Krise von Proven Oil Canada eskaliert Ölbarone in Not

Die meisten der Berliner Ölfonds stoppen die Auszahlungen an ihre Anleger. Führende Manager wenden sich Hotelgeschäften zu – in die ist auch ihr Ölquellen-Gutachter involviert.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Mit Investments in nordamerikanische Öl- und Gasquellen gehen Anleger enorme Risiken ein Quelle: Laif

Der Hoffnungsträger wirkt zwar etwas spröde, dafür aber umso seriöser. Ein Techniker-Typ, mehr Ableser als Freisprecher, grauer Schnauzer, akkurater Scheitel, so trat Harry Helwerda in Deutschland auf Veranstaltungen des Berliner Ölfonds-Anbieters Proven Oil Canada auf. Als „independent expert“ stellte der damalige Chefgutachter von Sproule Associates 2012 in Frankfurt seinen Arbeitgeber vor, als unabhängigen Experten. Sproule sollte über die mehr als 300 Millionen Euro schweren Investitionen deutscher Anleger in Kanada wachen. Nach Recherchen der WirtschaftsWoche allerdings bestehen an der Unabhängigkeit von Helwerda Zweifel – und nach den jüngsten Entwicklungen ist er auch als vermeintlicher Garant für den Erfolg der Fonds ein Ausfall.

Bei den Ölbaronen brennt es lichterloh. Proven Oil hat den meisten Anlegern mitgeteilt, dass es für sie bis auf Weiteres kein Geld mehr gibt, die Auszahlungen sind gestoppt. „Kaufmännische Vorsicht“, heißt es. Doch mit dem Zahlungsstopp eskaliert eine seit Monaten schwelende Krise, und Harry Helwerda ist zu einer ihrer zentralen Figuren geworden. Dabei lobhudelte er in Frankfurt noch kräftig. Von „hoher Sicherheit selbst für den allerkonservativsten Anleger“ sprach Helwerda, von der „perfekten Anlagemöglichkeit“ mit „hohen Rückflüssen bei minimalem Risiko“. Und fasste zusammen, dass „Investoren mit Sproule und Proven Oil nichts falsch machen können“.

Weit gefehlt. Wer nun allerdings glaubt, das Management in Kanada würde sich mit ganzer Kraft um die Lösung der Probleme kümmern, muss sich stattdessen wundern: Führende Manager flüchten sich schon in andere Geschäfte – und machen dort ausgerechnet mit dem angeblich unabhängigen Gutachter Helwerda gemeinsame Sache.

Im Zentrum der Affäre steht die Conserve Oil Corporation in der kanadischen Ölmetropole Calgary. Conserve Oil um ihren Chef David Crombie ist die Mutter des Berliner Emissionshauses Proven Oil Canada und managt die Investitionen der deutschen Anleger in Kanada. Inzwischen haben Crombie, sein Vize Yoshiki Nakamura und Finanzchef Peter Myers ein neues Spielfeld für sich entdeckt: Seit August vergangenen Jahres versuchen sie, von kanadischen Investoren 20 Millionen Dollar für Hotelinvestments einzuwerben.

Bridge Gap Development Inc. heißt die neue Firma. Crombie ist dort laut der Internet-Seite und dem Investitionsprospekt Präsident. Nakamura fungiert laut Prospekt als Direktor und Kassenchef, Myers präsentiert die Web-Seite als „Senior Advisor“, also als Berater. Im Handelsregister ist er aber auch als Direktor eingetragen. Um sich haben sie eine illustre Schar von Mitunternehmern versammelt.

Einer davon ist Harry Helwerda, der mittlerweile zum Vizechef von Sproule aufgestiegen ist. Bridge Gap steht er laut der eigenen Internet-Seite ebenfalls als Berater zur Verfügung. Laut Handelsregister ist er aber auch selbst als Direktor von Bridge Gap eingetragen – und über eine Firma, die ihm gemeinsam mit seiner Ehefrau gehört, zudem einer der Anteilseigner.

Illustre Investorengruppe

Die Harry Helwerda-Connection: Der unabhängige Proven-Oil-Gutachter und seine Geschäfte (zum Vergrößern bitte anklicken)

Die Geschäfte der Helwerdas mit der Conserve-Oil-Connection laufen wie geschmiert. Als CEO von Bridge Gap tritt kein Geringerer als Harrys Sohn Jordan Helwerda in Erscheinung – auch er war im Übrigen bis 2013 für die Conserve Oil Corporation tätig. Komplettiert wird der Gesellschafterkreis unter anderem von der 880749 Alberta Limited. Hinter dem merkwürdigen Namen verbirgt sich eine Firma, deren Geschäfte laut Handelsregister zwei Söhne von Großpleitier Jürgen Hanne führen. Hanne schädigte bereits Tausende Anleger mit einer 1,5 Milliarden Mark schweren Immobilienfonds-Pleite Ende der Neunzigerjahre – und zuvor mit Ölfonds, die frappierend an die jetzigen Konstrukte von Proven Oil erinnern.

