Herr Kaldemorgen, bis 2011 waren Sie Geschäftsführer und Chefstratege für Aktien bei der DWS. Sie verwalteten mehrere milliardenschwere Aktienfonds. Inzwischen sind Sie „nur noch“ einfacher Fondsmanager. Ist es Ihnen schwergefallen, loszulassen?
Klaus Kaldemorgen: Nein, gar nicht. Ich habe in der Zeit davor versucht, mit der Geschäftsführung und dem Fondsmanagement zwei sehr aufwändige Sachen gleichzeitig zu machen. Allein zeitmäßig war es äußerst schwierig, den Aufgaben gerecht zu werden. Ich habe mich daher wieder auf meine Kernkompetenz zurückgezogen und das ist für mich ganz klar das Fondsmanagement.
Sie haben aber nicht nur vom Aktienchef und Geschäftsführer zum Fondsmanager gewechselt, sondern auch die Mandate für Aktienfonds abgegeben. Mit dem Concept Kaldemorgen verfolgen Sie einem Total-Return Ansatz. Glauben Sie nicht mehr an Aktien?
Oh doch. Aber wir hatten seit 2000 zwei Kapitalmarktkrisen erlebt. Es hat mich schon sehr gestört, dass man als Aktienfondsmanager eine Benchmark schlagen muss und bei Rückschlägen nicht aus den Märkten rausgehen oder absichern kann. Das Geld der Anleger floss damals vor allem in vermögensverwaltende Produkte. Doch hier dominierten Vermögensverwalter wie Carmignac oder Flossbach. Kein großes deutsches Fondshaus hatte damals vergleichbare Produkte im Angebot. Einen vermögensverwaltenden Fonds aufzulegen, war für mich eine große Herausforderung.
Was Anleger jetzt beachten sollten
Die seit Jahrzehnten fallenden Zinsen haben ihren Tiefpunkt erreicht
Die Zinswende wird, wenn überhaupt, aber nur sehr verhalten ausfallen
Weil die verschuldeten Staaten keine hohen Zinszahlungen stemmen können, werden die Notenbanken die Zinsen noch lange weit unten halten
Sehr sichere Anleihen, Tages- und Festgeld bringen weniger als die Inflationsrate, real schmilzt hier Vermögen
Solide Anleihen sind dennoch oft besser als Geld auf dem Konto, das Risiko, dass die Bank pleitegeht, fällt weg
Dividendenstarke Aktien von Weltkonzernen sind attraktiver als sichere Anleihen und auf Sicht von zehn Jahren auch nicht riskanter
Der US-Dollar wertet zum Euro auf, das spricht für US-Aktien
Die Gelddruckorgien der Notenbanken gefährden das Papierwährungssystem. Anleger sichern sich mit Gold ab
Nach dem Crash ist Gold langsam, aber sicher wieder kaufenswert für Anleger, die noch keines besitzen
Für Lebensversicherungen spricht nicht die Rendite, sondern nur noch, dass sie für Anleger bequem sind und ihnen den Kapitalerhalt garantieren
Sie waren über Jahrzehnte mit Aktieninvestments sehr erfolgreich. Doch von 2009 bis 2011 rutschte die Performance bei Fonds wie den DWS Vermögensbildungsfonds I und Akkumula ab. Was ist damals passiert?
Ich habe Europa zu hoch und die USA zu niedrig gewichtet, auch weil ich keine großen Währungsrisiken eingehen wollte. Doch ab 2009 schwankten die Aktienmärkte sehr stark und es wäre besser gewesen, sich stärker an der Benchmark zu orientieren. Abweichungen wurden nicht belohnt.
Ihr neuer Fonds zählt heute im Zweijahresvergleich zu den besten Produkte seiner Kategorie. Zudem beträgt das Fondsvolumen schon wieder mehr als 500 Millionen Euro. Hat Sie wieder der Ehrgeiz gepackt?
Ohne Ehrgeiz können Sie als Fondsmanager nicht erfolgreich sein. Ich möchte mich mit Vermögensverwaltern der Spitzenklasse messen, wie Flossbach von Storch oder Carmignac.
Haben Sie persönlich Geld investiert?
Ja. Ich habe für mein eigenes Geld eine Anlage gesucht, die meine Philosophie spiegelt. Dieser Fonds begrenzt Risiken und ist ideal für Anleger, die älter sind als 40 und die Kursschwankungen ihrer Anlagen gering halten wollen.
