Als Facebook im Mai 2012 an die Börse ging, fühlten sich erfahrene Anleger an die Dotcom-Blase um die Jahrtausendwende erinnert. Die Bewertungen an der Börse entpuppten sich als damals als dramatisch überzogen, die „New Economy“ bewies: Auch das Neue muss erst einmal Geld verdienen, um Anleger zu erfreuen.
Doch Facebook strafte die Skeptiker Lügen – wenn auch mit einiger Verspätung. Facebook startete mit einer Bewertung von 104 Milliarden Dollar in den ersten Handelstag an der Technologiebörse Nasdaq. Doch der Börsengang war vermurkst, die Aktie verlor in den darauffolgenden Wochen mehr als die Hälfte ihres Wertes.
Später aber bewies das soziale Netzwerk mit mittlerweile mehr als einer Milliarde Nutzern weltweit, dass es durchaus viel Geld verdienen kann. Heute notiert das Papier beim doppelten des Ausgabekurses. Facebook ist an der Börse heute rund 179 Milliarden Dollar wert. Wer die Aktie vor dem Börsendebüt gezeichnet hat, konnte sich also erst einmal ärgern. Wer aber erst im Kurstief wenige Monate nach dem Börsenstart Facebook-Aktien kaufte, konnte sich freuen.
Was Sie über die Börsenkandidaten wissen sollten
ZALANDO (Online-Versand von Schuhen und Bekleidung)
Börse: Frankfurt (Prime Standard)
Erstnotiz: 1. Oktober
Zuteilungspreis: 21,50 Euro
Eigentümer: Kinnevik (36,5 Prozent), European Founders Fund/Gebrüder Samwer (17 Prozent), Bestseller/Anders Holch Povlsen (10 Prozent), Tengelmann (5 Prozent), Holtzbrinck Ventures (8 Prozent), OTPP (2 Prozent)
Bewertung: bis zu 5,34 Milliarden Euro
Platzierungsvolumen: 526 Mio. Euro (605 Mio. Euro inkl. Mehrzuteilung)
Streubesitz: 11,3 Prozent
Banken: Credit Suisse, Morgan Stanley und Goldman Sachs
Umsatz und Ebit:
2011: 510 Mio. Euro Umsatz, Ebit¹: -57 Mio. Euro
2012: 1159 Mio. Euro, Ebit¹: -77 Mio. Euro
2013: 1762 Mio. Euro, Ebit¹: -99 Mio. Euro
2014: 2235 Mio. Euro², Ebit¹: 52 Mio. Euro
2015: 2784 Mio. Euro², Ebit¹: 136 Mio. Euro
2016: 3399 Mio. Euro², Ebit¹: 207 Mio. Euro
¹Gewinn vor Zinsen und Steuern, Nettogewinn ist weiter negativ
²Prognose der Deutschen Bank
ROCKET INTERNET (Holding von jungen Internet-Unternehmen)
Börse: Frankfurt (Entry Standard)
Erstnotiz / Handelsstart: 2. Oktober
Zeichnungsfrist: 24. September bis 1. Oktober
Preisspanne: 35,50 bis 42,50 Euro
Platzierung: 33 bis 38 Millionen Aktien
Volumen: 1,477 Millionen Euro
erwarteter Börsenwert des Unternehmens: 6,2 bis 6,7 Milliarden Euro
Eigentümer: Brüder Samwer (52,3 Prozent), Kinnevik (18,1 Prozent), United Internet (10,4 Prozent, Access Industries (Len Blavatnik, 8,3 Prozent), Philippine Long Distance Telephone (PLDT, 8,4 Prozent), Holtzbrinck Ventures (2,5 Prozent)
Banken: JPMorgan, Morgan Stanley, Berenberg
TELE COLUMBUS (Kabelnetzbetreiber)
Zeitpunkt: Herbst 2014
Eigentümer: mehrere Hedgefonds
Bewertung: mehr als 600 Millionen Euro
Volumen: rund 300 Millionen Euro
Banken: JPMorgan, Goldman Sachs
TLG IMMOBILIEN (Gewerbeimmobilien in Ostdeutschland)
Zeitpunkt: Herbst 2014
Eigentümer: Lone Star
Bewertung: 1,5 Milliarden Euro (inklusive Schulden)
Volumen: rund 500 Millionen Euro
Banken: UBS, JPMorgan
STEINHOFF (Möbelproduktion und -handel)
Zeitpunkt: nach dem 9. September
Eigentümer: börsennotiert, Gründer Bruno Steinhoff größter Aktionär
Bewertung: knapp 9 Milliarden Euro (Börsenwert)
Volumen: Wechsel von der Börse Johannesburg nach Frankfurt, Kapitalerhöhung im Juli durchgeführt, möglicherweise weitere Platzierung im Zuge des Wechsels des Börsenplatzes.
