Investieren in Zinspapiere Was den Anleihemarkt gefährlich macht

Wer mit Anleihen auch nur ansatzweise interessante Renditen erzielen möchte, muss wegen des weltweiten Zinstiefs höhere Risiken eingehen. Und jetzt warnt auch noch Ex-Fed-Chef Alan Greenspan vor einer gefährlichen Blase.

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Düsseldorf Die Spekulationen über ein Ende der extrem lockeren Geldpolitik in Europa und den USA nehmen nicht ab und haben die Anleiherenditen in den vergangenen Wochen und Monaten steigen lassen. Das klingt erstmal nach einer guten Nachricht für Anleger. Doch die Renditen solider Papiere sind immer noch homöopathisch niedrig.

Experten glauben nicht, dass sich daran zeitnah nachhaltig etwas ändert. „Das aktuelle Niedrigzinsumfeld zwingt Anleiheinvestoren schon seit einiger Zeit zum Umdenken“, sagt Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege der Fondsgesellschaft Fidelity International. Wer ansatzweise interessante Renditen möchte, muss höhere Risiken in Kauf nehmen. „Da zuletzt auch die Volatilität an den Anleihemärkten steigt, ist der Anleger gut beraten, eine genaue Abwägung seiner Strategie vorzunehmen“, so Roemheld.

Die Risikoaufschläge für Hochzinsanleihen und Schwellenländeranleihen in Lokalwährung beispielsweise sind von sehr attraktiven Niveaus noch zu Anfang des Jahres mittlerweile so stark gefallen, dass der Experte eine Anlage taktisch nicht mehr empfehlen könne. Der ehemalige Chef der amerikanischen Notenbank Fed, Alan Greenspan, warnt gar vor einer Blase am Anleihemarkt.

Dabei haben doch die meisten Investoren eher Angst vor einer Blase am Aktienmarkt angesichts der jahrelangen Rally und immer neuer Rekorde. Doch sie schauen auf den falschen Markt, warnt der Ex-Notenbanker. „Die realen langfristigen Zinsen sind auf lange Sicht zu niedrig und damit nicht nachhaltig“, so Greenspan. „Sollten sie höher steigen, wird das wahrscheinlich schnell passieren. Es bildet sich eine Blase nicht für die Aktien-, sondern für die Anleihepreise. Und die Marktteilnehmer preisen das nicht ein.“ 

Ist die Lage wirklich so brandgefährlich? Ganz so drastisch wie der ehemalige Notenbanker sehen Experten wie Robert Michele die Lage nicht. Aber auch der Global Chief Investment Officer von JP Morgan Asset Management sieht Risiken: „Wir glauben, dass das Marktumfeld in den nächsten zwölf bis 18 Monaten überaus herausfordernd sein wird“, sagt er. „Wenn die Zentralbanken ihren geldpolitischen Kurs ändern und ihre Bilanzen dadurch nicht mehr wachsen, sondern schrumpfen, dürfte das volatilere Vermögenspreise zur Folge haben.“ Ferner würden die Zentralbanken ihre Bilanzen zu einem Zeitpunkt normalisieren, zu dem der Wachstums- und Inflationsdruck noch verhalten sein dürfte.

Auch sei unklar, ob es von Seiten Washingtons zu fiskalpolitischen Anreizmaßnahmen kommt oder nicht, und ob ein harter Brexit bevorsteht. „In naher Zukunft werden wir herausfinden, in welchem Umfang die quantitativen Lockerungsmaßnahmen und die Nullzinspolitik der letzten Jahre zu einer niedrigen Volatilität und einer Inflation der Vermögenspreise geführt haben“, sagt Michele. „Wir sind darauf vorbereitet, das Unerwartete zu erwarten.“

