HypoVereinsbank-Chef Theodor Weimer darf sich einem Insider zufolge Hoffnungen auf den bald vakanten Chefposten bei der Deutschen Börse machen. Der 57-jährige Weimer sei ein aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge von Carsten Kengeter, der über den Vorwurf des Insiderhandels gestolpert war, sagte eine mit der Suche vertraute Person am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. In Unternehmenskreisen der Börse hieß es, Weimers Profil würde zu den Anforderungen passen, die Aufsichtsratschef Joachim Faber an den neuen Mann habe.
Der Nominierungsausschuss des Kontrollgremiums solle noch in dieser Woche tagen, ein abschließendes Votum des Aufsichtsrats sei dann in einer Telefonkonferenz kurzfristig möglich, hieß es. Noch sei allerdings keine Entscheidung gefallen. Die Agentur Bloomberg berichtete, Weimer sei der Favorit für den Posten. Ein Sprecher der Börse wollte die Informationen nicht kommentieren. Kengeter gibt sein Amt zum 31. Dezember auf.
Der ehemalige Investmentbanker Weimer führt die Münchener Tochter der italienischen Großbank UniCredit seit 2009. Sein Vertrag war in diesem Jahr bis Ende 2020 verlängert worden. Allerdings lebt Weimers Familie immer noch in Wiesbaden. In der Vergangenheit hatte es auch deshalb immer wieder geheißen, Weimer wolle zurück ins Rhein-Main-Gebiet.
Börsenchef Kengeter in Schwierigkeiten
Milliardenschwere Übernahmen, Umbau des Vorstands und die geplante Fusion mit der London Stock Exchange (LSE): Der Chef der Deutschen Börse, Carsten Kengeter, hat seit seinem Amtsantritt am 1. Juni 2015 ein hohes Tempo vorgelegt. Doch Anfang 2017 hat das Image des tatendurstigen Managers Kratzer bekommen. Der 50-jährige frühere Investmentbanker ist wegen des Verdachts des Insiderhandels ins Visier der Frankfurter Staatsanwaltschaft geraten.
Kaum im Amt als Vorstandschef bei der Deutschen Börse, zieht der Manager im Sommer 2015 zwei Übernahmen für mehr als 1,3 Milliarden Euro durch - die Devisenhandelsplattform 360T und das Indexgeschäft von Stoxx. Er krempelt den Vorstand um und gibt dem Aktienhandel wieder stärkeres Gewicht.
Sein Ziel: „Die Gruppe Deutsche Börse dorthin zu führen, wo sie hingehört - an die Weltspitze.“ Kengeter untermauert seinen Anspruch mit Fakten: Am 23. Februar 2016 werden die Fusionspläne mit London gekannt gegeben. „Größe ist in unserer Branche das A und O“, wirbt der gebürtige Heilbronner, dessen Familie in London lebt, für den Zusammenschluss.
Praktisch sein gesamtes Berufsleben arbeitete der studierte Betriebswirt als Kapitalmarktexperte bei internationalen Großbanken: Barclays, Goldman Sachs und schließlich bei der UBS, wo er als oberster Investmentbanker in die Konzernleitung aufstieg. 2013 verlässt der Vater von drei Kindern, der gerne Berg-Marathon läuft, die Schweizer Großbank.
Im Herbst 2014 präsentiert die Deutsche Börse Kengeter als Nachfolger von Reto Francioni. Als „prächtigen Fang“ für den Dax-Konzern bezeichnete die „Börsen-Zeitung“ den Manager vorab. Als Chef der neuen europäischen Mega-Börse hätte Kengeter mehr Zeit in London verbringen können, dort sollte der rechtliche Sitz der Dachgesellschaft des fusionierten Unternehmens sein. Aber die Fusion platzte endgültig nach dem Veto der EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager Ende März 2017.
Am 26. Oktober 2017 gab er seinen Rücktritt bekannt. Zum 31. Dezember 2017 verlässt Kengeter das Unternehmen.
Die HVB hat er in den vergangenen Jahren gesundgeschrumpft. Mit einem fast halbierten Filialnetz nach dem Abbau mehrerer tausend Stellen konzentriert sie sich auf Kunden in Bayern und im Norden, wo sie traditionell stark ist. Dafür liefert Weimer beständig Gewinne in Mailand ab - mehr noch: milliardenschwere Sonderdividenden. Doch der neue UniCredit-Chef Jean-Pierre Mustier hat die Auslandstöchter enger an die Kandare genommen, so dass der kommunikative Weimer in München weniger Freiheiten hat als früher.
Vor seinem Wechsel nach Bayern hatte der Franke unter anderem in Frankfurt bei Goldman Sachs gearbeitet. Aus dieser Zeit kennt er auch Deutsche-Bank-Aufsichtsratschef Paul Achleitner und dessen Frau, die Wirtschaftsprofessorin Ann-Kathrin Achleitner, die im Aufsichtsrat der Börse sitzt. Auch Börsen-Aufsichtsratschef Faber und Weimer kennen sich schon länger. Die HVB wollte sich nicht zu der Personalie äußern.
Die Aktien der Börse waren am Mittwoch einer von wenigen Kursgewinnern im Dax. Aufsichtsratschef Faber hatte Ende Oktober in einem Zeitungsinterview gesagt, er wolle an der Spitze der Börse einen gestandenen Unternehmer, auch wenn dieser keine jahrelange Erfahrung im Management einer Börse habe: "Für mich ist es nicht so wichtig, dass der Nachfolger das Geschäft so in der Tiefe versteht wie Kengeter, gefragt ist ein Generalist."
Kengeter hatte nach monatelangen Ermittlungen wegen des Verdachts des Insiderhandels Ende Oktober seinen Rückzug zum Jahresende angekündigt. Ihm wird vorgeworfen, er habe ihm Rahmen eines Anreizprogramms Aktien der Deutschen Börse erworben - als er bereits plante, die Londoner Börse LSE zu übernehmen. Als die Pläne bekannt wurden, schnellte der Aktienkurs in die Höhe. Das Fusionsvorhaben war später gescheitert.
Kengeter und die Börse hatten gehofft, die Angelegenheit durch einen Deal mit der Justiz aus der Welt zu schaffen. Das scheiterte aber am Widerspruch des zuständigen Gerichts. Die Staatsanwaltschaft nahm die Ermittlungen wieder auf, sie dürften noch Monate dauern. Kengeter beteuert bis heute seine Unschuld. Aufsichtsratschef Faber, der in der Angelegenheit selbst unter Druck steht, hatte bis zuletzt zu Kengeter gestanden.