Banken: Kapitalerhöhung begleitet von Barclays, BNP Paribas, Citigroup, HSBC und Commerzbank
HELLA (Autoscheinwerfer-Hersteller)
Zeitpunkt: Herbst 2014 möglich
Eigentümer: Familie
Bewertung: rund 3,5 Milliarden Euro
Volumen: offen
Banken: Citi, Bankhaus Lampe
ARMACELL (Dämmstoff-Hersteller)
Zeitpunkt: Ende 2014/Anfang 2015
Eigentümer: Charterhouse Capital Partners
Bewertung: mehr als 600 Millionen Euro
Volumen: rund 300 Millionen Euro
Banken: Deutsche Bank, Bank of America Merrill Lynch, BNP Paribas
SCOUT24 (Betreiber von Online-Marktplätzen)
Zeitpunkt: Ende 2014/Anfang 2015
Eigentümer: Hellman & Friedman (49 Prozent), Blackstone (21 Prozent), Deutsche Telekom (30 Prozent)
Bewertung: ca. 2 Milliarden Euro
Volumen: rund 400 Millionen Euro (für 20 Prozent der Anteile)
Banken: Goldman Sachs, Credit Suisse als Koordinatoren (erwartet)
SIEMENS AUDIOLOGISCHE TECHNIK (Hörgeräte)
Zeitpunkt: frühestens Ende 2014
Eigentümer: Siemens AG
Bewertung: ca. 2 Milliarden Euro
Volumen: möglicherweise als Spin-off mit Ausgabe von Aktien an Siemens-Aktionäre
Banken: Auswahl in Kürze erwartet
AXEL SPRINGER DIGITAL CLASSIFIEDS (Online-Anzeigenbörse)
Zeitpunkt: Anfang 2015
Eigentümer: Axel Springer SE (70 Prozent), General Atlantic (30 Prozent)
Bewertung: rund drei Milliarden Euro
Volumen: offen
Banken: noch nicht ausgewählt
DOUGLAS (Parfümerie, Einzelhandel)
Zeitpunkt: Frühjahr 2015
Eigentümer: Advent International und Familie Kreke
Bewertung: rund zwei Milliarden Euro
Volumen: offen
Banken: noch nicht ausgewählt
HAPAG-LLOYD (Reederei)
Zeitpunkt: Herbst 2015
Eigentümer: (vor Vollzug der Fusion mit CSAV ) Stadt Hamburg (37 Prozent), Kühne Maritime (28 Prozent), TUI (22 Prozent), Signal Iduna (5 Prozent), HSH Nordbank (3 Prozent), M.M. Warburg & Co (2,9 Prozent) und HanseMerkur (1,8 Prozent), CSAV erhält zunächst 30, später 34 Prozent.
Ein Dutzend Börsengänge in Frankfurt
Nun planen wieder eine ganze Reihe von technologielastigen Unternehmen den Sprung an die Börse – und hoffen auf einen Erfolg schon beim Börsenstart. Mit Zalando, Alibaba, Rocket Internet, Scout24 und Axel Springer Digital Classifieds sind gleich vier im Milliardenbereich bewertete Unternehmen mit einer Aktienneuemission in der Warteschleife.