Die Fed ist Vorreiterin darin, die Zügel der Geldpolitik wieder anzuziehen. Doch scheint sie immer mehr Nachahmer zu bekommen. So erhöhte jüngst die kanadische Notenbank überraschend die Zinsen um 0,25 Prozent. Und auch in Europa scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis die EZB ihre Geldpolitik ändert. Allerdings gab es in den vergangenen Wochen Versuche der Fed, Äußerungen wieder zu relativieren¸ die auf eine straffere Geldpolitik hingedeutet hatten. „Dieses Hin und Her der Äußerungen könnte ein Indiz dafür sein, dass auch die Fed zwischen den Risiken einer fortgesetzt lockeren Geldpolitik für die Stabilität der Finanzmärkte und denen einer verfrühten Maßnahme für die Konjunktur schwankt“, sagt Fidelity-Experte Roemheld. „Sollte sie am Ende doch gezwungen sein, die Märkte zu stützen, könnte es dieses Mal möglicherweise länger dauern, bis sie sich zum Eingreifen entschließt.“


Die Angst vor dem Liquiditäts-Entzug

Vorläufig wirkt die den Märkten bereitgestellte Liquidität unterstützend. Doch wann wird sich das ändern? „Unserer Meinung nach machen sich die Auswirkungen erst dann richtig bemerkbar, wenn dem Markt aktiv Kapital entzogen wird“, so Michele. „Wenn man davon ausgeht, dass die Fed gegen Ende des Jahres weitere Schritte unternimmt und sowohl die EZB als auch die Bank of Japan Kaufprogramme Anfang 2018 zurückfahren, so ist zu erwarten, dass die Dominanz der Zentralbanken mindestens noch ein weiteres Jahr anhält.“

Doch was passiert, wenn die Fed ihre Bilanz abschmilzt? Droht dann der Crash? Die Experten geben Entwarnung. „Die aufgeblähte Fed-Bilanz wird keine Belastungsprobe für die US-Zinspolitik“, ist Roemheld überzeugt. „Der Übergang zu einer kleineren Fed-Bilanz ist beherrschbar.“ Auf den ersten Blick sei die Bilanzsumme zwar enorm gewachsen und einiges weise darauf hin, dass sie auf diesem Niveau verharren werde.

Langfristig werde die Fed jedoch eine ausgewogenere Bilanz anstreben, wobei jedoch für sie keine Eile geboten scheine. „Ein Schrumpfen auf ganz natürliche Art könnte sie bewirken, indem sie die Erlöse aus zurückgezahlten Anleihen nicht in neue Anleihekäufe reinvestiert“, so der Experte. Allein 2018 stehen Staatsanleihen im Wert von über 400 Milliarden US-Dollar zur Rückzahlung an.

So weit ist die Europäische Zentralbank noch nicht. Die EZB will im Herbst über die Zukunft ihrer vor allem in Deutschland umstrittenen Anleihenkäufe beraten. Das auf 2,28 Billionen Euro angelegte Kaufprogramm ist momentan das schärfste Schwert der EZB im Kampf gegen eine aus ihrer Sicht zu niedrige Inflation.

Im Juni hatte die EZB einen ersten Mini-Schritt in Richtung Kurswende gewagt und weitere Zinssenkungen vorerst ausgeschlossen. Manche Experten hatten nun einen zweiten Trippelschritt erwartet, wurden aber enttäuscht. Die Euro-Wächter hielten an der Option fest, den Umfang sowie die Dauer ihrer Anleihenkäufe bei Bedarf noch auszuweiten. Deswegen blicken Investoren an den Finanzmärkten nun auf die Ratssitzungen am 7. September und 26. Oktober. Dann könnte ein Abschmelzen der Anleihenkäufe beschlossen werden.

Manche Experten erwarten nun, dass Draghi auf der Notenbank-Konferenz in Jackson Hole im US-Bundesstaat Wyoming im August einen Hinweis geben könnte, was im Herbst zu erwarten ist. Dort hatte Draghi 2014 die Märkte darauf vorbereitet, dass die EZB zum Kauf von Staatsanleihen bereit ist. Die EZB und die nationalen Notenbanken der Euro-Länder erwerben seit März 2015 Staatsanleihen und andere Wertpapiere - momentan für 60 Milliarden Euro pro Monat. Dieses Tempo soll noch bis mindestens Ende 2017 beibehalten werden. Mit den Käufen sollen Banken dazu bewogen werden, weniger in diese Titel zu investieren und stattdessen mehr Kredite auszureichen.

