Im Fokus der Investoren China bleibt auf dem Kaufzettel

Vermögensverwalter lassen sich von Krisengerüchten des chinesischen Versicherers Anbang wenig beeindrucken, für sie zählt die Wachstumsstory des Landes. Die ist aus Sicht der Geld-Profis intakt – jedenfalls größtenteils.

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Vermögensverwalter sehen im Umbau von Chinas Wirtschaftsmodell mehr Chancen als Risiken. Quelle: dpa

Der G20-Gipfel der bedeutendsten Industrie- und Schwellenländer in Hamburg zeigt es einmal mehr eindrücklich: Dort repräsentieren die wichtigsten Industrienationen der G7 gerade einmal rund zehn Prozent der globalen Bevölkerung. „Die Zukunft liegt mehr denn je in Asien“, sagt Gottfried Urban von der Vermögensverwaltung Bayerische Vermögen. Und das vor allem in China.

Zuletzt hatte der Index-Anbieter MSCI einen Schritt mit Signalwirkung für die Finanzmärkte vollzogen: Der Anbieter nimmt einige der chinesischen A-Aktien in seine Indizes auf, und damit auch in den bedeutenden Schwellenländer-Index MSCI Emerging Markets. Damit kommt der Index-Anbieter der chinesischen Regierung entgegen: Weil ausländische Investoren nur beschränkten Zugang zu vielen dieser Aktien haben, hatte der Indexbetreiber die Titel bislang ausgeschlossen. „Das ist ein bedeutendes Zeichen für die internationale Finanzwelt, auch wenn die Gewichtung der Festlandaktien im Index noch relativ gering ist“, sagt Urban. Der Vermögensverwalter nimmt am jährlichen Vermögensverwalter-Contest der DAB BNP Paribas teil, über den das Handelsblatt berichtet. In seinem Musterdepot hält der Anlage-Profi verschiedene Schwellenländer- und Asien-Fonds, bei denen China naturgemäß zu den Schwergewichten zählt.

Die Börsenkurse zeigten sich von MSCIs China-Offensive erst einmal wenig beeindruckt, dazu ist der Anteil der in den Index aufgenommenen A-Aktien bislang schlicht zu klein. Die Meldung rückt China aber einmal mehr in den Fokus der Investoren. Die aktuellen Analysen zur konjunkturellen Lage und Entwicklung im wichtigsten asiatischen Markt gehen auseinander: Die Unternehmen fragen weniger Rohstoff nach, Banken vergeben weniger Kredite. „In der Vergangenheit führte ein negativer Kreditimpuls häufig zu rückläufigen Sachinvestitionen“, sagt Larry Hatheway, Chefökonom beim Fondsanbieter GAM. Zudem sind Beobachtern die hohe Verschuldung, die umfangreichen Konjunkturhilfen des Staates und die massiven Preissteigerungen am Immobilienmarkt ein Dorn im Auge.

Andererseits dürften die nach wie vor umfangreichen Infrastrukturprojekte die Wirtschaft weiter ankurbeln, ebenso der wachsende Binnen-Konsum und die steigenden Exporte in benachbarte asiatische Länder. „Man darf die Probleme des Landes natürlich nicht aus den Augen verlieren“, sagt Vermögensverwalter Urban. Unterm Strich überwiegen für ihn die positiven Argumente: „China zählt immer noch zu den weltweit dynamischsten Wirtschaftsregionen.“ Die Regierung in Peking strebt im laufenden Jahr immerhin ein Wachstum von 6,5 Prozent an, im ersten Quartal konnte die Wirtschaft bereits unerwartet stark mit 6,9 Prozent zulegen. Mit einer Rekord-Stahlproduktion war ein klassischer Exportschlager ein wesentlicher Treiber des Wachstums, mittel- und langfristig will die Regierung die Wirtschaft umbauen und technologisch anspruchsvolle Industrien und die Nachfrage im eigenen Land stärken.


Was für Alibaba und gegen Amazon spricht

Auch Michael Dutz von der Vermögensverwaltung Adlatus sieht im Umbau von Chinas Wirtschaftsmodell mehr Chancen als Risiken: „Die chinesische Regierung will die Abhängigkeit der Wirtschaft vom Export zurück fahren und die Binnenkonjunktur ankurbeln. Dies wird das Wachstum in den kommenden Jahren stabil halten.“ Der Anlage-Profi nimmt ebenfalls am Vermögensverwalter-Contest teil, in seinem Musterdepot hält Dutz Aktien des chinesischen e-Commerce-Riesen Alibaba.

Das kurz vor der Jahrtausendwende gegründete Unternehmen betreibt die wichtigsten Online-Handelsplattformen des Landes und hat dort eine ähnlich dominante Rolle wie Amazon in der westlichen Hemisphäre. Für Vermögensverwalter Dutz ist die Aktie eine Art Brennglas der gesamten derzeitigen chinesischen Investmentstory: „Wirtschaftswachstum, steigender Wohlstand und zunehmender Konsum sind auch genau die drei Phantasien, von denen der Onlinehändler Alibaba profitiert“, sagt Dutz. „Für uns die Aktie einer der wichtigsten Wachstumswerte in China und in Asien.“

Und das aus gutem Grund: Der e-Commerce-Konzern betreibt neben der gleichnamigen Handelsplattform und dem führenden Online-Auktionshaus Taobao mehrere Online-Bezahlsysteme, –Kartendienste sowie Cloud-Service und erwirtschaftete im ersten Quartal dieses Jahres einen Umsatz von 5,6 Milliarden US-Dollar, satte 60 Prozent plus gegenüber dem Vorjahresquartal. Alibaba erwirtschaftete im gleichen Zeitraum einen Gewinn von mehr als zwei Milliarden Euro – und schlägt sein westliches Pendant Amazon damit bei der Umsatzrendite um Längen. Die Anleger freut’s, der Kurs ist in diesem Jahr bereits kräftig gestiegen, Vermögensverwalter Dutz sieht noch Luft für 20 Prozent Kurssteigerung bis Jahresende: „Im direkten Vergleich mit Amazon ist Alibaba deutlich billiger bewertet. Sollte es zu Ausgliederungen und Börsengängen von Tochterunternehmen kommen, würde dies zusätzliche Kursphantasien bringen.“

Auch Gerüchte über Unregelmäßigkeiten bei einem großen chinesischen Finanzinstitut bringen die Verwalter nicht aus der Ruhe.  Zuletzt hatten Spekulationen um den chinesischen Versicherer Anbang Schlagzeilen gemacht. Anbang ist eines von Chinas am schnellsten wachsenden Finanzunternehmen, Firmengründer Wu Xiaohui hatte aus einer kleinen Autoversicherung innerhalb von etwas mehr als zehn Jahren einen Versicherungskonzern mit einem verwalteten Vermögen von 300 Milliarden US-Dollar zusammengekauft.

Mitte Juni schreckte dann die Nachricht auf, dass Wu seines Amtes enthoben worden ist. Zuvor hatten chinesische Aufsichtsbehörden schon damit begonnen, das Geschäftsgebaren des Versicherers unter die Lupe zu nehmen und die Auflage neuer Produkte untersagt. „Solche Ereignisse können in Ländern mit starkem Wachstum immer wieder vorkommen“, sagt Vermögensverwalter Urban. Für den Fall einer Schieflage des Unternehmens sieht der Vermögensverwalter aber keine Gefahr für Chinas Finanzsystem. „Bei einer Pleite würde der Staat eingreifen“, ist Urban überzeugt. „Zu einer Chinakrise würde es deshalb nicht kommen.“  

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