Japans Aktienmarkt Crash mit Ansage

Die Brexit-Angst regiert den japanischen Aktienmarkt. Die Kurse sackten ab, obwohl die japanische Notenbank ihre Geldpolitik unverändert gelassen hatte. Einige Aktien traf es ganz besonders hart.

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Die Flucht der Investoren in den Yen lässt die Währung steigen und die Aktienkurse sinken. Quelle: dpa

Tokio Tokios Börse erlebte am Donnerstag einen Crash mit Ansage: Der Nikkei-225-Aktienpreisdurchschnitt sackte um drei Prozent auf 15.434 Punkte ab. Dabei hatte die Bank von Japan eigentlich gemacht, was die meisten Anleger erwartet hatten. Vor dem britischen Brexit-Referendum lockerte sie ihre Geldpolitik nicht weiter.

Wenn eine Nicht-Entscheidung wie diese solch harsche Reaktionen hervorruft, steckt zumeist eine größere Sorge dahinter. In diesem Fall ist es die Brexit-Angst, die auch und gerade den japanischen Markt fest im Griff hat. Dabei geht es nicht darum, dass Japan durch einen Austritt Großbritanniens unmittelbar schweren Schaden nehmen würde. Vielmehr gilt Japan als sicherer Hafen für Anleger in stürmischen Zeiten, wie sie aller Voraussicht nach eintreten werden, wenn die Briten für „Out“ votieren

Die Wirtschaft befindet sich auf einem – schwachen – Wachstumskurs, eine Schuldenkrise ist trotz der immensen Verbindlichkeiten Japans akut nicht in Sicht, die politische Lage ist stabil. Eigentlich ist dies ein gutes Zeichen in diesen chaotischen Zeiten. Doch für Anleger, die am japanischen Aktienmarkt investieren, wird gerade die Stabilität des Landes zum Problem.

Der Grund: Je verunsicherter die globalen Anleger werden, um so mehr Kapital strömt in den Yen. Dadurch schießt der Wechselkurs der japanischen Währung in die Höhe. Das verteuert die Waren der japanischen Exporteure im Ausland, ihre Gewinnaussichten sinken – und fertig ist die Mischung, die an der Börse für sinkende Aktienkurse sorgt.

Am Donnerstag sackte der US-Dollar um fast drei Prozent auf 103 Yen vor dem Komma ab. Das ist der härteste Yen-Kurs seit August 2014. Der Euro verlor um mehr als zwei Prozent an Wert und rangiert nun mit 117 Yen sogar auf dem Niveau von Januar 2013, also der Zeit vor dem Beginn des beispiellosen Kaufprogramms von japanischen Staatsanleihen durch die Bank von Japan im April 2013.

Auch der Zins für japanische Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit sank um 0,01 Prozentpunkte auf Minus 0,205 Prozent. Wie in Deutschland gilt dies als ein weiteres Zeichen der Flucht in vermeintliche Sicherheit.


Vorgeschmack auf die Folgen des Brexit

Schon politisch ist die Yen-Aktien-Schere ein Schlag sowohl für die Notenbank wie auch  Ministerpräsident Shinzo Abe, der sich am 10. Juli in Oberhauswahlen dem Volksvotum stellen muss. Denn auf dem Papier ist damit der Effekt der „Abenomics“, verpufft. So wird die Wirtschaftspolitik des Regierungschefs genannt, mit der vor allem ein Ziel erreicht werden soll: Die Inflation wieder anzukurbeln.

Abe und Notenbank-Chef Haruhiko Kuroda hatten 2013 das Ziel ausgegeben, durch eine Mischung aus Konjunkturprogrammen und Geld aus der Notenpresse eine höhere Inflation, einen schwächeren Yen und steigende Aktienkurse zu erzwingen. Strukturreformen sollten dann langfristig für einen Wachstumsschub sorgen.

Bis 2015 ging das Kalkül halbwegs auf: Der Yen sackte immer weiter ab und trieb die Aktienkurse in die Höhe. Doch seit dem China-Crash Anfang 2016 schlägt das Pendel immer stärker in die andere Richtung aus. Nicht einmal eine minimale Preissteigerungsrate stellte sich bisher ein. Am Donnerstag gestand Notenbankchef Haruhiko Kuroda zum ersten Mal öffentlich ein, dass die Inflation wohl noch etwas länger im Minus verharren wird, anstatt sich dem amtlichen Inflationsziel von zwei Prozent zu nähern.

Noch härter kommt es für Anleger. Denn die Yen-Stärke und Aktienschwäche in dieser Woche sind ein Vorgeschmack darauf, was Japan nach einem Brexit blühen könnte. Yunosuke Ikeda, der Devisenstratege bei der japanischen Investmentbank Nomura, hält in dem Fall einen Dollarkurs von 100 Yen für möglich. Der Nikkei-Aktienindex könnte sogar auf 14.000 Punkte abrutschen, warnt Takeshi Kamoshita, Fondsmanager bei Diam Asset Management.

In diesem Fall würde auch der Druck auf die Notenbank steigen, im Juli auf der nächsten Sitzung des geldpolitischen Ausschusses ihre Geldpolitik weiter zu lockern, meint Harumi Taguchi, Ökonomin von IHS Global Insight. Denn ein steigender Yen-Kurs könnte weiterhin die Inflation und die Inflationserwartungen drücken. Beides sind Entwicklungen, die Kuroda vermeiden will.

Eine weitere Senkung des Negativzinses oder noch mehr Geld aus der Notenpresse würde zwar ein wenig Erleichterung verschaffen. Aber diese wäre nur von kurzer Dauer.

Von nachhaltigerer Wirkung wäre ein Verbleib der Briten in der Europäischen Union. Für diesen Fall rechnen die Beobachter damit, dass der Yen wieder fällt und die Aktienkurse steigen.

Besonders viel Aufwärtspotenzial haben Firmen, die mit großen Fabriken in Großbritannien vertreten sind. Etwa Hitachi: Das Unternehmen hat das globale Hauptquartier seiner Zugsparte nach London verlegt und baut eine Superschnellzugfabrik auf der Insel, um in Europa anzugreifen. Ein Brexit würde diese Strategie in Frage stellen. Innerhalb der vergangenen Woche stürzte Hitachis Aktienkurs daher um fast elf Prozent auf 445 Yen ab. Bis Donnerstag kommender Woche ist noch Zeit, die Wetteinsätze zu platzieren.

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