeschlossen, dass er auf 300 Millionen Euro wachsen könnte“, gibt er sich optimistisch. Noch muss Hünseler auch andere Nachrangtitel dafür kaufen. „Wir würden ihn gerne so weit wie möglich mit CoCos füllen, aber es gibt noch nicht genügend Emittenten. Was noch fehlt, ist ein großer Name wie die Deutsche Bank oder eine wie HSBC.“


Keine Angst vor dem Flächenbrand

Die Durchschnittsrendite für die ersten CoCo-Bonds in Europa liegt bei 5,8 Prozent, wie Union-Investment-Fondsmanager Marc Hellingrath ausgerechnet hat. „CoCos bauen vor allem darauf, dass sich die Banken weiter entschulden.“ Wenn das gelinge, könnten Anleger viel Geld verdienen. „Gelingt die Entschuldung nicht, sind die Anleihen ein riskantes Geschäft“, warnt Hellingrath. Er managt sechs Union-Rentenfonds, von denen drei zusammen 80 Millionen Euro in CoCo-Anleihen investiert haben. Noch seien die Papiere relativ günstig für die Banken, weil die Nachfrage hoch und viel Geld im Markt sei. „Spannend wird es, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern. Dann wird sich die Spreu vom Weizen trennen.“ Dann würden CoCos für schwächere Banken wohl spürbar teurer.

Vor dem Stresstest der Europäischen Zentralbank (EZB) wollen sich deshalb viele Institute noch mit frischem Kapital eindecken. CoCo-Bonds sind dabei vorteilhafter als die Ausgabe neuer Aktien - erst recht, wenn die Banken die Zinsen auf die Anleihen als Betriebsausgaben von der Steuer absetzen können, weil sie steuerlich als Fremdkapital anerkannt werden. Nach den Worten von Hellingrath spricht noch etwas anderes für CoCos: „Die Bank braucht keine Aktien zu platzieren und vermeidet daher die Verwässerung bestehender Aktionäre.“

Unter normalen Umständen dürften die CoCo-Anleihen kaum ausfallen. Denn wenn sich das Eigenkapital der Bank nicht gerade über Nacht pulverisiert, wird sie frühzeitig gegensteuern. Dafür sorgen schon die Aufseher. "So gesehen sind CoCo-Bonds eine Art Wette auf die Qualität der EZB-Bankenaufsicht", sagt Hünseler. Bitter wird es für die Anleger nur bei einer Branchenkrise, die die Banken wie ein Tsunami hinwegfegt. Dann helfe nur noch beten: „Aber wir gehen davon aus, dass so etwas vorerst nicht mehr vorkommen wird.“

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