Weichen nun auch die Ölmanager nach dem Crash auf Immobilien aus – wie einst Hanne? Auf Nachfrage teilen sie mit, dass alles ganz anders sei. Conserve-Oil-Chef Crombie sei bereits 2013 als Präsident von Bridge Gap zurückgetreten. Dass er weiter Chef eines Anteilseigners von Bridge Gap ist, bestreiten sie nicht. Conserve Oils Vizechef Yoshiki Nakamura aber sei nie Direktor bei Bridge Gap gewesen, nur Berater.

Wie passen all diese Verquickungen zu Helwerdas Unabhängigkeit? „Sproules Rolle als unabhängiger Gutachter für Conserve ist nicht berührt“, teilt er auf Nachfrage mit. Die aktuellen Schwierigkeiten des Kunden könne Sproule nicht kommentieren. Helwerda betont: „Ich war niemals direkt in die Beurteilung von Conserve Oils Öl- und Gasvermögen eingebunden.“ Er habe die Berichte lediglich gegengezeichnet. Zu seinem Werbeauftritt in Frankfurt sagt der Ingenieur, dass die Präsentation fast 60 Folien lang gewesen sei und er an anderer Stelle darauf hingewiesen habe, dass „jedes Investment Risiken beinhaltet“.

Diese bekommen die nach Firmenangaben mittlerweile 14 000 Anleger von Proven Oil gerade schmerzhaft zu spüren. Dass es zu Schwierigkeiten kommen musste, war absehbar. Die WirtschaftsWoche hatte mehrfach vor dem Abkassiermodell gewarnt (1-2/2013, 5/2013, 29/2013). Das Berliner Emissionshaus hat acht geschlossene Fonds aufgelegt, die Anleger wurden dabei Mitunternehmer in einer GmbH & Co. KG. Jedes dieser acht Unternehmen gründete eine kanadische Tochtergesellschaft, die vor Ort investiert – sechs in Öl- und Gasquellen, eine ausschließlich in Gasquellen und eine in ein Holzverstromungskraftwerk. Zwölf Prozent Auszahlung pro Jahr wurden den meisten Anlegern in Aussicht gestellt.

Doch es kam offensichtlich zu einer akuten Geldknappheit. Unter anderem „zur Sicherung der Auszahlungen“, wie es in einer Anlegerinformation hieß, warb Proven Oil deshalb im Juli 2013 um Zustimmung für ein Rettungskonzept. Mit einer großen Umstrukturierung wollte Proven Oil das Schlimmste verhindern. Die kanadischen Investitionsgesellschaften von sechs der acht Fonds wurden zu einer großen Master-Investitionsgesellschaft zusammengelegt. Die neue Strategie: Kleine Quellen sollten verkauft, die Konzentration sollte auf wenige Kerngebiete gerichtet werden.

Rettungskonzept geht nicht auf

Warum die Energiepreise steigen
Euroscheine stecken an einer Steckdose Quelle: dpa
Logos der vier großen Engergiekonzerne EnBW (l, oben), RWE (r, oben), Vattenfall (l, unten) und Eon (r, unten) Quelle: dpa
Ölpumpen stehen im Sonnenuntergang auf einem Ölfeld bei Los Angeles Quelle: dpa
Bild einer Raffinerie auf einem Bildschirm der Firma Gazprom Quelle: REUTERS
Ein Mitarbeiter eines Heizöllieferanten bereitet die Betankung eines Mehrfamilienhauses mit Heizöl vor Quelle: dpa
Ein Tankwagenfahrer beliefert einen Privathaushalt mit Heizöl Quelle: AP
Ein Monteur verkabelt einen Strommast Quelle: dapd

Das vermeintliche Rettungskonzept allerdings ist bereits Makulatur – begleitet von diversen Ungereimtheiten. Für die Umsetzung der Kerngebietsstrategie beauftragte Conserve Oil die Bank AltaCorp Capital mit dem Verkauf von Quellen. Laut den Schreiben, in denen die Anleger um Zustimmung zum Rettungskonzept gebeten wurden, sollten unbedeutende Quellen verkauft werden. Zudem wurden die Kerngebiete benannt, auf die man sich konzentrieren wolle. Im Schreiben an die Anleger eines Fonds heißt es: „Der POC Eins verfügt mit dem Gebiet Halkirk Leo über einen der identifizierten Kernbereiche.“ Anderen Anlegern wird Grand Forks als Kernareal genannt, dort sind die Fonds POC Growth 1 und POC Growth 2 investiert. Der WirtschaftsWoche liegt die Präsentation vor, mit der AltaCorp auf Käufersuche ging. Neben einigen kleineren Gebieten werden darin auch Halkirk und Grand Forks offeriert – just zwei der Kerngebiete, die man angeblich optimieren wollte.

