Iran Aufstände, die den Ölpreis treiben

Öl verteuert sich zu Jahresbeginn merklich. Das hat vor allem mit den Aufständen in Iran zu tun. Das Kuriose an der Sache: Einschränkungen bei der Ölproduktion gibt es bislang gar nicht.

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Angesichts der Bedeutung, die Iran für den Ölmarkt hat, verwundert die Reaktion bei den Ölpreisen nicht. Quelle: dpa

Frankfurt Die Ölinvestoren sind beunruhigt. Und wenn sie beunruhigt sind, bekommen das Verbraucher meist zu spüren: Denn die Investoren beeinflussen mit ihren Käufen von Öl-Terminverträgen maßgeblich, ob der Preis des Rohstoffs steigt oder fällt. Hinter den Kaufentscheidungen der Investoren stehen häufig psychologische Faktoren und Markteinschätzungen. So ließen sich etwa die spekulativen Preissteigerungen nach den Ölförderkürzungsbeschlüssen der Organisation erdölexportierenden Staaten (Opec) begründen, als Investoren auf eine Angebotsverknappung setzten und massenhaft Ölterminverträge, sogenannte Futures kauften.

Und mit derartigen Käufen lassen sich auch die Preissteigerungen zu Beginn des Jahres begründen, zu einer Zeit in der Aufstände in Iran Ölinvestoren nervös machen. Seit die Proteste Ende vergangener Woche ausgebrochen sind, wird Öl immer teurer. Die beiden großen richtungsweisenden Sorten – das Nordseeöl Brent und das nordamerikanische Leichtöl WTI – kosten zu Jahresbeginn mehr als 60 Dollar je Barrel (159 Liter). Das hat es seit 2014 nicht gegeben.

Dabei wird laut der Nachrichtenagentur Reuters, die sich auf informierte Kreise beruft, die Ölproduktion Irans bislang gar nicht eingeschränkt. Bei den Aufständen gebe es bislang keine Angriffe auf Ölinfrastruktur, wie sie etwa immer wieder in Libyen vorkommen. Und doch wirken sich die Unruhen auf den Ölpreis aus. Kein Wunder: Iran produziert mit seinen derzeit 3,8 Millionen Barrel Rohöl pro Tag eine gewaltige Menge Öl. Sie allein stellt knapp vier Prozent der globalen Fördermenge. Das macht den Staat zum drittgrößten Mitglied der Opec, die salopp auch als „Ölkartell“ bezeichnet wird.

Die Furcht vor möglichen Produktionseinschränkungen treibt den Preis. Seit Beginn der Aufstände am vergangenen Donnerstag hat sich ein Barrel der Sorte Brent um etwa 70 Cent auf 67 Dollar verteuert. Am Dienstag hielt der Aufwärtstrend, und zwar obwohl mit der Forties-Pipeline die wichtigste Ölverbindung (sie hat eine Kapazität von 500.000 Barrel pro Tag) zwischen der Nordsee und Großbritannien nach drei Wochen des Stillstands wieder geöffnet wurde. „Dass der Brentölpreis darauf nicht mit Abschlägen reagiert, dürfte an den zunehmend gewalttätigen Unruhen in Iran liegen“, analysiert Eugen Weinberg, Chef-Rohstoffstratege der Commerzbank.

Auch Bjarne Schieldrop, Chef-Rohstoffanalyst der SEB erklärt laut Bloomberg, dass geopolitische Risiken hinter den jüngsten Preisanstiegen bei Öl stecken. Zwar gebe es noch keinen Anlass zur Sorge für Lieferunterbrechungen, doch wenn es so käme, „hätte dies einen riesigen Einfluss auf die globalen Rohölpreise.“


Land mit den viertgrößten Ölreserven

Langfristig dürfte die Ölproduktion hingegen nicht sinken, ganz im Gegenteil, glaubt Weinberg von der Commerzbank: Im Falle eines Regimewechsels und einer westlich orientierten Regierung dürften die Investitionen stark steigen und damit auch die Ölproduktion.

Auch wenn sich die aktuelle Regierung hält, dürfte die Förderung zunehmen. Seitdem der Westen seine Sanktionen gegen das Atomprogramm Irans Anfang 2016 aufgehoben hat, konnte das Land seine Produktion stark steigern, von damals 2,8 Millionen auf heute 3,8 Millionen Barrel pro Tag. Seit zwei Jahren buhlt die iranische Regierung um die Gunst westlicher Ölkonzerne, damit diese in die Infrastruktur investieren und dem Land zu einer größeren Produktion verhelfen. Bislang aber gibt es außer einer großen Partnerschaft mit der französischen Total im Gasbereich keine großen Abschlüsse für die Ölförderung.

Dass es Potenzial gibt, zeigen einerseits die knapp sechs Millionen Barrel Öl, die Iran in den 1970er-Jahren täglich gefördert hat. Andererseits besitzt Iran mit seinen 158 Milliarden Barrel Öl die viertgrößten nachgewiesenen Ölreserven der Welt. Mehr besitzen nur Kanada (171 Milliarden), Saudi-Arabien (267 Milliarden) und Venezuela (301 Milliarden).

Angesichts der Bedeutung, die Iran für den Ölmarkt hat, verwundert die Reaktion bei den Ölpreisen daher nicht. Wie stark die Aufstände Käufe bei Großinvestoren ausgelöst haben, lässt sich noch nicht sagen. Aktuelle Daten zum Futuremarkt, die dann auch die Zeit der Proteste einbeziehen, werden erst am Freitag veröffentlicht. Schon jetzt sind die Wetten auf steigende Preise auf Rekordniveau. Gut möglich, dass diese nun noch einmal zugenommen haben – auch wenn es bislang noch keinen akuten Grund zur Beunruhigung gibt.

Ohnehin wird die tragischste Bilanz der Auseinandersetzungen zwischen Aufständischen und der Regierung nicht am Ölmarkt, sondern bei der Opferzahl gezogen. Knapp 18 Tote zählen staatliche Institutionen bislang. Hinzu kommen hunderte Festnahmen.

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