Intelligent Investieren

Investmenterfolg durch richtiges Denken

Thorsten Polleit
Thorsten Polleit Chefvolkswirt der Degussa

Schnell kann uns das Gehirn in die Irre führen - und zu teuren Fehlern verleiten. Wer das weiß - und zu nutzen versteht, investiert erfolgreicher.

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Diese Mythen ranken sich um unser Hirn
Der Mythos: Süßes hilft gegen Stress Quelle: dpa
Der Mythos: Alkohol tötet Gehirnzellen ab Quelle: dpa
Der Mythos: Wir haben 100 Milliarden Gehirnzellen Quelle: dpa
Der Mythos: Wir nutzen nur zehn Prozent unseres Gehirns Quelle: Fotolia
Der Mythos: Wir haben nur fünf Sinne Quelle: Fotolia
Der Mythos: Mozart-Musik steigert die Intelligenz Quelle: dpa/dpaweb
Der Mythos: Es kommt auf die Größe an Quelle: dpa

Unser Gehirn – eines der komplexesten Gebilde, das wir kennen – kann uns so manchen Streich spielen und uns zu falschen Entscheidungen verleiten, wenn wir nicht lernen, es richtig einzusetzen. Das hat der israelisch-amerikanische Psychologe Daniel Kahneman (*1934), zusammen mit seinem Mitstreiter Amos Tversky (1937 – 1996), in zahlreichen Experimenten eingehend erforscht.

Kahneman wurde 2002 mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet. Sein Buch „Thinking, Fast and Slow“ (2011) wurde zum Weltbestseller. Mit Tversky hat er 1979 die „Prospect Theory“ (übersetzt: „Neue Erwartungstheorie“) formuliert. Sie hat im Bereich der Entscheidungstheorie beziehungsweise Verhaltensökonomik („Behavioral Economics“) große Aufmerksamkeit gefunden.

Nach Kahneman besitzt der Mensch zwei Systeme des Denkens. „System 1“ arbeitet schnell, intuitiv und emotional, um die Handlungssituation zu erfassen und uns die Handlungsempfehlung zu geben. Es funktioniert quasi automatisch mit relativ wenig Aufwand. Dazu einige Beispiele. Wir können in der Regel an der Stimmlage schnell erkennen, ob jemand zornig ist oder nicht.

Oder wenn die Frage lautet „Wie heißt die Hauptstadt von Frankreich?“, ist die Antwort sogleich „Paris“. Oder: Was ist das Ergebnis von 2 + 2? Wir müssen nicht lange nachdenken, um die Antwort zu finden: 4. Oder: Es fällt uns nicht schwer zu verstehen, was gemeint ist, wenn jemand sagt: „Ich habe Hunger“. Allerdings stößt die Nützlichkeit, die das Denken in System 1 hat, auch rasch an Grenzen.

Gehirn-Training: Fünf Übungen

Frage: Was folgt logisch aus den Argumenten (1) „Alle Lebewesen sind sterblich“ und (2) „Der Mensch ist ein Lebewesen“? Die meisten von uns müssen vermutlich etwas nachdenken, um die richtige Antwort zu finden: „Der Mensch ist sterblich.“ Oder: Merken Sie sich eine zwölfstellige Telefonnummer nach einmaligem Vorsagen. Die meisten von uns stellt das vor Schwierigkeiten.

Nicht selten führt uns System 1 sogar in die Irre. Beispiel: Ein Baseballschläger, bestehend aus Baseball und Schläger, kostet 1,10 Euro. Der Schläger kostet einen Dollar mehr als ein Baseball. Frage: Was kostet der Baseball? Die meisten antworten: 10 Cent. Doch die richtige Antwort (sie wird am Ende des Artikels erklärt [1]) lautet: Der Ball kostet 5 Cent. Sie ahnen es: Mit dem Denken, wie es System 1 vollzieht, kommen wir bei diesen Aufgaben nicht weiter.

Glücklicherweise verfügen wir nicht nur über System 1, sondern auch über ein „System 2“. Letzteres steht für aufwendiges, tiefgehendes Denken. Es erfordert Anstrengung, es stellt sich – anders als System 1 – nicht automatisch ein. Über das Denken in System 1 und System 2 Bescheid zu wissen und es situationsgerecht einzusetzen, ist besonders wichtig für alle, die langfristig erfolgreich investieren wollen.

Der erste Schritt zur Überrendite

Erfolgreich investieren bedeutet, dass man besser abschneidet als der Gesamtmarkt, dass man also eine „Überrendite“ erzielt. Das ist eine sehr anspruchsvolle Herausforderung. Denn die Preisbildung auf den Märkten für zum Beispiel Aktien, Anleihen, Währungen oder Edelmetalle bietet in der Regel nur recht selten die Möglichkeit, Überrenditen erzielen zu können.

Das liegt daran, dass der Marktprozess meist sehr schnell und umfassend die Kurse an neue Informationen anpasst. Nehmen wir an, der Preis für eine bestimmte Aktie reflektiert bereits alle Informationen, die für ihren Wert relevant sind. Wer die Aktie zu diesem Preis kauft, kann nicht auf eine Überrendite hoffen. Wie aber kommt man dem Ziel, eine Überrendite zu erzielen, näher?

Indem man sich zunächst das Folgende klar macht: Wer denkt und handelt, wie alle anderen (also konventionell), wird Ergebnisse erzielen, die auch alle anderen erzielen – also keine Überrenditen. Man wird, wenn die Entwicklung eintritt, die alle erwarten, ein durchschnittlich gutes Ergebnis erreichen; und wenn die Entwicklung nicht eintritt, ein durchschnittlich schlechtes Ergebnis.

Konventionelles
Verhalten
Unkonventionelles
Verhalten
Positiver
Ausgang
durchschnittlich
gutes Ergebnis
Besser als der Durchschnitt
(Überrenditen)
Negativer
Ausgang
durchschnittlich
schlechtes Ergebnis
Schlechter als der
Durchschnitt

Quelle: Howard Marks

Wer hingegen anders als die anderen vorgeht (also unkonventionell handelt), hat zwar prinzipiell die Möglichkeit, eine Überrendite zu erzielen. Allerdings auch nur dann, wenn das Szenario, das er seinen Dispositionen zugrunde legt, auch tatsächlich eintritt. Er wird schlechter als der Durchschnitt abschneiden, wenn das Szenario nicht eintritt.

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