Insider-Aktien Kaufen, wenn die Chefs zugreifen

Vorstände und Aufsichtsräte kaufen Aktien ihrer Unternehmen trotz Schuldenkrise und Konjunkturängsten wie selten zuvor. Wann Anleger den Insidern folgen können, welche Aktien Potenzial haben.

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Illustration Zwei Männer fangen Geld auf Quelle: Illustration: Thomas Fuchs

Eine Kapitulation, stellvertretend für viele: „Ich habe die Lust verloren an dem ganzen Spielchen. Am einen Tag macht der Dax sechs Prozent plus, am nächsten verliert er sie wieder. Meine VW-Aktien verlieren mal acht Prozent in fünf Stunden, am nächsten Tag gewinnen sie sie wieder – und das ohne eine Nachricht aus dem Unternehmen selbst. Das kann doch niemand mehr nachvollziehen!“ WirtschaftsWoche-Leser Ulrich Reiser sagt, er habe deshalb jetzt sein Aktiendepot aufgelöst.

Verständlich. Europa im Herbst 2011, das ist Unsicherheit und Hilflosigkeit. Straßenschlachten, Billionen-Rettungsschirme und nächtliche Spitzentreffen der Politiker in Serie tragen nicht zur Beruhigung der Investoren bei. Die Kurse fahren Achterbahn. Der Index VDax, der die Intensität der Kursschwankungen misst, hat sich seit Anfang August fast verdreifacht. Die hohe Volatilität kostet nicht nur Nerven. „Sie schreckt auch viele Großanleger ab“, sagt Klaus Schlote von Solventis Research in Frankfurt. Versicherungen und Pensionskassen scheuen nichts mehr als Unsicherheit und Kursschwankungen.

Alle panisch? Nicht Alle.

Privatanleger fliehen in Gold und Immobilien; Institutionelle in mickrig verzinste deutsche Staatsanleihen. Das Tagesgeschäft der Unternehmen, sonst Taktgeber der Kurse, tritt in den Hintergrund. Quartalszahlen und Prognosen interessieren die Börse seit Wochen kaum, obwohl die Zahlen der meisten Unternehmen im Herbst bisher besser ausfielen, als befürchtet. Nur eine Anlegergruppe lässt sich nicht anstecken vom Krisengeheul: die Top-Manager der börsennotierten Konzerne. Käufe und Verkäufe von Aktien des eigenen Unternehmens müssen Vorstände und Aufsichtsräte den Behörden melden, in Deutschland seit 2002 der Finanzaufsicht BaFin. Das ist fair: Wenn Unternehmenslenker und Kontrolleure handeln, die mehr wissen als Durchschnittsanleger, sollen Letztere dies zumindest erfahren.

Ein Blick auf die aktuelle Statistik der Insider offenbart Erstaunliches: Griechenland-Chaos hin, Schuldenmisere her – die Manager kaufen derzeit so viele Aktien ihrer eigenen Firmen wie noch nie seit Beginn der Datenerfassung.

Sogar die griechischen.

In Athen kauft man zu

Die Manager Demosthenes Vardinoyannis und Ioannis Kosmadakis etwa kauften im September und Oktober für mehrere Millionen Euro Aktien des griechischen Raffineriebetreibers Motor Oil Hellas. Dessen Papiere hatten sich binnen eines Jahres fast halbiert, wie die meisten Werte in Athen. Doch das Geschäft von Motor Oil läuft gut; 2011 wird der Konzern 287 Millionen Euro Gewinn schreiben. Folge: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt nur noch bei 4,5. Die Aussichten sind alles andere als deprimierend: Griechenland will seine Öl- und Gasexporte von 2012 an deutlich erhöhen, „unser Land ist reich an Rohstoffen“, sagt Mathios Rigas, Chef des Ölförderers Energean, „nur wurden sie bisher kaum systematisch erschlossen.“

Wie bei Motor Oil Hellas kaufen derzeit zahlreiche Vorstände und Aufsichtsräte in Athen zu, so beim Agrarkonzern Imperio Agro und bei der Juwelierkette Folli Follie. Griechische, portugiesische, spanische und italienische Insider kauften nach dem Schulden-Crash Anfang August so viele Aktien ihrer Unternehmen wie noch nie seit Bestehen der Meldepflicht.

Krise, welche Krise?