"Ich bin doch auch ein Risiko"
Würden Sie sagen, der Fonds eignet sich als alleiniges Investment?
Um Gottes Willen. Ich bin doch auch ein Risiko und kann daneben liegen. Es ist daher keine schlechte Idee zum Beispiel die Portfolios mehrerer Vermögensverwalter zu kombinieren.
Machen dieser Fonds Sinn, wenn Eltern für ihre Kinder investieren wollen?
Wenn jemand sehr jung ist, können Sparpläne auf Aktien sinnvoller sein. Damit kann man langfristig höhere Renditen erzielen und Schwankungen kann man in diesem Fall aussitzen.
Sie glauben also noch an Aktien?
Aktien sind die spannendste Anlageklasse überhaupt und ohne sie kann Geldanlage nicht erfolgreich sein. Das zeigt ja auch der Concept Kaldemorgen. Als wir diesen Fonds aufgelegt hatten, gab es bei festverzinslichen Werten noch außerordentlich attraktive Renditen bei Unternehmensanleihen und zum Teil in der Peripherie Europas. Mittlerweile sind diese Renditen aber auf ein Niveau gefallen, welches keine vernünftige Entlohnung für das Zinsänderungs- und Kreditrisiko bietet. Aktien stellen deshalb zurzeit die attraktivere Anlagealternative dar. Das heißt allerdings nicht, dass sie dadurch risikoloser geworden sind. Es ist nun mein Job dieses Marktrisiko der Aktienanlage auf lange, aber auch kürzere Sicht zu steuern. Ich möchte auf keinen Fall das Rückschlagrisiko am Aktienmarkt herunterspielen, welches durch die starken Kurssteigerungen etwa beim Dax in jüngster Zeit deutlich gestiegen ist.
So kommen Aktien-Anleger durch das Zinstal
Niedrige Zinsen machen Aktien attraktiv im Vergleich zu anderen Anlageformen, besonders Staatsanleihen
Vor allem Aktien mit attraktiven Dividendenrenditen profitierten in den letzten Jahren von der Zinsdürre, da kapitalkräftige Großanleger wie Pensionsfonds sie gerne kaufen
Der Kapitalmarkt billigt Aktien höhere Bewertungen zu
Wer Geld längerfristig anlegen kann, sollte einen Teil davon weiterhin in Aktien stecken, je nach Risikoneigung etwa 20 bis 40 Prozent seines Geldes
Zuletzt reagierte die Börse immer weniger auf neue Zinssenkungen durch die Notenbanken; die Notenbank-Munition für die Börse bleibt zwar erhalten, nutzt sich aber in ihrer Wirkung offensichtlich ab. Wer bis jetzt überhaupt nicht in Aktien war, sollte daher nicht auf einen Schlag sehr viele Papiere kaufen
Ideal für Aktien sind die Bedingungen der letzten vier Jahre: niedrige Zinsen, viel Notenbank-Geld und leichte Inflation
Steigende Zinsen bedeuten, dass Kredite und Investitionen teurer werden
Bisher ging noch jedem Crash eine Zinswende voraus. Daher reagiert die Börse sensibel auf die Andeutungen der US-Notenbank von Mitte Juni, 2014 die Gelddruckprogramme zurückzufahren und die Zinsen anzuheben
Dividendenstarke Aktien großer Konzerne haben am meisten von den Niedrigzinsen profitiert; Großanleger kauften sie teils als Ersatz für Zinspapiere. Sie dürften es auch sein, die bei strafferer Geldpolitik am stärksten leiden, zumal sie schon sehr teuer sind
Anleger sollten Aktien generell zunächst meiden, wenn sich stärkere Zinserhöhungen andeuten; Aktien verlieren im Vergleich zu Zinspapieren heftiger
Langfristig führt an einem breit gestreuten Depot kein Weg vorbei, dazu gehören auch Aktien. Doch die Geldpolitik war nun schon sehr lange ideal – besser kann es kaum werden
Sie sind also für Aktien trotz der jüngsten Kursgewinne optimistischer als für Anleihen. Wo sehen Sie denn den deutschen Aktienmarkt zum Jahresende?
Schätzungen auf Zwölf-Monats-Sicht gehen derzeit von 9.800 bis 10.400 Punkten aus. Dass wir eine Jahresendrally bekommen, ist also durchaus möglich. Als Vermögensverwalter beginne ich aber auch hier zu rechnen – fünf bis sechs Prozent Gewinn auf Sicht von einem Jahr bei einer durchschnittlichen Volatilität von 15 im Dax sind taktisch gesehen nicht attraktiv.