Die Liste ist hierzulande noch deutlich länger: Insgesamt ein Dutzend IPOs wären noch bis Jahresende an der Frankfurter Börse denkbar. Darunter die Hörgerätesparte von Siemens, Kabelnetzbetreiber Tele Columbus, Dämmstoff-Fabrikant Armacell oder Autoscheinwerfer-Hersteller Hella.
Auf den ersten Blick scheint die Zeit für einen Börsengang, kurz IPO (Initial Public Offering) für Unternehmen wie Anleger günstig. „Der IPO-Markt ist zyklisch“, erklärt Martin Steinbach, Experte für Börsengänge bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young. „Schon 2013 kam es zum Turnaround. Seitdem hat das Volumen der Börsengänge zugenommen, erst in den USA, jetzt in Europa.“
Dafür sieht Steinbach vor allem drei Gründe: die hohen Börsenbewertungen der Unternehmen, die relativ geringen Kursschwankungen und die positiven Geschäftsaussichten dank einer guten Konjunkturphase. Insgesamt sei das Börsenumfeld für IPOs in Europa so gut wie in den USA - wenn nicht sogar besser. „Der Markt ist noch nicht überhitzt. Gemessen an den Börsenständen müssten wir eigentlich deutlich mehr Börsengänge haben“, konstatiert Steinbach.
Rekordbörsengang voraus
Den Anfang dürfte das chinesische Schwergewicht Alibaba mit einem Handelsstart an der New York Stock Exchange machen. Die Erstnotiz wird für den 18. Oder 19. September erwartet. Das Platzierungsvolumen schätzen Beobachter möglicherweise sogar mehr als 20 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Facebook platzierte 2012 Aktien im Wert von 16 Milliarden Dollar.
Ab dem 8. September könnten Alibaba-Aktien den Investoren bereits zur Zeichnung angeboten werden. Die Schätzungen zur Börsenbewertung des Online-Händlers Alibaba reichen von 140 bis 230 Milliarden Dollar. Sollte Alibaba sogar mehr als 22,1 Milliarden Dollar platzieren, wäre es der größte Börsengang der Geschichte. Den bisherigen Rekord hält die Agricultural Bank of China, kurz ABC, seit ihrem Börsendebüt in Hongkong und Shanghai im Jahr 2010.
Alibaba ist laut Analysten größer als Amazon und Ebay zusammen. Im bereits im März abgelaufenen Geschäftsjahr hat der Gewinn laut Unternehmensangaben bei umgerechnet 3,7 Milliarden Dollar gelegen, der Umsatz lag bei 8,4 Milliarden Dollar. Dafür tätigte das Unternehmen Transaktionen im Wert von 248 Milliarden Dollar für 300 Millionen Kunden. Genaueres wird erst im Börsenprospekt stehen, den jedes Unternehmen vor seiner Aktienplatzierung vorlegen muss. Noch ist weder von Alibaba noch den anderen genannten Börsenaspiranten ein solcher Prospekt öffentlich.
Tech-Aktien sind gefragt
Auch aus Deutschland soll noch in diesem Jahr ein milliardenschwerer IPO kommen. Der Online-Modehändler Zalando strebt angeblich eine Unternehmensbewertung von vier bis fünf Milliarden Euro an und könnte den bisherigen Meldungen zufolge Aktien im Wert von etwa 500 und 600 Millionen Euro platzieren.
Das anfangs von den drei Samwer-Brüdern maßgeblich finanzierte Unternehmen könnte zugleich den Weg für die Holding der illustren Internetgründer ebnen. Ihr Unternehmen Rocket Internet bündelt viele junge Internet-Unternehmen. Mit einer erwarteten Bewertung von 3,3 Milliarden Euro kündigt sich so ein weiterer Tech-IPO größeren Kalibers an.