Newe Yorker Börse Quelle: dpa

In vielen Fällen kauften die Manager zu Recht, sagt Eric LeCoz, Chefstratege beim Fondsmanager Carmignac, „viele Konzerne in den Krisenländern haben grundsolide Bilanzen und strotzen vor Kraft“. In Deutschland kletterte das Verhältnis von Käufern zu Verkäufern im August auf 9:1, den höchsten Stand seit März 2009. Im September lag es bei 6:1, im Oktober immer noch bei 3:1. „Normal ist in Deutschland ein Verhältnis von etwa 1:1“, erklärt Patrick Hable, Chef des Analysehauses 2 IQ Research, das sich auf die Erfassung und Auswertung von Insider-Deals weltweit spezialisiert hat. „Die absoluten Kaufvolumina liegen sogar weit über denen der Jahre 2009, 2003 und 1987, als die Insiderkäufe jeweils Rekordwerte erreicht hatten.“

Inzwischen ist die Kaufwelle von August und September zwar abgeebbt. Die Kurse sind seither aber noch nicht davongelaufen, der Dax notierte zuletzt immer noch auf dem Niveau von Anfang September. Vorstände und Aufsichtsräte haben auch noch nicht wieder verkauft. „Das zeigt, dass sie sich derzeit eher langfristig engagieren“, meint Hable. Sollten Anleger es den Vorständen jetzt nachmachen?

Als Gruppe oft richtig

Dafür spricht einiges. „Die Risiken sind nicht aus der Welt, doch die meisten Vorstände sehen, dass ihre Auftragslage nicht so schlecht ist, wie es die Kurse an der Böse glauben machen“, sagt Christian Krahe, Fondsmanager des Deutschen Aktien Total Return Fonds, der auf mittelgroße und kleine deutsche Aktien spezialisiert ist. Das sollte auch Privatanlegern Mut machen: Schließlich wissen Vorstände und Aufsichtsräte selbst in der Regel am besten, wie es in den Büchern des eigenen Unternehmens ausschaut, in welche Richtung Auftragseingänge und Kosten laufen oder ob sich eine neue Technologie am Markt durchsetzen könnte.

Viele Profis achten deshalb genau darauf, ob die Insider Aktien kaufen. „In der Finanz- und Schuldenkrise haben viele Kennzahlen und Bewertungsmaßstäbe an Aussagekraft verloren“, sagt Jens Ehrhardt, Chef von DJE Kapital in Pullach, „einer der wenigen Parameter, auf die man sich noch stützen kann, sind Insiderkäufe.“ Einzelne Insider könnten falsch liegen; aber als Gruppe hätten sie so gut wie nie wirklich danebengelegen, sagt Ehrhardt.

Nach Vorstandskäufen steigen die Aktien

„Der Effekt von Insiderkäufen auf den Kurs ist einer der am besten belegten Einflussfaktoren in der Kapitalmarktforschung überhaupt“, sagt der Wormser Wirtschaftsprofessor Max Otte. Er ist durch zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen belegt. In den USA, wo die Insideraktivitäten seit Jahrzehnten meldepflichtig sind, wiesen diverse Studien nach, dass Aktien nach Käufen von Vorständen und Verwaltungsräten überdurchschnittlich stark stiegen.

Kaspar Dardas von der European Business School in Wiesbaden und 2 IQ Research liefern nun auch für Europa Nachweise. Die Hessen fanden zudem heraus, dass der positive Kurseffekt der Insideraktien in der Regel erst nach 12 bis 15 Monaten voll zum Tragen kommt: Nach drei Monaten hatten Aktien, die signifikant von Insidern gekauft wurden, im Schnitt 3,5 Prozentpunkte besser abgeschnitten als ihre Vergleichsgruppe, nach zwölf Monaten waren es 7,0 Prozentpunkte.

Keine Panik

Die meisten Unternehmensinsider verhielten sich selbst „wie klassische Langfrist- und Value-Investoren“ sagt 2 IQ-Co-Gründer Robert Hable, „die durchschnittlichen Haltezeiten betragen nach den Käufen weit über ein Jahr.“ Privatanleger müssten deshalb nicht unbedingt schnell reagieren, wenn sie vom Insidereffekt profitieren wollen, meint Hable, „man kann die Aktien zuvor in Ruhe analysieren“.

Dies gilt umso mehr, weil die meisten Insider lieber zu früh als zu spät kaufen. „Insider verhalten sich meist antizyklisch, sie kaufen gerne nach drastischen Kursdellen“, sagt Hable, „aber sie sind Antizykliker mit einem ausgeprägten Hang zum Optimismus.“ Eindrucksvoll zu beobachten war dies zwischen März 2000 und März 2003, als der Dax von 8100 auf 2200 Punkte rutschte: Die meisten Vorstände und Aufsichtsräte wähnten die Baisse schon im Herbst 2001 am Ende und kauften vermehrt Aktien ihrer eigenen Unternehmen; die zweite Crashwelle 2002 erwischte sie dann auf dem falschen Fuß.

