Überrenditen erzielen ist also in der Tat alles andere als „einfach“, und es geht zudem mit einem überdurchschnittlichen Verlustrisiko einher (und zwar wenn das Erwartete nicht eintritt). Was ist erforderlich, um auf unkonventionellem Wege Überrenditen erzielen zu können? Der erfolgreiche amerikanische Investor und Gründer von Oaktree Capital Management Howard Marks (*1946) sagt: richtiges Denken.
So bringen Sie Ihr Gehirn auf Trab
Tragen Sie Ihre Uhr rechts statt links oder machen Sie Tätigkeiten, die Sie sonst nur mit Ihrer bevorzugten Hand ausführen, einfach mal mit der anderen.
Lernen Sie einen neuen Tanz, eine neue Sprache, neue Kochrezepte, lernen Sie ein Gedicht auswendig oder fangen eine neue Sportart an – was, ist eigentlich egal. Hauptsache, das Gehirn bekommt Futter.
Gehen Sie ohne Einkaufszettel in den Supermarkt und überschlagen Sie beim Warten an der Kasse den Gesamtwert der Waren im Kopf. Oder: Versuchen Sie beim Musikhören die verschiedenen Instrumente zu erkennen.
Memory kennt jeder aus seiner Kindheit. Das Merkspiel steigert die Konzentration und das bildhafte Gedächtnis bei Jung und Alt. Sie haben kein Memory-Spiel mehr zu Hause? Dann spielen Sie es online. Auch Schach ist gut für Gehirn.
Kreuzworträtsel sind zwar eine gute Gedächtnisübung, aber nur, wenn sie sehr schwer sind – und nicht jede Antwort gegoogelt wird. Nur selbst raten aktiviert die grauen Zellen.
Es gibt zwar kein Brainfood, das aus einer mentalen Trantüte einen zweiten Einstein macht, aber es gibt durchaus Lebensmittel, die Gehirn und Nerven besser mit den nötigen Nährstoffen versorgen, als Schokolade und Chips. Dazu gehören unter anderem Nüsse, frischer Fisch und Früchte.
Gönnen Sie sich Pausen, in denen sich auch das Gehirn erholen kann. Das funktioniert schon durch bewusstes Atmen und hilft in stressigen Situationen gleichzeitig, einen klaren Kopf zu bewahren.
Und genau dieser Gedanke führt uns direkt zurück zu Daniel Kahnemans Unterscheidung des Denkens in System 1 und System 2. Führen wir uns die Unterschiede dieser beiden Arten des Denkens noch einmal vor Augen anhand von drei Beispielen:
System 1: Ich weiß, die Unternehmung A ist exzellent, sie stellt sehr gute Produkte her, also kaufe ich die Aktie.
System 2: Jeder denkt, Unternehmen A ist eine gute Firma. Vermutlich ist die Aktie daher schon überbewertet. Ich führe erst eine Bewertung der Aktie durch und entscheide dann, ob ich kaufe oder nicht.
System 1: Alle Prognosen besagen, dass die Konjunktur einbricht. Das ist schlecht für Aktien. Also verkaufe ich!
System 2: In der Tat, der Ausblick für die Wirtschaft ist mies. Aber das ist vermutlich bereits in den Kursen enthalten. Also sehe ich mir die Bewertungen der Aktien erst genau an und entscheide dann, was zu tun ist.
System 1: Die EZB hebt bald die Zinsen an, denke ich. Der Euro wird daher gegenüber dem US-Dollar aufwerten. Ich verkaufe Dollar.
System 2: Möglich, dass die EZB die Zinsen anhebt. Aber der Euro-Dollar-Wechselkurs wird von vielen Faktoren beeinflusst. Ich weiß zudem nicht, ob er derzeit zu teuer oder zu billig ist. Ich lasse besser die Finger davon.
Aus dem Denken in System 1 erwächst im Grunde nichts weiter als eine unreflektierte Meinung über die Zukunft. Sie führt zu Schlussfolgerungen, die auch alle anderen ziehen, die in System 1 denken – und das sind vermutlich die meisten Akteure an den Finanzmärkten. Wer beim Investieren in System 1 denkt, ist zwar in Mehrheitsgesellschaft, gelangt häufig jedoch nicht ans erhoffte Renditeziel.
Denn wer in System 1 denkt, der übersieht vor allem, dass die Preise auf den Finanzmärkten die Erwartungen aller Marktteilnehmer widerspiegeln, beziehungsweise dass die Einschätzungen der Marktakteure von entscheidender Bedeutung sind für die weitere Entwicklung der Kurse.
Wer in System 2 denkt, ist den Denkern in System 1 mindestens einen, wenn nicht gar mehrere Denkschritte voraus. Ein Investor, der sich System 2 bedient, wägt ab, hinterfragt, überprüft kritisch. Bevor er eine Entscheidung trifft, stellt er sich beispielsweise folgende Fragen:
Was denken alle anderen, wie sich die Aktienmärkte künftig entwickeln?
Wie unterscheidet sich meine Erwartung von den Konsensus-Erwartungen und warum?
Welche Gründe gibt es, dass meine Einschätzung zutreffender sein sollte als die der anderen?
Welche Zukunftsszenarien gibt es, welche Eintrittswahrscheinlichkeit haben sie, und was bedeuten sie für die künftigen Aktienkurse?
Was passiert mit den Aktienkursen, wenn meine Erwartung über die Zentralbankpolitik richtig ist und alle anderen falsch liegen?
Richtig denken
Überrenditen zu erzielen, ist möglich, wie die Erfolge von namhaften Investoren zeigen. Allerdings ist das – wie gezeigt – alles andere als leicht. Oder wie sagt es Investmentlegende Charlie Munger (*1924) treffend: „It’s not supposed to be easy. Anyone who finds it easy is stupid.“ Ins Deutsche übersetzt: „Man sollte nicht meinen, es sei einfach. Jeder, der es einfach findet, ist dumm.”
Wer nach Überrendite strebt, muss nicht nur unkonventionell denken, es muss ihm auch gleichzeitig auch gelingen, zur richtigen Zeit in System 2 zu denken: Richtiges Denken beim Investieren – das Denken in System 2 und nicht nur in System 1 – ist ein unverzichtbares Element, um langfristig erfolgreich zu sein. Das erfreuliche daran ist, dass man nach Kahneman das Denken in System 2 durch Übung lernen kann.
[1] Erklärung: x = Preis des Baseballschlägers, y = Preis des Baseballs. Es gilt x + y = 1,10. Wenn der Baseballschläger 1 Euro mehr kostet als der Ball, gilt: y + 1 = x. Somit gilt: (y + 1) + y = 1,10. Daraus folgt: x = 1,05 und y = 0,05.