Dennoch dürfte sich das Marktumfeld durch die Zinswende verändern. „Im Zuge der kommenden Zinserhöhung durch die US-Notenbank werden die Kurse deutlich volatiler“, sagt Jonathan H. Xiong, Leiter Fixed Income Alternatives bei Goldman Sachs Asset Management (GSAM). Xiong rechnet damit, dass die Märkte über einen Zeitraum von rund sieben bis zwölf Monaten deutlich stärker schwanken werden als zuvor. „Es wird vor allem die Märkte treffen, die am meisten von der expansiven Geldpolitik der Zentralbanken profitiert haben, also auch den Aktienmarkt“, sagt Xiong.
US-Wirtschaft
Voraussetzung für die Zinswende dürfte eine stabile US-Konjunktur sein. Insbesondere die Entwicklungen am Arbeitsmarkt und die Inflationsrate stehen unter der Beobachtung der Fed. Olivier Blanchard, Chefökonom beim Internationalen Währungsfonds (IWF), bezeichnete die Erholung der US-Konjunktur vor kurzem als "sehr stark". Der Einbruch zu Jahresanfang sei lediglich ein "Unfall" gewesen. Auch Julius Bär-Ökonom Kohl geht davon aus, dass die US-Konjunktur "robust bleibt". Uneinig sind sich Beobachter lediglich hinsichtlich der Investitionen. Ökonomen vom Bankhaus Lampe sind skeptisch, ob die Investitionen in der Industrie ausreichen, um einen breiten Aufschwung zu tragen. Tatsächlich sind die Auftragseingänge sicherlich ein Bereich, den Anleger beachten sollten. Allerdings haben sich die entsprechenden Indikatoren zuletzt leicht erholt. Der ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe stieg im Mai leicht um 0,7 auf 53,5 Punkte. Die Auftragseingänge für langlebige Güter sind zwar im Mai leicht gesunken, allerdings bedingt durch eine Schwäche beim Flugzeugbauer Boing. Rechnet man die Flugzeuge aus den Auftragseingängen raus, stiegen die Orders um 0,4 Prozent.
Euro/Dollar
Lange Zeit galt der schwächelnde Euro neben dem niedrigen Ölpreis als eines der unterschwelligen Konjunkturprogramme für die Länder der Euro-Zone, insbesondere für so exportabhängige Volkswirtschaften wie Deutschland. Im Zuge der Verhandlungen um den Schuldenstreit in Griechenland ist das Vertrauen in die Gemeinschaftswährung nicht gerade gestiegen, Europa hat aus der Sicht vieler Beobachter mehr Risse davon getragen, als vielen lieb sein dürfte. Dennoch hat sich der Eurokurs gegenüber dem Dollar seit einiger Zeit stabilisiert und bewegt sich eher seitwärts. "Wir rechnen damit, dass diese Entwicklung in ihrer Dynamik allmählich nachlässt", sagt Ökonom Kohl im Hinblick auf den günstigen Effekt des Wechselkurses auf die Konjunktur des Euroraums.
Auch die Konjunkturstütze Ölpreis dürfte laut Kohl zunehmend an Kraft verlieren. Zwar begünstigt eine Leitzinserhöhung der Fed erneut einen steigenden Dollar, allerdings dürfte vieles von dieser Entwicklung von den Märkten bereits vorweg genommen worden sein.
Das sind die Gewinner und Verlierer der Währungsschwäche
Die Geldflut der Europäischen Zentralbank (EZB) hat den Euro auf Talfahrt geschickt. Nach Einschätzung von Analysten könnte ein Euro schon bald weniger als ein US-Dollar kosten - erstmals seit mehr als zwölf Jahren. Ein schwacher Euro hilft Firmen aus der Eurozone, die Waren außerhalb des Währungsraums verkaufen wollen. Denn ihre Autos oder Maschinen werden auf den Weltmärkten günstiger - etwa in wichtigen Märkten wie Asien oder Amerika. Die Nachfrage nach Produkten „Made in Germany“ oder anderen Euro-Staaten dürfte anziehen. Schon 2014 verkaufte Deutschland so viele Waren ins Ausland wie nie zuvor. Allerdings: Immerhin 37 Prozent der deutschen Exporte gehen in die Eurozone. Dort spielt der Wechselkurs keine Rolle.
Mehr Exporte = mehr Produktion = mehr Arbeitsplätze. Ganz so einfach geht es in der Praxis nicht, aber der EZB-Kurs mit Nullzins und Geldschwemme zielt auch in diese Richtung. Allein über den Preis werden Unternehmen aus dem Euroraum dank des niedrigen Eurokurses wettbewerbsfähiger. Somit stehen die Chancen gut, dass sie mehr verkaufen und ihre Fabriken besser ausgelastet sind. Das könnte mittelfristig auch neue Arbeitsplätze schaffen. All das bringt die heimische Wirtschaft voran.