Vorsicht

Die besten Aktien-Käufe der Chefs
Bechtle Quelle: Screenshot
Fans von Borussia Dortmund schwenken Fahnen und Schals Quelle: REUTERS
Carrefour-Supermarkt in Bangkok Quelle: REUTERS
Douglas GruppeOb Süßwaren, Bekleidung, Schmuck oder Parfum: Die Douglas Gruppe macht sich nicht von einem Geschäft abhängig.BrancheHandelLandDeutschlandKurs¹27,49 €Insiderkäufe² (zu Kursen von/bis) 4 (27,30 € - 28,60 €)Volumen³1,83 Mio. €Börsenwert1091 Mio. €Kurs-Gewinn-Verhältnis 2012 (geschätzt)11,7Chance/Risiko5/3 ¹Stand: 10.11.2011 ²Anzahl der Käufe seit 1.7.2011 ³Volumen der Insiderkäufe im III. und IV. Quartal Quelle: 2 IQ Research; Bloomberg Quelle: Pressebild
Zementsäcke von HeidelbergCement Quelle: dapd
Lagerhalle mit Jungheinrich-Fahrzeugen Quelle: obs Jungheinrich AG
Mühlbauer AGDas Technologie-Unternehmen hat sich auf die Herstellung von Chipkarten und Ausweisen spezialisiert.BrancheTechnologieLandDeutschlandKurs¹23,90 €Insiderkäufe² (zu Kursen von/bis)13 (20,80 € - 25,49 €)Volumen³1,14 Mio. €Börsenwert151 Mio. €Kurs-Gewinn-Verhältnis 2012 (geschätzt)11,2Chance/Risiko9/7 ¹Stand: 10.11.2011 ²Anzahl der Käufe seit 1.7.2011 ³Volumen der Insiderkäufe im III. und IV. Quartal Quelle: 2 IQ Research; Bloomberg Quelle: Mühlbauer AG

Gerade weil die Insider im Allgemeinen zum Optimismus neigen, ist Vorsicht angebracht, wenn sie plötzlich scheinbar ohne Grund verkaufen. Besonders Verkäufe in einer Phase, in der bei den Unternehmen alles glatt zu laufen scheint, gelten professionellen Anlegern als Warnsignal. „Bei den Aktien, die wir im Fonds halten, achten wir genau darauf, ob sich Insider von größeren Beständen trennen“, sagt Fondsmanager Krahe, „alles andere wäre fahrlässig. Wenn ein Vorstand plötzlich massiv verkauft, müssen wir der Sache auf den Grund gehen.“

Im Juli, kurz vor dem Crash, hätte es eine Reihe solcher Warnhinweise gegeben: So verkaufte der Gründer des Internet-Dienstleisters United Internet, Ralph Dommermuth, Anfang Juli plötzlich Aktien seines Unternehmens für mehr als 28 Millionen Euro; kurz davor hatte der Kurs erstmals seit 2008 wieder das Vorkrisenniveau von knapp 15 Euro erreicht; nach Dommermuths Verkauf fiel die United-Internet-Aktei auf elf Euro. Axel Heitmann, Chef des Chemiekonzerns Lanxess, erwies den anderen Lanxess-Aktionären einen Bärendienst, als er im August Lanxess-Aktien im Wert von fast zehn Millionen Euro auf den Markt warf; in den Jahren davor hatte Heitmann immer wieder zugekauft, sodass der Verkauf hohe Wellen schlug – auch, nachdem Heitmann eine Erklärung nachreichte, er habe das Geld zur Tilgung eines privaten Kredits gebraucht.

Signifikant oder nicht?

Für private Anleger ist es wichtig, signifikante Insider-Deals von solchen ohne Aussagekraft über das Unternehmen zu trennen. Da auch Vorstände von der Signalwirkung der Insider-Deals wissen, werden die Geschäfte häufig zur Kurspflege eingesetzt. „Mehrere kleine Käufe durch verschiedene Vorstände und Aufsichtsräte im Wert von jeweils wenigen Tausend Euro sind meist wenig mehr als PR-Geklingel, das sehen wir häufig, nachdem der Kurs gelitten hat, etwa nach schwachen Zahlen“, sagt Krahe. Nimmt ein Insider hingegen gleich mehrere Millionen in die Hand, oder kaufen ein oder mehrere Vorstände stets unter einem bestimmten Niveau, wie beim Oberpfälzer Spezialmaschinenbauer Mühlbauer oder beim US-Medizintechniker Opko Health, ist das ein Indiz dafür, dass der Insider tatsächlich von einer Unterbewertung des Unternehmens überzeugt ist.

