Konflikt um Kurden im Irak "Der Ölpreis wird nicht langfristig steigen"

Die militärische Eskalation zwischen irakischer Zentralregierung und kurdischen Separatisten sorgt für höhere Öl- und Benzinpreise. Das muss aber nicht so weitergehen, erwarten Analysten.

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Ölfeld im Irak Quelle: dpa

Der militärische Konflikt um das ölreiche Gebiet Kirkuk im Norden des Irak wird nach Ansicht von Analysten keine dauerhaften Auswirkungen auf den Ölpreis haben. „Alle Beteiligten haben ein großes Interesse, die Ölproduktion aufrechtzuerhalten“, sagte Jan Edelmann von der HSH Nordbank, zu WirtschaftsWoche Online.

Der Preis für ein Barrel (159 Liter) der Sorte Brent, so der Öl-Experte, werde „nicht langfristig über 60 Dollar steigen.“ Zu Wochenbeginn hatte sich das Nordseeöl zwischenzeitlich um bis zu 1,7 Prozent auf 58,15 Dollar je Fass verteuert. Hierzulande stiegen deshalb auch Benzin- und Heizölpreise.

Hintergrund ist die militärische Eskalation rund um die nordirakische Millionenstadt Kirkuk. Das irakische Militär war am Montag in das von der Regierung der "Autonomen Region Kurdistan" gehaltene Gebiet eingerückt und hatte dabei auch die Kontrolle über das älteste Ölfeld im Irak, Baba Gurgur, übernommen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters befinden sich mittlerweile sämtliche Fördergebiete der staatlichen North Oil Company in der Region in Händen der Regierungstruppen.

2014 hatten kurdische Peschmerga-Kämpfer die Kontrolle über die Ölfelder im Kampf gegen die islamistische Terrormiliz IS erobert. Bisher hatte die irakische Zentralregierung die militärische Präsenz der Kurden geduldet, nun fürchten viele einen Bürgerkrieg im Irak.

Das Land gehört mit einer Gesamtproduktion von rund 4,5 Millionen Barrel pro Tag zu den weltweit führenden Erdöl-Exporteuren. Erschwerend kommt hinzu: Die einzige Pipeline zum Umschlagplatz in der südtürkischen Gemeinde Ceyhan führt durch die kurdischen Autonomiegebiete im Norden des Irak. Von den Ölfeldern rund um die Stadt Kirkuk werden Schätzungen zufolge zwischen einer halben Million und 600.000 Barrel Öl am Tag exportiert. „Nach unseren Informationen sind gegenwärtig 350.000 Barrel vom Netz“, berichtet Edelmann. „Das erklärt den jüngsten Preisaufschlag“.

Einen dauerhaften, drastischen Anstieg des Ölpreises erwartet der HSH-Analyst jedoch nicht. Edelmanns Argument, weder die vertriebenen Kurden noch die irakische Zentralregierung hätten Interesse an einem langfristigen Ausfall der Produktion, teilen offenbar auch die maßgeblichen Kräfte in der Region. Ein Vertreter des irakischen Ölministeriums erklärte nach Angaben der Agentur Reuters, einige Kurden-Anführer hätten zugestimmt, Kämpfe in Öl- und Gasanlagen zu vermeiden.

Ausgeschlossen ist ein längerer Produktionsausfall wiederum nicht. Doch selbst in einem solchen Szenario erwartet Edelmann allenfalls kurzfristig einen weiteren Aufschlag von maximal 2,50 Dollar. Ab der Marke von 60 Dollar pro Barrel Brent, so der HSH-Analyst, würden andere Mitgliedstaaten der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) reagieren und ihrerseits die Produktion erhöhen – Saudi-Arabien etwa.

Gleichzeitig sieht Edelmann innerhalb der Opec einen „Normalisierungsprozess“ im Gange: Die Lagerbestände sollen langfristig auf den Fünf-Jahres-Durchschnitt zurückgefahren werden. Eine solche Übereinkunft haben die Mitgliedstaaten im Mai dieses Jahres getroffen, zunächst bis März 2018. Derzeit wird über eine Verlängerung diskutiert.

Überproduktion hatte vor rund einem Jahr dazu geführt, dass der Ölpreis zeitweise deutlich unter die Marke von 30 Dollar pro Barrel fiel. Edelmann sagt auf Basis seiner Analysen voraus, „dass wir in den nächsten Jahren eine relativ enge Handelsspanne sehen werden“: Er rechnet 2018 mit Preisen zwischen 54 bis 58 Dollar für ein 159-Liter-Fass der Nordseesorte Brent. Bis 2020, so Edelmanns Prognose, werde der Durchschnittpreis auf rund 50 Dollar pro Barrel sinken.

Die akute Situation im Irak ist indes nicht der einzige Konfliktherd. „Der Ölmarkt befindet sich aktuell fest im Griff geopolitischer Risiken“, bilanzierte Commerzbank-Analyst Carsten Fritsch. Vor allem eines macht den Analysten derzeit Sorge: US-Präsident Donald Trump will das Atomabkommen mit dem Iran aufkündigen. Seit Ende der Sanktionen Anfang 2016 hat das Land Erdölförderung und -export um rund eine Million Barrel täglich erhöht.

Neue Strafmaßnahmen könnten insbesondere den Export nach Europa gefährden. Solch langfristige Risiken preise der Markt aber verstärkt ein, sagt Edelmann. „Der Ölpreis“, so der HSH-Mann, „dürfte sich in den kommenden Jahren in der gegenwärtigen Spanne einpendeln – trotz der geopolitischen Risiken.“

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