Hurrikan Harvey Treibstoffkäufer hoffen auf Venezuela

Viele Staaten Lateinamerikas suchen angesichts der Treibstoff-Lieferengpässe in den USA nach Alternativen. In Venezuela liegen seit Wochen Tanker mit Benzin und Diesel vor Anker, die nicht abgefertigt werden können.

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Aufgrund der Überschwemmungen durch Hurrikan „Harvey“ können die Raffinerien an der US-Golfküste nicht richtig arbeiten – auch Treibstofftanker können nicht in See stechen. Quelle: Reuters

Houston Der Sturm „Harvey“ bringt das international geächtete Venezuela auf dem Rohstoffmarkt zurück ins Spiel. Das Opec-Mitglied kann wegen seiner maroden Ölindustrie zwar nicht direkt vom Ausfall der der US-Raffinerien profitieren. Vor seiner Küste liegen aber zahlreiche Tanker mit Benzin und Diesel auf Reede. Auf diese haben andere lateinamerikanische Staaten ein Auge geworfen, weil sie auf Treibstoff-Importe angewiesen sind.

Die meisten Ölfirmen der Region warteten auf die Wiedereröffnung der US-Verladeterminals, sagt ein Ölhändler. „Aber einige Firmen sind verzweifelt.“ Denn in den vergangenen Tagen legte kaum ein Tanker von der überfluteten Golfküste ab.

Einem Insider zufolge stornierte eine Ölhandelsfirma die Lieferung zweier Tankerladungen Diesel an den venezolanischen Staatskonzern PDVSA und leitete sie nach Ecuador um. PDVSA war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen. Insgesamt warten rund sieben Millionen Barrel (1 Barrel = 159 Liter) Erdöl-Produkte in der südlichen Karibik auf Entladung.

Die Tanker liegen teilweise seit Wochen vor der Küste – weil PDVSA mit Zahlungen in Verzug ist oder weil die Häfen überlastet sind. Venezuela verfügt zwar über die größten Rohöl-Reserven der Welt, ist aber dennoch auf den Import von Benzin und Diesel angewiesen. Wegen der Wirtschaftskrise und der politischen Unruhen sind die Raffinerien des Landes in einem schlechten Zustand.

Unterdessen läuft die Suche lateinamerikanischer Staaten nach Ersatz für die ausgefallenen US-Lieferungen auf Hochtouren: Der peruanische Ölkonzern Petroperu hat eine Bestellung von bis zu fünf Tanker-Ladungen Diesel zur Lieferung im September und Oktober ausgeschrieben. Ecopetrol aus Kolumbien benötigt Gasöl sofort.

Auch Mexiko, das üblicherweise zwei Tankerladungen täglich aus den USA bezieht, sucht nach Alternativen. Die USA sind mit mehr als fünf Millionen Barrel pro Tag der weltgrößte Exporteur von Erdöl-Produkten, die hauptsächlich über die Golfküste verschifft werden. Rund die Hälfte davon geht nach Lateinamerika.

Die Umleitung von ursprünglich für Venezuela bestimmten Ladungen kann für Ölhändler lukrativ sein. Schließlich treibt der Ausfall der US-Raffinerien die Preise für Benzin und Diesel in die Höhe. Wegen „Harvey“ liegen derzeit US-Raffineriekapazitäten von 4,4 Millionen Barrel pro Tag brach. Dies entspricht etwa 4,5 Prozent der weltweiten Menge.

Die vor Venezuela liegenden Tanker können aber nicht ohne weiteres in andere Häfen geschickt werden. Um eine Lieferung zu stornieren, müsse ein Vertragsbruch festgestellt werden, sagt ein Börsianer. Dies könnte einen langwierigen juristischen Streit nach sich ziehen. „Daher ist es wohl einfacher, mit Venezuela einen späteren Lieferzeitpunkt auszuhandeln und den Tanker in der Zwischenzeit umzuleiten.“

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