Auch das Volumen des Deals im Verhältnis zum Marktwert, zu den Volumina früherer Insider-Deals und zum restlichen Vermögen des Insiders ist wichtig. Wenn ein Jürgen Großmann als Vorstandsvorsitzender von RWE, der privat Milliardär ist, ein paar Hunderttausend Euro in RWE-Aktien investiert, muss das nicht unbedingt viel bedeuten; tut es der Chef eines schwäbischen Mittelständlers, der vielleicht nur 40 Millionen Börsenwert auf die Waage bringt, schon eher.

USA und IT

Zudem gibt es regionale und Branchenunterschiede. In den USA allgemein und weltweit in der IT-Branche ist es üblich, dass Vorstände einen Teil ihrer Bezüge in Aktien oder Optionen auf Aktien bekommen. „Dort ist es normal, dass die Vorstände stets einen Teil ihrer Aktien verkaufen“, sagt Hable. In den USA liegt das Verhältnis von Käufen zu Verkäufen deshalb durchschnittlich bei 1:10. „Daher war es für die US-Aktien schon ein außergewöhnliches Kaufsignal, als das Verhältnis im Spätsommer auf 1:1 fiel“, sagt Hable.

Jeder Fall ist anders, doch aus den Studien lassen sich Faustregeln ableiten:

  • Insiderkäufe bei kleinen Nebenwerten sind aussagefähiger als bei Blue Chips mit mehreren Milliarden Euro Börsenwert.
  • In Branchen, in denen die künftige Geschäftsentwicklung schwer planbar ist – wie Software oder Biotech – sagen Insider-Deals mehr aus als in Branchen mit stetiger Geschäftsentwicklung. Die Vermutung, dass ein Vorstand tatsächlich etwas weiß, was auf starke künftige Gewinnentwicklung hoffen lässt, ist hier plausibel.
  • Käufe von Vorständen sind oft aussagekräftiger als die von Aufsichtsräten, eine besonders gute Trefferquote haben Finanzvorstände.
  • Regelmäßige Käufe unter einer Kursschwelle sind besser als Einzelaktionen.

Selbstverständlich sollten Investoren vor einem Kauf nicht nur auf Insidergeschäfte, sondern auch auf Geschäftsperspektiven, Bewertung und Umsatz- und Gewinnentwicklung schauen. Bei den von der WirtschaftsWoche ausgewählten Papieren (siehe auch Bildergalerie) überzeugen fundamentale Daten und Insiderkäufe.

Mühlbauer: Steter Tropfen...

Chipkarten-Fertigung bei Mühlbauer Quelle: Mühlbauer AG

Ein Insider mit Gespür ist Josef Mühlbauer, Gründer des gleichnamigen Spezialmaschinenbauers. Allein im August kaufte er Aktien im Wert von rund 2,2 Millionen Euro, im Schnitt zu Kursen um 24 Euro. Zuvor hatte er im Sommer 2010 und im Frühjahr 2009 groß eingekauft, damals zu Tiefstkursen um die 17 Euro.Anschließend stieg die Aktie auf bis zu 50 Euro. Interessanterweise verspürte der Chef auf diesem Niveau keine Kaufgelüste mehr. Derzeit notiert Mühlbauer mit 24 Euro nicht weit von den Kaufkursen des Gründers. Seit der Lehman-Pleite im Herbst 2008 kauften Josef Mühlbauer und weitere Familienmitglieder zusammen sage und schreibe 50 Mal.

Perspektiven sind gut

Mühlbauer stellt Produktionsanlagen für Smart Cards her; kleine Plastikkarten mit Chips wie Geldkarten, Telefonkarten oder Bahn-Ausweise. Das Geschäft ist schwankungsanfällig; doch die Perspektiven sind gut – immer mehr Länder führen neue Ausweise ein.

Auf der Suche nach Vorständen oder Aufsichtsräten, die noch häufiger privates Geld in Aktien des eigenen Unternehmens stecken, muss man weit fahren: Nur der Vorstandschef der US-Medizintechnikfirma Opko Health, Phillip Frost, kaufte in den vergangenen Jahren noch häufiger, insgesamt waren es knapp 100 Käufe, 34 allein seit Anfang August im Wert zwischen 8000 und drei Millionen Dollar.