„Das Milliarden-Geschenk“ titelte das „Handelsblatt“ am 22. Januar, als die EZB ihr gigantisches Anleihenkaufprogramm beschloss. Die lockere Geldpolitik der Notenbank könnte exportstarken deutschen Konzernen nach Berechnungen der Commerzbank im laufenden Jahr zwölf Milliarden Euro zusätzlich an Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) in die Kassen spülen - allein weil der Euro gegenüber dem Dollar an Wert verliert. Vom Euroverfall profitieren demnach vor allem jene Firmen, die Rechnungen und Löhne in Euro bezahlen, aber in Dollar abrechnen.
Wer Waren oder Rohstoffe aus dem Ausland bezieht, muss sich auf höhere Kosten einstellen. Denn wichtige Rohstoffe wie etwa Öl werden international in Dollar gehandelt. Wenn der Euro im Vergleich zum Dollar an Wert verliert, werden solche Importe für Abnehmer im Euroraum tendenziell teurer. Deshalb sei ein schwacher Euro für die Exportnation Deutschland auch nur auf den ersten Blick erfreulich, kommentiert der Außenhandelsverband BGA: „Ohne die niedrigen Rohstoffpreise würde der schwache Euro tiefe Spuren in unserer Importrechnung hinterlassen und somit auch die Verkaufspreise im Export erhöhen.“ In Deutschland wäre der Preisrückgang bei Benzin und Heizöl in den vergangenen Monaten noch deutlicher ausgefallen, wenn der Eurokurs nicht so stark nachgegeben hätte.
Urlaube in der Schweiz oder in die USA werden teurer, wenn der Euro gegenüber anderen wichtigen Währungen an Wert verliert. Ende Januar rechnete der Bundesverband deutscher Banken (BdB) vor: Die Kaufkraft eines Euro in der Schweiz betrage nur noch etwa 55 Cent. Das heißt: Waren und Dienstleistungen waren dort zu diesem Zeitpunkt im Schnitt fast doppelt so teuer wie in Deutschland. Auch für Reisen in andere Nicht-Euroländer wie Großbritannien oder die Türkei müssen Verbraucher aus Euroländern tiefer in die Tasche greifen. Auf der anderen Seite wird für Amerikaner oder Chinesen ein Trip nach Berlin, Athen oder an die Côte d'Azur attraktiver.
Für den Ausbau ihrer Geschäfte außerhalb des Euroraums müssen Unternehmen aus dem Euroraum tendenziell mehr Geld in die Hand nehmen. Wer etwa eine Fabrik in China oder in den USA errichten will und dies in der jeweiligen Landeswährung bezahlt, legt in Euro gerechnet künftig drauf.
Während die US-Notenbank Fed ihre Geldschleusen absehbar wieder schließen will, fährt die EZB einen genau entgegengesetzten Kurs. Das erhöht die Gefahr, dass es zu einem „Währungskrieg“ kommt. Mit ihren milliardenschweren Anleihenkäufen habe die EZB „eine Tür geöffnet, hinter der die Gefahr eines Abwertungswettlaufes lauert“, kritisierte BGA-Präsident Anton F. Börner. Die Erfahrung zeigt, dass es in solchen Fällen nur Verlierer gibt.
Aktienmärkte
Auch wenn die Inflationserwartungen und die Zinsen langsam steigen dürften, dürften Aktien im Vergleich zu Anleihen noch lange das Maß des Investments bleiben. Insbesondere in Deutschland und im Euro-Raum stützt die EZB weiterhin mit ihren Anleihekäufen den Markt. Experten gehen davon aus, dass dieser Effekt noch für eine lange Zeit anhalten wird. Eventuelle durch die Zinswende in den USA ausgelöste Volatilitäten werden so zumindest teilweise ausgleichen. Zudem sind die Bewertungen im Dax bisher längst nicht so hoch wie beispielsweise in den USA. "Bei der regionalen Auswahl sind besonders europäische Aktien interessant", sagt Kohl. Allerdings werden Anleger auch im Dax mit mehr Schwankungen leben müssen.
Entsprechend gut durchdacht sollten die Investments sein. Aktien von Unternehmen mit einem soliden und möglichst wenig zyklischen Geschäftsmodell dürfen jederzeit ins Depot. Experten raten weiterhin zu Dividendenaristokraten, also Titeln mit kontinuierlich steigenden Ausschüttungen, da deren Dividende oft höher ist als die Rendite so mancher Anleihe.