Noch 2013 waren am IPO-Markt vor allem sichere Häfen gesucht, sogenannte Value-Aktien. Deshalb wagten sich seitdem viele Immobilienunternehmen mit stabilen Cash-Flows aus die Börse. Jetzt sind zunehmend Wachstumswerte gefragt, was zwangläufig auch mit höheren Risiken einhergeht. Der Technologiesektor ist daher derzeit besonders im Fokus der Investoren.
Reif für die Börse
„Der beste Zeitpunkt für ein Börsendebüt – vor allem im Technologiesektor – ist gekommen, wenn das Unternehmen ein neues, tragfähiges Geschäftsmodell entwickelt und große Wachstumsperspektiven hat. Das ist die ideale Basis für einen steigenden Kurs. Voraussetzung dafür ist allerdings die interne Börsenfähigkeit des Unternehmens“, erklärt Unternehmensberater Steinbach. „Dann ist eine Aktienplatzierung ein guter Weg, um sich Geld für Investitionen zu beschaffen und das Unternehmen auf das nächste Level zu heben.“
Börsengang: Fakten und Begriffe
IPO steht für „Initial Public Offering“, was so viel wie „erstmaliges öffentliches Angebot“. Im Angelsächsischen spricht man bei einem Börsengang auch von „going public“. Es geht also um den Börsengang, der Anlegern erstmals öffentlich Teile des Unternehmens in Form vom Aktien anbietet. Die Aktien sind dabei ein – meist winziger – verbriefter Anteil am Eigenkapital eines Unternehmens.
Eine Neuemission ist ein Angebot neu geschaffener Wertpapiere. Das können Aktien, Anleihen, Zertifikate oder sonstige Wertpapiere sein. Kommen etwa bei einem Börsengang neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung auf den Markt, spricht man von einer Neuemission.
Sie legt den Zeitraum fest, innerhalb dessen ein Anleger neu emittierte Wertpapiere zeichnen kann, also sich durch schriftliche Erklärung die Übernahme eines bestimmten Betrags zusichern kann. Nur wenn die Nachfrage schwach ist, wird eine Zeichnungsfrist auch mal verlängert.
Vor Beginn der Zeichnungsfrist nennt das Unternehmen eine Preisspanne, zum Beispiel von 20 bis 25 Euro. Die Investoren teilen dann mit, wie viele Aktien sie zu übernehmen bereit sind und nennen dafür einen Preis innerhalb der Preisspanne. Kommen nicht genug Anfragen zusammen, kann das Unternehmen – der Emittent – die Preisspanne auch senken. Aus den Zeichnungsaufträgen ermittelt der Emittent dann den Ausgabepreis, zu dem es die Aktien den Investoren überlässt.
Bei vielen Börsengängen können über das genannte Emissionsvolumen hinaus in den Tagen nach der Erstnotiz an der Börse weitere Aktien ausgegeben werden. Diese Mehrzuteilung wird auch Greenshoe genannt. Sie kommt bei hoher Nachfrage nach den Wertpapier zum Einsatz. Wie groß der Greenshoe ist, muss im Börsenprospekt stehen.
Nachdem die Aktien zum Ausgabepreis an die Anleger verteilt worden sind, wird es ernst: Die Aktien werden zum ersten Mal an der Börse gehandelt. Aus Kauf- und Verkaufsangebot wird der erste Kurs im Handel ermittelt – die Aktie notiert zum ersten mal an der Börse. Die Erstnotiz erfolgt zum angekündigten Datum, der erste Handelskurs sollte über dem Ausgabepreis liegen.
Wertpapiere, die an einer Börse gehandelt werden, unterliegen bestimmten Spielregeln. An einem regulierten Markt sind diese besonders umfassend und verlangen zum Beispiel Banken, die den Handel betreuen und Berichtspflichten, wie die Veröffentlichung von Quartalsberichten nach bestimmten Vorschriften. Am unregulierten Markt sind die Vorschriften lascher und die eine Überwachung des Handels – etwa bei der Kursbestimmung - greift nicht.
Beim Börsengang kommt eine zuvor festgelegt Zahl an Aktien in den Börsenhandel. Der Wert all dieser Aktien zusammen entspricht dem Platzierungsvolumen. Dabei kann es sich um neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung (Neuemission) oder um Aktien der bisherigen Eigentümer und vorbörslichen Investoren handeln.
