Intelligent Investieren

So finden Sie gute und günstige Aktien

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Suche nach dem "richtigen" KGV

Doch die entscheidende Frage ist dabei: Wo liegt das „richtige“ Markt-KGV? Bei 10, 15 oder bei 20 oder 30? Und vor allem: Ist das KGV im Zeitablauf eine Konstante? Wie schwierig die Beantwortung dieser Fragen ist, wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass das KGV nicht unabhängig vom Zins ist. Befindet sich beispielsweise der Zins auf einem niedrigen Niveau – weil die Zentralbanken mit ihrer Geldpolitik den Zins herunterdrücken –, wird auch das KGV höher ausfallen (im Vergleich mit einer Situation, in der die Zinsen nicht künstlich gedrückt sind). Diesen Zusammenhang illustriert die nachstehende Grafik.

Sie zeigt für die Zeit Februar 1973 bis September 2017 das KGV für den US-Aktienmarkt sowie den 1-Jahreszins in Prozent. Zwei Dinge sind (durch die Methode des genauen Hinschauens) zu erkennen. Zum einen besteht zwischen den beiden Zeitserien ein negativer Zusammenhang: Steigende Zinsen gingen einher mit einem fallenden KGV, und umgekehrt. Zum anderen weisen beide Zeitreihen einen Trend auf: Das KGV ist trendmäßig gestiegen, der Zins trendmäßig gefallen. Wer darauf gesetzt hat, das Auf und Ab von KGV und Zins werde sich stets auf einen konstanten Mittelwert zurückbilden, wurde enttäuscht.   

Diese wenigen Überlegungen mögen bereits deutlich gemacht haben, dass zwar das KGV eine für Investitionsentscheidungen grundsätzliche sinnvolle Sichtweise zum Ausdruck bringt: Der Kaufpreis der Aktien muss in einem ökonomisch angemessenen Verhältnis zum erwarteten Ertrag (in Form des Gewinns pro Aktie) stehen. Jedoch – und das sollte ebenfalls ersichtlich geworden sein – ist das praktische Verwenden des KGV alles andere als problemlos. Unkritisch verwendet, ist die Gefahr sogar recht groß, dass der Blick auf das KGV zu systematisch falschen Investitionsentscheidungen verleitet. Das kann vor allem in der langen Frist dem Anleger erhebliche (Opportunitäts-)Verluste bescheren.

Wie die Profis mit abdiskontierten Dividenden

Glücklicherweise gibt es ein durchdachteres Verfahren: das „Dividenden-Diskontierungs-Modell“, das bereits 1937 vom US-amerikanischen Ökonomen John Burr Williams (1900 – 1986) vorgelegt wurde. Danach bestimmt sich der (fundamentale) Wert einer Aktie als die Summe aller abdiskontierten Dividenden (beziehungsweise Gewinne), die ein Unternehmen künftig erzielt. Will man Williams Modell in der Praxis anwenden, muss man die künftigen Gewinne schätzen und einen geeigneten Diskontierungszins festlegen. Das ist zwar mit einigem Aufwand verbunden, hat jedoch auch eine positive, eine disziplinierende Wirkung.

Jeder, der sich mit dem Dividenden-Diskontierungs-Modell befasst, wird beispielsweise rasch merken, dass man sich intensiv mit einem Unternehmen beschäftigen muss, um halbwegs verlässliche Schätzungen der künftigen Gewinne abgeben zu können. Bei den einen Unternehmen ist das relativ einfach, bei anderen hingegen schwierig, bei wieder anderen geradezu unmöglich. Sie werden also selbst rasch bemerken, bei welchen Unternehmen beziehungsweise Branchen Sie sich auskennen (und Grund haben zu investieren) und in welchen nicht (und Grund haben sich fernzuhalten).

Zudem leitet Sie das Dividenden-Diskontierungsmodell an, sich eingehend Gedanken zu machen über den Zins, mit dem Sie die geschätzten Zukunftsgewinne abdiskontieren. Aktuell muss der Investor die Frage beantworten: Soll ich mit einem niedrigen Zins von, sagen wir, 0,5 Prozentpunkten abzinsen? Oder soll ich einen langfristigen Durchschnittszins von, sagen wir, fünf Prozent verwenden? Je höher der gewählte Diskontierungszins, desto niedriger wird auch der faire Wert der Aktie ausfallen – und entsprechend werden bei einem niedrigen Zins Aktien interessant, die bei einem höheren Zins unattraktiv sind.

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