Hunger nach Rendite Notenbanken kaufen Aktien wie nie

Notenbanken scheuen das Risiko. Kein Wunder, schließlich wachen sie über die Devisenreserven von insgesamt elf Billionen Dollar. Doch fallende Anleiherenditen erzwingen ein Umdenken bei den Währungshütern.

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Die japanische Notenbank will bis 2014 ihre Investitionen in börsengehandelte Aktienfonds verdoppeln. Quelle: Reuters

New York Eine im April durchgeführte Umfrage der Londoner Beratungsgesellschaft Central Banking Publications und der Royal Bank of Scotland unter 60 Zentralbankern ergab, dass 14 der Notenbanken Aktien besitzen oder den Kauf beabsichtigen. Die Bank of Japan, Eigentümerin der zweitgrößten Reserven, erklärte am 4. April die Absicht, bis 2014 ihre Investitionen in börsengehandelte Aktienfonds auf 3,5 Billionen Yen (27 Mrd. Euro) mehr als zu verdoppeln. Die Bank of Israel kaufte letztes Jahr erstmals Aktien, die Schweizerische Nationalbank und die tschechische Zentralbank hoben ihr Aktienengagement auf mindestens zehn Prozent der Reserven an.

“In den letzten zwölf Monaten etwa habe ich mit 103 Zentralbanken über Diversifizierung gesprochen”, sagte Gary Smith von der Londoner Niederlassung der BNP Paribas Investment Partners. “Wenn die Reserven zunehmen, wächst auch der Druck zu diversifizieren. Aktien sind nicht für alle Zentralbanken das Richtige, aber immer mehr gehen diesen Weg.”

Die Manager der Zentralbankreserven suchen nach Alternativen zu Staatsanleihen, nachdem wachstumsstimulierende Maßnahmen der Federal Reserve, der Bank of Japan und der Bank of England die Renditen in die Nähe ihrer Rekordtiefs gebracht haben. Die Devisenreserven der Zentralbanken sind im letzten Jahrzehnt weltweit um rund 8,5 Billionen Dollar angestiegen.

Zentralbanken halten üblicherweise Vermögensgegenstände wie Staatsanleihen, die leicht verkauft werden können, wenn Mittel gebraucht werden, um einer Bewegung der Währung entgegenzuwirken. Die Abhängigkeit von festverzinslichen Wertpapieren in einer Zeit, da Anleiherenditen in vielen Ländern unter der Inflationsrate liegen, kann den Wert der Reserven sinken lassen.

Die Studie zeigt, dass die niedrigen Bondrenditen fast die Hälfte der Zentralbanker dazu gebracht hat, höhere Risiken einzugehen. 23 Prozent erklärten, dass sie bereits Aktien gekauft hätten oder das in den nächsten fünf Jahren tun wollen.

“Ich sehe eindeutig, dass auch andere Zentralbanken Aktien kaufen oder das erwägen”, sagte Jan Schmidt, Risikomanagement- Chef bei der Tschechischen Nationalbank in Prag. Allerdings seien die Risiken, die mit dem Besitz von Aktien verbunden sind, dieselben wie immer.

Die Aktienkäufe der Zentralbanken zeigten, wie der “Hunger nach Rendite” das Verhalten selbst der konservativsten Investoren verändere, sagt Matthew Beesley, von Henderson Global Investors in London. “Aktien sind die letzte verbliebene Anlagekategorie”, so Beesley. “Wenn man Dividendenrenditen hat, die über den Anleiherenditen liegen, ist das ein sehr logischer Schritt.”

Laut Daten der Nachrichtenagentur Bloomberg schütten die S&P 500-Unternehmen 2,2 Prozent ihres Aktienwerts als Dividenden aus, verglichen mit einer 1,69 Prozent-Rendite bei Treasuries. Der S&P 500 schloss am 11. April auf einem Allzeithoch von 1593,37 und ist von Jahresbeginn bis zum 23. April um elf Prozent gestiegen. Dagegen haben Investoren mit US-Staatsanleihen mit Fälligkeit in einem Jahr oder später nur 0,7 Prozent verdient, wie Bondindizes der America Corp. zeigen.


Nicht alle Notenbanken dürfen Aktien kaufen

Dennoch: 70 Prozent der befragten Zentralbanker gaben in der Studie an, dass Aktien nicht in Frage kommen. Die Zunahme der Reserven hat sich verlangsamt, weil ein erstarkender Dollar den Druck senkt, mit dem Verkauf eigener Währung zu intervenieren. Im letzten Quartal sind die Zentralbankvermögen um weniger als ein Prozent gewachsen, der geringste Anstieg seit dem Vorjahresquartal.

Einigen Zentralbanken, darunter die Fed und die Bank of England, ist es nicht erlaubt, direkt Aktien zu kaufen. Manche werden von den Preisschwankungen bei Aktien abgeschreckt, die stärker sein können als bei anderen Anlagen.

Die Schweizerische Nationalbank hat zwölf Prozent ihrer Vermögenswerte in passive Fonds gesteckt, die Aktienindizes abbilden. Die Bank of Israel hat für rund drei Prozent ihrer Reserven von 77 Mrd. Dollar US-Aktien gekauft. Die japanische Notenbank kündigte an, im Rahmen der Aufstockung ihres Programms zur Stimulierung der Wirtschaft mehr von ihren 1,2-Billionen-Dollar-Reserven für börsengehandelte Fonds auszugeben. Die Bank of Korea hat letztes Jahr mit dem Kauf chinesischer Aktien begonnen und ihre Aktieninvestments auf 5,7 Prozent aufgestockt. Die chinesische Devisenbehörde meldete im Januar, sie suche nach “innovativen Verwendungen” für ihre 3,4 Billionen Dollar an Reserven, ohne allerdings explizit Aktienkäufe zu nennen.

“Die Zentralbanken schauen sich Anlageklassen an, mit denen ich in der Vergangenheit nicht unbedingt gerechnet hätte”, sagt Paul Price, Leiter International Distribution and Client Relations bei Morgan Stanley Investment Management in London. Niedrige Renditen und “Ratingveränderungen bei bestimmten Staaten zwingen die Zentralbanken zu überdenken, wie sie Rendite anstreben und wie sie in diesem Zusammenhang Aktien sehen”.

“Staatsanleihen bleiben ein fundamentaler Pfeiler der Asset-Allokation der Zentralbanken, aber es gibt Raum für andere Anlagekategorien, um eine höhere Rendite zu erreichen”, sagt Massimiliano Castelli von UBS Asset Management in London. “Wir führen viele Gespräche mit verschiedenen Institutionen, die einen solchen Schritt erwägen.”

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