Multipliziert man den Aktienkurs mit der Zahl aller frei handelbaren Aktien eines Unternehmens, erhält man den Börsenwert eines Unternehmens. Dieser entspricht der Marktkapitalisierung gleichgesetzt. Die Aktien, die nicht zum Handel an der Börse zugelassen sind, – also im Bestand des Unternehmens verbleiben – sind dabei unberücksichtigt.
Unternehmen lassen selten alle Aktien an der Börse zum freien Handel zu, sondern lediglich einen Teil. Liegt etwa der Streubesitz bei 30 Prozent, sind auch nur 30 Prozent der Eigenkapitalanteile an der Börse handelbar. Je höher der Streubesitz, umso liquider ist der Handel und umso geringer die Kursschwankungen, die sich aus Kauf- und Verkaufsorders ergeben.
In der Regel verbleibt bei einem Börsengang ein großer Teil der Aktien in Besitz von den bisherigen Eigentümern. Während der Haltefrist – auch Lock-up-Periode genannt – dürfen sie aus diesem Bestand keine Aktien verkaufen. Eine lange Haltefrist gilt als Bekenntnis zu einem Unternehmen.
Die Konsortialbanken begleiten den Börsengang und anschließenden Aktienhandel für ein Unternehmen. Das lassen sich die Banken natürlich vom Unternehmen bezahlen. Eine besondere Aufgabe fällt den Konsortialbanken zu, die sich als Designated Sponsor engagieren. Sie sorgen dafür, dass der Handel liquide bleibt, auch wenn zum Beispiel Käufer keinen Verkäufer der Papiere finden. Dann übernehmen sie den Part des Verkäufers, damit immer ein Kurs gestellt werden kann.
Darunter versteht man das Verfahren, mit dem der Preis für neu an die Börse zu bringende Aktien festgelegt wird. Da vor der Emission von neuen Aktien kein Börsenhandel mit diesen Papieren stattfindet, kann dieser Preis nicht durch Angebot und Nachfrage an der Börse bestimmt werden. Beim angelsächsischen Auktionsverfahren geben die Banken, die das Unternehmen an die Börse bringen, eine Preisspanne vor. Innerhalb dieser können Investoren ihre Gebote abgeben. Auf Grund der vorliegenden Orderlage wird der tatsächliche Emissionskurs letztlich aus dem Gebots-Durchschnitt gebildet. Früher wurde das heute kaum noch gebräuchliche Festpreisverfahren angewandt, bei dem sich die beratenden Banken und die AG schon vor Verkaufsangebot auf einen Preis einigten, den Anleger dann akzeptieren mussten.
Die Roadshow ist eine Werbetour eines Unternehmens bei möglichen Investoren. Dabei wird versucht, möglichst viele Investoren zu gewinnen, die den angestrebten Preis für die Aktien zu zahlen bereit sind. Die Roadshow ist daher wichtig, um die richtige Preisspanne auszuloten.
Für Unternehmen ist die Finanzierung über einen Börsengang der komplizierteste, aber auch einträglichste Weg. „Je größer ein IPO ist, umso günstiger ist er für das Unternehmen“, sagt Steinbach mit Blick auf die Kosten für die beauftragten Banken und Berater. „In der Regel zahlt ein Börsendebütant fünf bis acht Prozent des Platzierungsvolumens für seinen Börsengang.“ Erst wenn ein Unternehmen bewiesen hat, dass sein Geschäftsmodell funktioniert und die Zahlen dies widerspiegeln, ist es reif für die Börse.
Aber nicht jeder gelungene Börsengang erfreut in der Folge auch die Anleger. Die entscheidende Größe für einen Investor ist daher der Einstiegspreis, der wiederum von der Unternehmensbewertung abhängt.