„Es scheint uns lediglich eine Frage der Zeit zu sein, wann sich die Europäische Zentralbank dazu entschließt, ihr Anleihekaufprogramm zu reduzieren beziehungsweise die Zinsen auf absehbare Zeit wieder anzuheben“, sagt Roemheld. Im Rahmen der letzten Notenbanksitzung habe Mario Draghi aber den Eindruck gemacht, sich damit noch etwas Zeit zu lassen. „Dies bereitet uns im Hinblick gerade auf die europäischen Anleihemärkte Sorgen, da der Euro-Raum sich noch in einem früheren Stadium der Erholung befindet als die USA“, sagt er. „Sollte die Europäische Zentralbank ihre Geldpolitik also ebenfalls straffen, könnte sich dies an den europäischen Anleihenmärkten in überproportionalen Kursrückgängen bemerkbar machen.“

Die aktuell robuste Konjunkturdynamik und die Hoffnung auf anziehende Inflationsraten schüren in der Eurozone derzeit die Erwartungen einer weniger expansiven Geldpolitik. In diesem Umfeld könnten die Anleihenmärkte zunächst unter Druck bleiben und die Zinsen weiter steigen.

Andreas Busch, Senior Analyst des Asset Managers Bantleon, erwartet im Laufe des zweiten Halbjahres allerdings eine nachlassende konjunkturelle Aufschwungsdynamik. Der Rückenwind, der auf die Euro-Zone von Asien ausgeht, sollte nachlassen und gleichzeitig  dürften die dämpfenden Effekte der Euro-Aufwertung stärker zu spüren sein. „In diesem Umfeld wird der Druck auf die EZB abnehmen, die geldpolitischen Rahmenbedingungen zu straffen, was die Anleihenmärkte temporär entlasten und die Zinsen entsprechend wieder sinken lässt“, so Busch.


Höhere Renditen, höhere Ausfallrisiken

Für Anleiheinvestoren ist das kein einfaches Umfeld. Wo finden sie noch Rendite? In Deutschland und der Euro-Zone auf jeden Fall nicht, zumindest dann nicht, wenn sie auf Papiere mit guter oder sehr guter Bonität setzen wollen. „In der Euro-Zone sieht es trotz des bemerkenswerten Zinsanstiegs der zurückliegenden Monate - bei zehnjährigen Bundesanleihen um rund 80 Basispunkte vom Allzeittief bei minus 0,20 Prozent auf bis zu plus 0,60 Prozent – nach nach wie vor mau aus“, sagt Busch. Selbst Unternehmensanleihen aus der Euro-Zone bieten aufgrund der auf langjährige Tiefststände gesunkenen Risikoaufschläge mit einer durchschnittlichen Rendite von 0,80 Prozent nicht viel mehr.

Im Vergleich dazu scheinen US-Anleihen auf den ersten Blick deutlich attraktiver. US-Treasuries rentieren im Mittel aller Laufzeiten bei etwa 1,90 Prozent, US-Unternehmensanleihen sogar knapp über drei Prozent. „Werden allerdings die Kosten der Währungsabsicherung berücksichtigt, die in Kauf genommen werden müssen, um das Risiko von Wechselkursschwankungen auszuschließen, schmilzt der vermeintliche Vorteil wieder in sich zusammen“, sagt Busch. Es sei denn, Anleger sind bereit, dass Währungsrisiko zu tragen.

