Interview mit Klaus Kaldemorgen (Teil 1) "Rückschlagpotenzial ist deutlich gestiegen"

Klaus Kaldemorgen gehört zu den bekanntesten Fondsmanagern Deutschlands. Im Interview verrät der Anlageexperte, was er in den kommenden Wochen und Monaten an den Börsen erwartet und warum er noch immer an Aktien glaubt.

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Klaus Kaldemorgen zog sich 2012 als Chef der Deutschen-Bank-Tochter DWS zurück. Er gab Mandate für milliardenschwere Aktienfonds auf und konzentrierte sich auf einen Total-Return Fonds. Jetzt feiert der Fondsmanager ein beeindruckendes Comeback. Quelle: Presse

Herr Kaldemorgen, bis 2011 waren Sie Geschäftsführer und Chefstratege für Aktien bei der DWS. Sie verwalteten mehrere milliardenschwere Aktienfonds. Inzwischen sind Sie „nur noch“ einfacher Fondsmanager. Ist es Ihnen schwergefallen, loszulassen?
Klaus Kaldemorgen: Nein, gar nicht. Ich habe in der Zeit davor versucht, mit der Geschäftsführung und dem Fondsmanagement zwei sehr aufwändige Sachen gleichzeitig zu machen. Allein zeitmäßig war es äußerst schwierig, den Aufgaben gerecht zu werden. Ich habe mich daher wieder auf meine Kernkompetenz zurückgezogen und das ist für mich ganz klar das Fondsmanagement.

Sie haben aber nicht nur vom Aktienchef und Geschäftsführer zum Fondsmanager gewechselt, sondern auch die Mandate für  Aktienfonds abgegeben. Mit dem Concept Kaldemorgen verfolgen Sie einem Total-Return Ansatz. Glauben Sie nicht mehr an Aktien?
Oh doch. Aber wir hatten seit 2000 zwei Kapitalmarktkrisen erlebt. Es hat mich schon sehr gestört, dass man als Aktienfondsmanager eine Benchmark schlagen muss und bei Rückschlägen nicht aus den Märkten rausgehen oder absichern kann. Das Geld der Anleger floss damals vor allem in vermögensverwaltende Produkte. Doch hier dominierten Vermögensverwalter wie Carmignac oder Flossbach. Kein großes deutsches Fondshaus hatte damals vergleichbare Produkte im Angebot. Einen vermögensverwaltenden Fonds  aufzulegen, war für mich eine große Herausforderung.

Was Anleger jetzt beachten sollten

Sie waren über Jahrzehnte mit Aktieninvestments sehr erfolgreich. Doch von 2009 bis 2011 rutschte die Performance bei Fonds wie den DWS Vermögensbildungsfonds I und Akkumula ab. Was ist damals passiert?
Ich habe Europa zu hoch und die USA zu niedrig gewichtet, auch weil ich keine großen Währungsrisiken eingehen wollte. Doch ab 2009 schwankten die Aktienmärkte sehr stark und es wäre besser gewesen, sich stärker an der Benchmark zu orientieren. Abweichungen wurden nicht belohnt.

Ihr neuer Fonds zählt heute im Zweijahresvergleich zu den besten Produkte seiner Kategorie. Zudem beträgt das Fondsvolumen schon wieder mehr als 500 Millionen Euro. Hat Sie wieder der Ehrgeiz gepackt?

Ohne Ehrgeiz können Sie als Fondsmanager nicht erfolgreich sein. Ich möchte mich mit Vermögensverwaltern der Spitzenklasse messen, wie Flossbach von Storch oder Carmignac.

Haben Sie persönlich Geld investiert?
Ja. Ich habe für mein eigenes Geld eine Anlage gesucht, die meine Philosophie spiegelt. Dieser Fonds begrenzt Risiken und ist ideal für Anleger, die älter sind als 40 und die Kursschwankungen ihrer Anlagen gering halten wollen.

"Ich bin doch auch ein Risiko"

Würden Sie sagen, der Fonds eignet sich als alleiniges Investment?
Um Gottes Willen. Ich bin doch auch ein Risiko und kann daneben liegen. Es ist daher keine schlechte Idee zum Beispiel die Portfolios mehrerer Vermögensverwalter zu kombinieren.

Machen dieser Fonds Sinn, wenn Eltern für ihre Kinder investieren wollen?
Wenn jemand sehr  jung ist, können Sparpläne auf Aktien sinnvoller sein. Damit kann man langfristig höhere Renditen erzielen und Schwankungen kann man in diesem Fall aussitzen.

Sie glauben also noch an Aktien?
Aktien sind die spannendste Anlageklasse überhaupt und ohne sie kann Geldanlage nicht erfolgreich sein. Das zeigt ja auch der Concept Kaldemorgen. Als wir diesen Fonds aufgelegt hatten, gab es bei festverzinslichen Werten noch außerordentlich attraktive Renditen bei Unternehmensanleihen und zum Teil in der Peripherie Europas. Mittlerweile sind diese Renditen aber auf ein Niveau gefallen, welches keine vernünftige Entlohnung für das Zinsänderungs- und Kreditrisiko bietet. Aktien stellen deshalb zurzeit die attraktivere Anlagealternative dar. Das heißt allerdings nicht, dass sie dadurch risikoloser geworden sind. Es ist nun mein Job dieses Marktrisiko der Aktienanlage auf lange, aber auch kürzere Sicht zu steuern. Ich möchte auf keinen Fall das Rückschlagrisiko am Aktienmarkt herunterspielen, welches durch die starken Kurssteigerungen etwa beim Dax in jüngster Zeit deutlich gestiegen ist.