Wie aber kommt es zu einer realistischen Bewertung eines Börsenkandidaten? „Die Börse bezahlt nicht für die Vergangenheit, sondern für die Zukunft. Letztlich hängt der Preis einer neuen Aktie davon ab, welche Erwartungen ein Unternehmen schürt und ob es diese auch erfüllen kann“, sagt IPO-Experte Steinbach. „Um den Ausgabepreis zu finden, werden die erwarteten Gewinne in der Zukunft finanzmathematisch auf heute zurückgerechnet.“ Die Kursentwicklung der neuen Aktien hängt dann wesentlich davon ab, ob die Unternehmensprognosen eintreffen. Die Unternehmen müssen sich daher gut vorbereiten.
Es gibt aber noch eine Reihe von Faktoren, die für die künftige Kursentwicklung eine wesentliche Rolle spielen.
Orderbuch
Damit ein Börsengang aus Sicht von Emittent und Investor ein Erfolg ist, sollte das Orderbuch – quasi die Bestellliste für die neuen Aktien - das Angebot um das eineinhalb- bis zweifache übersteigen. Dann sind auch Zeichnungsgewinne in Höhe des langjährigen Durchschnitts von zehn bis 15 Prozent drin. Ist die Nachfrage nach den neuen Wertpapieren geringer, drohen am ersten Handelstag Kurverluste. Damit die Nachfrage hoch genug ausfällt, muss aber die "Story" des Unternehmens die Investoren elektrisieren. Das wiederum hängt maßgeblich von den Wachstumsperspektiven ab.
Wachstumsstrategie oder Ausstieg der Altaktionäre
"Die vielen angekündigten Börsengänge im Herbst begrüßen wir ausdrücklich. Das bringt Bewegung in den Markt“, sagt Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). „Oft scheint es, als würden die IPOs gerade im ausgereizten Börsenhoch stattfinden, um noch schnell Kasse zu machen. Aber diesmal haben wir diesen Eindruck nicht.“
Wichtige Warnsignale
Dennoch, so Aktionärsschützer Tüngler, sollten sich Anleger immer fragen, warum der Börsengang gerade jetzt stattfindet und was mit dem eingesammelten Geld geschehen soll. „Dient eine Aktienplatzierung vor allem dem Ausstieg und der Bezahlung der Alteigentümer, wäre das lediglich eine Form von Risikoabwälzung auf die Anleger und ein Warnsignal. Dann gibt es keinen Grund, so ein Papier zu kaufen“, sagt Tüngler.
Denn dieses Geld fehlt für die weitere Expansion. Beim Börsengang der Telekom in den Neunzigerjahren machte zum Beispiel der Bund als Eigentümer kräftig Kasse. Das Geld kam nie bei der Telekom an. Der tiefe Fall der „Volksaktie“ ist längst als eins der dunkelsten Kapitel in die deutsche Börsenhistorie eingegangen.
Eine Platzierung neuer Aktien aus einer Kapitalerhöhung ist hingegen eine gute Sache, wenn mit dem Geld eine konkrete und vielversprechende Wachstumsstrategie verfolgt wird. „Das heißt noch nicht, dass Anleger dann blind zuschnappen sollten. Auch eine Platzierung aus einer Kapitalerhöhung ist kein Selbstläufer“, bremst Tüngler.
Beim bevorstehenden Börsengang des Online-Modehändlers Zalando sei die Tatsache, dass alle Alteigentümer ihre Aktien behalten wollen, dennoch ein gutes Zeichen – auch wenn noch unklar ist, wie und wofür Zalando das Geld aus dem Börsengang genau einsetzen will.
Haltefristen
Wichtig für Investoren ist auch die Frage, ob und vor allem wann die Altaktionäre ihre Anteile an der Börse verkaufen dürfen. Anteilseigner, die an den Erfolg eines Börsendebütanten glauben, beugen sich deshalb der sogenannten Haltefrist oder auch Lock-up-Periode, die mindestens zwölf Monate andauern sollte. In dieser Zeit dürfen sie ihre Anteile nicht verkaufen und somit auch keinen Druck auf den Börsenkurs ausüben.