Wer höhere Renditen erzielen will, kommt um das Eingehen größerer Ausfallrisiken nicht herum. Viele Anleger treibt es auf ihrer fast schon verzweifelten Suche nach Rendite in Hochzins- und Schwellenländer-Anleihen. Hier weisen Anleihen aus der Euro-Zone eine Rendite von 2,25 Prozent auf (Non-Financial) – in den USA sind es sogar 3,6 Prozent nach Währungsabsicherung. Emerging Market-Anleihen bieten ebenfalls höhere Renditen. Doch ein Allheilmittel sind auch die nicht.  „Neben den Ausfallsrisiken besteht hier indes zusätzlich die Gefahr, dass ein strafferer Zinserhöhungszyklus der Fed zur Belastung wird“, warnt Bantleon-Experte Busch.

Auch Michele von JP Morgan rät Anlegern, bei Investitionen in Schwellenländer Anleger etwas vorsichtiger zu sein, da es hinsichtlich des Wachstums etwas Zurückhaltung gebe. „Alles in allem sind deren Fundamentaldaten jedoch gut und ihre Bilanzen solider, so dass sie externe Schocks besser überstehen können“, sagt er. Die Inflation geht zurück und trotz der Straffungen durch die US-Notenbank erwartet er keine weitere signifikante Stärke des US-Dollar. „Die Schwellenländer können etwas bieten, das die Industrieländer in den meisten Fällen nicht vorweisen können: positive reale Renditen“, sagt Michele. „Insbesondere überzeugen uns dabei Schwellenmarktanleihen in Lokalwährung, wir schichten aber von rohstoff- in produktionsorientierte Volkswirtschaften und von Lateinamerika in zentral- und osteuropäische Länder um.“

Fidelity-Experte Roemheld sieht diese Anlageklasse allerdings etwas kritischer: „Schwellenländeranleihen in Hartwährungen werden im Falle eines steigenden US-Dollars bei steigenden US-Zinsen leiden“, warnt er. „Auch eine schwächere Konjunktur in China drückt diese Anlageklasse.“ Ähnlich sehe es bei Unternehmensanleihen aus Schwellenländern aus. Sie würden bei einer strafferen Geldpolitik und geringerem Wachstum in China ebenfalls unter Druck geraten. „Bei Schwellenländeranleihen in Lokalwährungen sehen wir das Tempo des jüngsten Kursanstiegs kritisch“, ergänzt er. „Es spricht möglicherweise für einen überzogenen Optimismus, der Kurskorrekturen nach sich ziehen sollte.“

Wohin also mit dem Geld? Vor dem Hintergrund weiterer Zinserhöhungen erscheinen Fidelity aktuell noch asiatische oder US-amerikanische Investment-Grade Unternehmensanleihen interessant. Den europäischen Markt würde Roemheld meiden, da zum einen die Renditen mit unter einem Prozent nicht sehr attraktiv sind und die Anlageklasse zum anderen unter einer möglicherweise baldigen Reduzierung des Anleihekaufprogramms der Europäischen Zentralbank leiden wird. „Die Risiken für Investment-Grade-Anleihen liegen vor allem im europäischen Raum“, sagt er. „Diese Papiere würden wir meiden, da zum einen die Renditen mit unter einem Prozent nicht sehr attraktiv sind und die Anlageklasse zum anderen unter einer möglicherweise baldigen Reduzierung des Anleihekaufprogramms der Europäischen Zentralbank leiden wird.“

Trotz teilweise schon teurer Marktbewertungen setzt man bei JP Morgan nach wie vor auf Unternehmensanleihen und Schwellenländer. „In Europa steht mehr Liquidität zur Verfügung als in den USA, und das Wachstum ist kräftig“, sagt Michel. Die Fundamentaldaten der Banken würden sich weiter verbessern. „Dies stellt einen Puffer für Hybridkapital von Banken dar und lässt die Renditen auf relativer Basis überaus attraktiv erscheinen.“ Die Ausfälle im Hochzinssegment seien rückläufig und es gebe noch Spielraum für eine leichte Einengung der Spreads. „Das Rückschlagspotenzial unterschätzen wir keinesfalls“, sagt der Experte. Und das sollten auch Anleger nicht tun.

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