Bechtle: Gründer schlägt zu

Nachdem der Kurs des Neckarsulmer IT-Dienstleisters Bechtle im August-Crash von 34 auf rund 24 Euro gestürzt war, fand der frühere Vorstandschef, Gründer und heutige Aufsichtsratschef Gerhard Schick offenbar, dies sei zu billig; Schick investierte in zwei Tranchen rund drei Millionen Euro in die Aktien des eigenen Unternehmens. „Der unverändert gute Auftragseingang stimmt mich zuversichtlich, dass Bechtle sein Wachstum fortsetzen können wird“, sagt Schick. Tatsächlich findet sich kaum ein konkreter Hinweis darauf, dass ein Kursminus von mehr als 30 Prozent gerechtfertigt sein könnte. Für das Gesamtjahr 2011 gehen Analysten sogar von einem Umsatzplus von mindestens 15 Prozent aus; die Gewinnmarge soll sich im Vergleich zum Vorjahr ebenfalls verbessert haben.

Heidelcement: Käufe am Tief

Aufsichtsrat Ludwig Merckle kaufte allein im August über sein Investment-Vehikel VEM Vermögensverwaltung Aktien im Wert von fast 40 Millionen Euro des Bauzulieferers, die meisten davon nahe am bisherigen Jahrestief von knapp 24 Euro.

Der älteste Sohn des verstorbenen Multimilliardärs und Ratiopharm-Gründers Adolf Merckle besitzt damit inzwischen mehr als ein Viertel des Dax-Konzerns. Die Aktie war unter Druck geraten, weil Anleger einen Rückgang der weltweiten Baukonjunktur fürchten; außerdem ist der badische Konzern hoch verschuldet und litt zuletzt unter steigenden Rohstoffkosten.

Keine PR-Strategie

Ein Mitarbeiter des Windanlagenbauers Nordex prüft Spitzen von Rotorflügeln Quelle: dpa

„Allerdings kann man Käufe im zweistelligen Millionenbereich nicht mehr als Gut-Wetter-Machen abtun, das sich irgendein PR-Stratege ausgedacht hat“, sagt ein Frankfurter Analyst, „auch ein Multimillionär wie Herr Merckle hat nicht so viel Geld zu verschenken; er scheint von der strukturellen Unterbewertung des Unternehmens überzeugt zu sein.“

Risikolos ist das Papier für Privatanleger sicher nicht; auch wenn das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) inzwischen deutlich unter zehn gefallen ist. Allerdings haben die Heidelberger zuletzt ihre Nettofinanzschulden deutlich gesenkt; zudem steht der Konzern in den meisten Schwellenländern gut da.

Nordex: Mutige Wind-Wette

Eine andere Milliardärsfamilie ist beim Rostocker Windanlagenbauer Nordex am Werk. Jan Klatten, Nordex-Aufsichtsrat sowie Ehemann der BMW-Großanteilseignerin Susanne Klatten, kaufte über seine Vehikel Momentum und Ventus Venture allein im August sechs Mal Nordex-Aktien, insgesamt für rund drei Millionen Euro. Klatten kaufte dabei zu Durchschnittskursen von 3,85 Euro; aktuell notiert die Nordex-Aktie bei 4,10 Euro. Das Ehepaar Klatten hält inzwischen rund ein Viertel der Nordex-Aktien über diverse Investmentgesellschaften.

Vorstände kaufen

Sie wetten damit darauf, dass Nordex vom Ausbau der Windkraft in China oder den USA profitieren wird. Ohne Risiko ist das nicht: Die Anlagen der Rostocker gelten als zu klein für neue Großprojekte und arbeiten mit mechanischen Getrieben, welche auf hoher See versalzen können. Andere Hersteller wie Vestas oder GE haben technologisch im Moment die Nase vorn. Allerdings dürfte die Börse im Sommer dennoch nach unten übertrieben haben; immer wieder gelingt es Nordex, einige Großaufträge an Land zu ziehen.

Wie bei Nordex kauften in den vergangenen Wochen Vorstände, Aufsichtsräte und deren Familien bei der Handelskette Douglas, beim Gabelstaplerhersteller Jungheinrich und beim Microchipfertiger Kontron. In Frankreich fielen der Manager des Wasserversorgers Veolia, Thierry Dassault, und der Aufsichtsratschef der Supermarktkette Carrefour, Bernard Arnault, durch massive Käufe auf.

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