Die Haltefrist muss im Börsenprospekt vermerkt sein. Fehlt diese Zusage oder ist es die Haltefrist nur kurz, ist das für die Käufer neuer Aktien ein Malus.
Peer-group-Vergleich und Kurs-Gewinn-Verhältnis
Wichtig für die Einschätzung, ob ein Börsenneuling hoch oder niedrig bewertet ist, ist vor allem der Vergleich mit Wettbewerbern und vergleichbaren Unternehmen. Dieser Peer-group-Vergleich ist ebenfalls im Börsenprospekt zu finden – auch wenn die Auswahl der Vergleichsunternehmen oft diskussionsfähig ist.
Anhand von Zahlen wie Umsatz, Gewinn, Gewinnmarge, Kunden- und Mitarbeiterzahl und anderen Größen lässt sich zumindest ungefähr abschätzen, ob die neuen Aktien zu einem angemessenen Preis an die Börse gehen. Um zu einer fundierten Einschätzung zu gelangen, müssen Anleger aber mitunter tief in die Geschäftsberichte der anderen Unternehmen eintauchen.
9 Tipps die Sie bei Neuemissionen beachten sollten
Ob Twitter, Facebook, Rocket Internet oder Alibaba: IPOs üben immer wieder einen großen Reiz auf Anleger aus. Doch es gibt einiges zu beachten, damit man sich an den Börsenneulingen nicht die Finger verbrennt. Beispielsweise: Wie soll der Emissionserlös, der Gewinn aus den Aktienverkäufen, verwendet werden? Fließt das Geld in das Unternehmen oder werden lediglich die Interessen Dritter befriedigt?
Wie lange wollen die Altaktionäre ihre Anteile halten? An den Lock-up- oder Haltefristen können Sie gut erkennen, ob das Management an einen langfristigen Erfolg des Unternehmens glaubt oder nur auf einen kurzfristigen Kursgewinn spekuliert.
Ist die Höhe des Emissionspreises, der Preis für die Aktien, angemessen im Vergleich zu anderen, ähnlichen Unternehmen aus der Branche? Ist das Unternehmen damit fair bewertet oder künstlich hochgespielt?
Wie sehen die Umsatz- und Gewinnzahlen, die Kennziffern des Unternehmens in der Vergangenheit aus? Aber Vorsicht. In manchen wachstumskräftigen, aber riskanten Branchen (etwa in der Biotechnologie) ist es durchaus üblich, dass Unternehmen jahrelang Verluste einfahren, und trotzdem könnte eine Aktie zu empfehlen sein.
Gibt es für die Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens tatsächlich einen Bedarf, gibt es genügend Abnehmer? Nicht jede tolle Idee ist bei näherer Betrachtung auch wirklich marktfähig.
Wie sieht die Konkurrenzsituation aus? Gibt es starke Wettbewerber mit hoher finanzieller Schlagkraft?
Welchen Eindruck macht das Management auf Sie? Verfügt es über genügend Erfahrung und Kompetenz?
Wie professionell kommuniziert das Unternehmen nach außen? Sind die Botschaften kompetent, stringent und informativ?
Verstehen Sie die Geschäftsidee? Wenn nicht, dann sollten Sie auf diese Aktie verzichten und anderen den Vorzug geben/lassen.
Christine Bortenlänger, Ulrich Kirstein: Börse für Dummies – Machen Sie mehr aus Ihrem Geld. ISBN: 978-3-527-70734-8
Ein einfaches Maß ist hingegen das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). Es erfasst in einer Zahl, mit welchem Vielfachen des erwarteten Gewinns die Aktie an der Börse notiert. Das ist allerdings auch nicht mehr als eine grobe Hausnummer, lediglich im Vergleich zum Wettbewerb lässt sich daraus eine Über- oder Unterbewertung ableiten.
Vollends vergessen können Investoren das KGV, wenn das Unternehmen noch gar keinen Gewinn macht. Zalando etwa hat erst im vergangenen Quartal den Sprung in die Gewinnzone geschafft.
