Inflation in Argentinien Messi-Dollar hebelt die Regierung aus

Die Menschen in Argentinien flüchten in den US-Dollar, weil sie der Wirtschaftspolitik der Regierung kaum mehr trauen. Auf den Straßen ist schon vom „Messi-Dollar“ die Rede, weil der Wechselkurs steigt und steigt.

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Messis Rückennummer 10 steht für den Schwarzmarkt-Wechselkurs des argentinischen Peso zum US-Dollar. Quelle: ap

Buenos Aires In Argentinien gibt es einen Ansturm auf den Dollar. Viele Einwohner wollen die US-Währung so sehr haben, dass sie auf dem Schwarzmarkt sogar einen 90-prozentigen Aufschlag zur offiziellen Umtauschrate zahlen. Mit den illegalen Käufen versuchen sie, den Währungs-Kontrollen von Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner und der geschätzten Inflation von 24 Prozent zu entgehen.

Die Banken haben reagiert und die Zinsen erhöht. Wer mehr als 1 Millionen Pesos für 30 Tage anlegt, bekommt dafür 15,69 Prozent - 0,81 Prozentpunkte mehr als noch Mitte März. So versuchen die Banken, Sparer zurückzugewinnen. Vielen hatten für den Gang auf den Schwarzmarkt Geld abgehoben.

Ende vergangener Woche wurden für einen US-Dollar auf dem Schwarzmarkt 9,98 Peso gezahlt. Damit bewegt sich die Rate in Richtung eines Niveaus, dass Händler als den „Messi-Dollar“ bezeichnen. Namens-Pate ist der bekannte argentinische Fußballer Lionel Messi vom FC Barcelona, der mit der Nummer 10 aufläuft.

„Es gibt keinen Grunde, warum das bei diesem so genannten Messi-Dollar aufhören sollte“, sagte Volkswirt Fausto Spotorno vom Analysehaus Orlando Ferreres & Asociados im Interview mit Bloomberg News. „Die Regierung geht mit dem Dollar genauso um wie mit der Inflation. Sie hofft, dass das Problem von alleine verschwindet, wenn man nicht drüber redet. Aber das Gegenteil ist der Fall, es wird schlimmer.“


Argentinier reagieren mit Kapitalflucht

Um der Kapitalflucht Einhalt zu gebieten, hatte Präsidentin Kirchner im Juli 2012 allen Argentiniern den Kauf von Dollar verboten - es sei denn, jemand geht auf Reisen. Mitte März wurde zudem die Steuer auf Einkäufe im Ausland mit Kreditkarten von zuvor 15 auf nun 20 Prozent nach oben geschraubt. Die Regelung gilt auch beim Bezahlen mit Guthaben-Karten, die in Deutschland den gewohnten EC-Karten entsprechen.

Vor diesem Hintergrund gehen viele Einwohner des Landes auf den Schwarzmarkt, der vor Ort als „Blau-Markt“ bezeichnet wird.

Auch die offizielle Umtauschrate ist um 15 Prozent in den vergangenen zwölf Monaten hochgeschnellt. Und die parallel existieren Wechselkurse werden wohl noch weiter ansteigen, weil die Regierung signalisiert hat, dass sie im Kampf gegen einen schwachen Peso weiter auf Kapitalkontrollen setzen wird - statt das Problem der Inflation anzugehen. Diese Meinung vertritt Volkswirt Jose Luis Espert vom Analyse-Haus Espert & Asociados in Buenos Aires. Er verweist ferner darauf, dass die Dollar- Reserven des Landes auf ein Sechs-Jahres-Tief von 39,5 Milliarden Dollar geschrumpft sind.

„Es ist ganz klar, dass die Leute denken, dass der Dollar attraktiv ist“, selbst bei Umtauschraten in dieser Höhe, sagte Espert in einem Gespräch mit Bloomberg. „Falls die Regierung die Menschen weiter verängstigt, dann wird der parallele Dollar klettern, die Reserven werden abnehmen und die Wirtschaft wird nicht wachsen.“


Inflation gewaltig zu

Die 15,69 Prozent Zinsen, die Banken derzeit für Einlagen über einen Monat zahlen, entsprechen nur etwa der Hälfe der Inflationserwartungen. Das zeigt eine Umfrage der Universität Torcuato Di Tella. Demnach glauben die Argentinier, dass die Preise im Verlaufe des nächsten Jahres um 30 Prozent anziehen werden. Die von der Regierung offiziell für April verkündete jährliche Inflationsrate liegt indes bei 10,6 Prozent. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat die offiziellen Statistiken aber in Frage gestellt.

„Die Regierung hat Geldpolitik als ein Mittel gegen die Inflation abgelehnt, weil sie um jeden Preis eine weitere Abkühlung der wirtschaftlichen Aktivität vermeiden will“, schrieb Ex-Wirtschaftsminister Domingo Cavallo Ende vergangener Woche in seinem Blog.

Laut Kirchner wächst die Wirtschaft des Landes. Das gehe auf mehr staatliche Ausgaben und Programme zurück, die den Konsum fördern sollen.

„Die Leute misstrauen dem Peso, weil die Inflation anhält, Pesos zur Defizit-Finanzierung gedruckt werden und das Angebot an Dollar begrenzt ist“, sagte Jorge Todesca, ein ehemaliger stellvertretender argentinischer Wirtschaftsminister. „Es gibt keine Möglichkeit, derzeit abzuschätzen, wie hoch der Dollar noch gehen kann - weil es keine Obergrenze gibt.“

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