Anleger sollten also aus Aktien rausgehen?
Das habe ich so nicht gesagt. Sehen Sie, es gibt die kurzfristig taktische und die langfristig strategische Sicht. Die meisten Deutschen berücksichtigen Aktien in ihrem Portfolio grundsätzlich zu wenig. Nur fünf Prozent des Geldvermögens ist hierzulande in diese Anlageklasse investiert. Das ist ein strukturelles Problem, das man angehen muss, wenn man mit seinem Geld Rendite erzielen will. Dennoch ist es taktisch gesehen nach der Hausse kein guter Zeitpunkt, um jetzt in den Dax einzusteigen.
Gibt es bei Ihrem Fonds konkrete Vorgaben in punkto Performance und Risiko?
Wir wollen in den schwarzen Zahlen bleiben und auch in schwierigen Marktphasen maximal einstellige Verluste schreiben. Als Ergebnis streben wir hohe einstellige Renditen an. Aber dafür gibt es natürlich keine Garantie. Es ist wie bei allen Total-Return-Fonds lediglich ein Ziel.
"Ein außergewöhnlicher Ansatz"
Strategien wie Total Return oder Multi-Strategy sind für Anleger oft eine Black Box. Was machen Sie denn nun anders als früher bei den Aktienfonds?
Die Streuung des Fondsvermögens über verschiedene Anlageklassen ist der Kern des Konzepts. Dazu gehören Aktien, Anleihen Währungen und Gold. Wichtig ist aber auch die Möglichkeit temporär in Cash als risikofreie Anlage zu gehen beziehungsweise Risiken über Derivate abzusichern. Die Einzeltitelauswahl bei Aktien und Anleihen soll wie bei benchmarkorientierten Fonds für Extraperformance sorgen. Bei Total Return Fonds kommt hier allerdings noch die Aufgabe hinzu, das Marktrisiko durch Timing und marktgerechte Allokation der Anlageklassen zu reduzieren.
Inwieweit fließt Ihr Know-how in die Titelauswahl ein und wie streng müssen Sie sich an die Hausmeinung halten?
Ich bringe bei unseren Managermeetings wie früher meine Meinung ein und stelle meine Überzeugung zur Diskussion. Meine Investments können aber auch von der Hausmeinung abweichen – schließlich fahre ich mit diesem Fonds einen außergewöhnlichen Ansatz, bei dem das Risiko sehr genau zu steuern ist.
Die Risikosteuerung ist neben der Vermögensaufteilung das zweite Kennzeichen eines Total Return Fonds. Wie funktioniert sie genau – insbesondere bei Aktien?
Grundsätzlich setzt sich ein Aktieninvestment aus mehreren Risiken zusammen: Das unternehmensspezifische Risiko, also die Einzeltitelauswahl, im Fachjargon auch „Alpha“ genannt, soll eine Überrendite gegenüber dem Markt, also einem Index, generieren. Das Marktrisiko, welches sich in der Bewegung des Index manifestiert, sollte gerade bei stark schwankenden Märkten zum Beispiel durch den Einsatz von Derivaten reduziert werden. Wenn ein Unternehmen in Fremdwährung handelt, ist gegebenenfalls das Währungsrisiko ganz oder teilweise abzusichern. Risikosteuerung bedeutet die Risiken der Aktieninvestments jeweils separat zu bewerten und zu managen.
Beim Aktienanteil des Concept Kaldemorgen profitieren Anleger also vor allem vom Alpha, also von der Überrendite, die durch die Titelauswahl entsteht. Das Marktrisiko kann hingegen abgesichert sein. Können Sie ein weiteres Beispiel nennen?
Obwohl ich weltweite Aktienportfolios gemanagt habe, gibt es Märkte, bei denen ich skeptisch bin, ob mir mit einer guten Titelauswahl ein Mehrertrag gelingt. Dazu zählt Japan. Mir war aber klar, dass das Programm von Ministerpräsident Abe ab Ende 2012 den Aktienmarkt beflügeln, die Währung aber schwächen dürfte. Ich habe also auf einen steigenden Nikkei und gleichzeitig auf einen sinkenden Yen gesetzt. Das hat mit entsprechenden Derivaten gut funktioniert.
Danke für das Interview.