Aktien schwingen mit dem Markt
Auch wenn alles auf eine Kaufgelegenheit hindeutet, ist das kein Garant für steigende Kurse am ersten oder den darauffolgenden Handelstagen. Denn letzten Endes gibt oft der allgemeine Markttrend die Richtung für den Aktienkurs vor.
Die aktuelle Börsenphase findet Tüngler für Anleger ohnehin ausgesprochen schwierig. „Die Situation ist komplex und die Anleger verunsichert. Die Nachrichten aus den Unternehmen sind ja noch beherrschbar, aber Makrothemen wie die Notenbankpolitik, internationale Krisenherde, Sanktionen und mehr erschweren solide Entscheidungen. Die Anleger fühlen sich bei dieser Gemengelage eher wie auf dem Beifahrersitz“, berichtet Tüngler.
Emissionsprospekt unter der Lupe
Um einen Börsengang richtig zu bewerten, kommen Anleger nicht umhin, sich in den Börsenprospekt zu Vertiefen. Insbesondere mit den Kapiteln zu den wirtschaftlichen Chancen und den Risiken für das Unternehmen sollten sich Anleger intensiv beschäftigen. Allerdings ist die Lektüre des oft mehrere hundert Seiten umfassenden Prospekt auch mühselig. Aktionärsschützer Marc Tüngler rät dazu, sich erst mit den Chancen und abschließend mit den Risiken im Prospekt zu beschäftigen. Dort finden sich die Wachstumsprognosen, Marktanalysen, aber auch laufende Gerichtsverfahren oder die Abhängigkeit des Unternehmens von einzelnen Führungspersonen.
Zeichnen oder später einsteigen?
Ob Privatanleger die neuen Aktien schon vor ihrem Handelsstart zeichnen sollten, lässt sich nicht pauschal beantworten. Aktionärsschützer Tüngler beobachtet jedoch, dass die Anleger seit dem Börsenstart der Postbank – deren Kurs nach dem Debüt deutlich stark gesunken war – eher abwarten, wie sich eine Aktie an der Börse etabliert und erst später kaufen. „Auch wenn deshalb ein paar Prozente verloren gehen, ist das nicht schlimm, denn das ist dann der Preis für ein Mehr an Gewissheit", meint auch Tüngler.
Der spätere Einstieg über die Börse hat zudem den Charme, dass ein Bewertungsvergleich mit anderen Unternehmen einfacher ist, wenn die Börse eine neue Aktie bereits gehandelt hat und somit Marktpreise für das Papier zustande kommen.
Eisbrecher bahnen den Weg für kleine IPOs
Tüngler glaubt, dass die großen IPOs geradezu zum Erfolg verdammt seien. „Alibaba und Zalando müssen klappen, damit auch die kleineren Börsengange gelingen. Wenn diese beiden die Investoren nicht überzeugen, wird es für die kleineren viel schwieriger“, prognostiziert Tüngler.
Als Erfolg sieht er dabei einen ersten Handelskurs oberhalb des Ausgabepreises. „Außerdem sollte es am Anfang noch nicht zu viele Stützungskäufe geben. Bewegt sich der Kurs nach dem Börsengang wie ein Zitteraal um den Ausgabepreis, sollten Anleger vor einem möglichen Kurssturz gewarnt sein“, mahnt der Aktionärsschützer. Nach deutschem Aktienrecht ist es einen Monat lang nach der Erstnotiz erlaubt, durch Käufe den Kurs der Aktie zu stützen. Allerdings muss das Unternehmen darüber in einem Nachtrag zum Emissionsprospekt berichten.
Bei einer Wette auf einen Börsenneuling liegen Traumrendite und Desaster mitunter dicht beieinander. Wer aber wichtige Faktoren eines Börsengangs beachtet und nüchtern analysiert, hat gute Chancen und sollte keinen Totalverlust erleiden. Anleger, die sich für die neuen Aktien interessieren, sollten allerdings wissen, worauf es bei der Einschätzung von Börsenkandidaten ankommt.