So kommen Aktien-Anleger durch das Zinstal

Sie sind also für Aktien trotz der jüngsten Kursgewinne optimistischer als für Anleihen. Wo sehen Sie denn den deutschen Aktienmarkt zum Jahresende?
Schätzungen auf Zwölf-Monats-Sicht gehen derzeit von 9.800 bis 10.400 Punkten aus. Dass wir eine Jahresendrally bekommen, ist also durchaus möglich. Als Vermögensverwalter beginne ich aber auch hier zu rechnen –  fünf bis sechs Prozent Gewinn auf Sicht von einem Jahr bei einer durchschnittlichen Volatilität von 15 im Dax sind taktisch gesehen nicht attraktiv.

Anleger sollten also aus Aktien rausgehen?
Das habe ich so nicht gesagt. Sehen Sie, es gibt die kurzfristig taktische und die langfristig strategische Sicht. Die meisten Deutschen berücksichtigen Aktien in ihrem Portfolio grundsätzlich zu wenig. Nur fünf Prozent des Geldvermögens ist  hierzulande in diese Anlageklasse investiert. Das ist ein strukturelles Problem, das man angehen muss, wenn man mit seinem Geld Rendite erzielen will. Dennoch ist es taktisch gesehen nach der Hausse kein guter Zeitpunkt, um jetzt in den Dax einzusteigen.

Gibt es bei Ihrem Fonds konkrete Vorgaben in punkto Performance und Risiko?
Wir wollen in den schwarzen Zahlen bleiben und auch in schwierigen Marktphasen maximal einstellige Verluste schreiben. Als Ergebnis streben wir hohe einstellige Renditen an. Aber dafür gibt es natürlich keine Garantie. Es ist wie bei allen Total-Return-Fonds lediglich ein Ziel.

"Ein außergewöhnlicher Ansatz"

Die Teilnehmer des Roundtable
Thomas Mayer Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche
Andrew Bosomworth Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche
Klaus Kaldemorgen Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche
Johannes Lörper Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche
Bert Flossbach Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

Strategien wie Total Return oder Multi-Strategy sind für Anleger oft eine Black Box. Was machen Sie denn nun anders als früher bei den Aktienfonds?
Die Streuung des Fondsvermögens über verschiedene Anlageklassen ist der Kern des Konzepts. Dazu gehören Aktien, Anleihen Währungen und Gold. Wichtig ist aber auch die Möglichkeit temporär in Cash als risikofreie Anlage zu gehen beziehungsweise Risiken über Derivate abzusichern. Die Einzeltitelauswahl bei Aktien und Anleihen soll wie bei benchmarkorientierten Fonds für Extraperformance sorgen. Bei Total Return Fonds kommt hier allerdings noch die Aufgabe hinzu, das Marktrisiko durch Timing und marktgerechte Allokation der Anlageklassen zu reduzieren.

Inwieweit fließt Ihr Know-how in die Titelauswahl ein und wie streng müssen Sie sich an die Hausmeinung halten?
Ich bringe bei unseren Managermeetings wie früher meine Meinung ein und stelle meine Überzeugung zur Diskussion. Meine Investments können aber auch von der Hausmeinung abweichen – schließlich fahre ich mit diesem Fonds einen außergewöhnlichen Ansatz, bei dem das Risiko sehr genau zu steuern ist.

Die Risikosteuerung ist neben der Vermögensaufteilung das zweite Kennzeichen eines Total Return Fonds. Wie funktioniert sie genau – insbesondere bei Aktien?
Grundsätzlich setzt sich ein Aktieninvestment aus mehreren Risiken zusammen: Das unternehmensspezifische Risiko, also die Einzeltitelauswahl, im Fachjargon auch „Alpha“ genannt, soll eine Überrendite gegenüber dem Markt, also einem Index, generieren. Das Marktrisiko, welches sich in der Bewegung des Index manifestiert, sollte gerade bei stark schwankenden Märkten zum Beispiel durch den Einsatz von Derivaten reduziert werden. Wenn ein Unternehmen in Fremdwährung handelt, ist gegebenenfalls das Währungsrisiko ganz oder teilweise abzusichern. Risikosteuerung bedeutet die Risiken der Aktieninvestments jeweils separat zu bewerten und zu managen.

Beim Aktienanteil des Concept Kaldemorgen profitieren Anleger also vor allem vom Alpha, also von der Überrendite, die durch die Titelauswahl entsteht. Das Marktrisiko kann hingegen abgesichert sein. Können Sie ein weiteres Beispiel nennen?
Obwohl ich weltweite Aktienportfolios gemanagt habe, gibt es Märkte, bei denen ich skeptisch bin, ob mir mit einer guten Titelauswahl ein Mehrertrag gelingt. Dazu zählt Japan. Mir war aber klar, dass das Programm von Ministerpräsident Abe ab Ende 2012 den Aktienmarkt beflügeln, die Währung aber schwächen dürfte. Ich habe also auf einen steigenden Nikkei und gleichzeitig auf einen sinkenden Yen gesetzt. Das hat mit entsprechenden Derivaten gut funktioniert.

Danke für das Interview.

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