Für den Berliner Anlegerschutzanwalt Jochen Resch von der Kanzlei Resch Rechtsanwälte ist das ein Unding. „Die Anleger sind vor der Abstimmung über die Zusammenlegung offenkundig getäuscht worden“, sagt der Jurist. „Erst gibt man vor, sich auf diese Gebiete konzentrieren zu wollen, dann bietet man das Tafelsilber zum Verkauf an. Ich vermute, das war der verzweifelte Versuch, irgendwie an Geld zu kommen.“ Proven Oil teilt auf Nachfrage hierzu mit, dass nur einzelne Pools aus diesen Gebieten veräußert werden sollten. Diese Pools könnten nicht weiter optimiert werden. Den Täuschungsvorwurf bewertet Proven Oil als „persönliche Meinung, die wir respektieren, aber nicht teilen“.

Funktioniert hat der Plan ohnehin nicht. Nur eine Quelle aus dem Paket konnte verkauft werden, auf dem Rest blieb Conserve Oil sitzen – angeblich, weil derzeit zu viele Öl- und Gasquellen auf den Markt geworfen werden und sich deshalb keine vernünftigen Preise erzielen lassen. So teilte es Proven Oil den Anlegern mit.

Kanadische Ölexperten beurteilen die Lage ganz anders. „In den vergangenen fünf Monaten hat sich der Markt spürbar erholt“, sagt Brian Dunn, Managing Director für Käufe und Verkäufe von Öl- und Gasquellen bei der Investmentbank FirstEnergy Capital in Calgary. „Für qualitativ gute Quellen ist es überhaupt kein Problem, einen Käufer zu finden, der einen guten Preis zahlt“, bestätigt Peter Tertzakian, Chefökonom und Managing Director bei ARC Capital in Calgary, einem Finanzinvestor, der sich auf den Energiesektor spezialisiert hat.

Ein dritter Branchenkenner, der namentlich nicht genannt werden möchte, sagt: „Für mich sieht das bei Conserve Oil nach einem Management aus, das schlechte Investitionsentscheidungen getroffen hat und jetzt nach Ausreden sucht.“ Von Sicherung der Auszahlungen kann jedenfalls keine Rede sein. Nur die erste auf die Restrukturierung folgende Quartalsauszahlung klappte noch, schon die zweite wurde um zwei Drittel gekürzt. Trotzdem betonte die Proven-Oil-Geschäftsführung damals, dass die fusionierte Investitionsgesellschaft „vielversprechende Marktchancen“ habe. „Ein aktuelles Gutachten bestätigt die hohe Werthaltigkeit der Quellgebiete.“

Marktwert: Verschlusssache

Milliardenforderungen an Ölkonzerne
Ein Öllaster von Exxon Mobil Quelle: AP
Ölförderturm von Chevron Quelle: REUTERS
Shell-Plattform Gannet Alpha vor der Küste von Aberdeen Quelle: dapd
Boote versuchen den Brand auf der Ölplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko zu löschen Quelle: dpa
BP logo an einer Tankstelle Quelle: REUTERS
Zaun mit Schriftzug "Halliburton" Quelle: REUTERS
Der Tanker Exxon Valdez bei Reparaturarbeiten im Hafen von San Diego/Kalifornien Quelle: dpa

Dieses Gutachten liegt der WirtschaftsWoche vor. Ein Sproule-Mitarbeiter hat es erstellt, als verantwortliche Führungskraft hat gegengezeichnet: Harry Helwerda. Der Inhalt des Gutachtens ist allerdings nur auf den ersten Blick beruhigend. Unter anderem wird dort eine Bewertung von 789 Millionen kanadischen Dollar genannt. Doch die ist mit höchster Vorsicht zu genießen.

Es handelt sich um den geschätzten Cash-Flow, der sich künftig aus den Quellen generieren lässt. Und der schmilzt bei genauerer Betrachtung rapide zusammen. Zu den 789 Millionen Dollar wurden Cash-Flows verschiedener Arten von Reserven addiert – proved (gesichert), probable (wahrscheinlich) und possible (möglich). Zudem sind die erwarteten künftigen Erträge noch nicht abgezinst. „Ein solcher Wert ist keine realistische Größe, um den Marktwert zu schätzen“, sagt Investmentbanker Dunn, „dieser liegt typischerweise bei proved plus probable Reserves, abgezinst mit zehn Prozent. Bei Gas sogar eher 15 Prozent.“ Statt 789 Millionen Dollar wären die Investitionen von Conserve Oil nach dieser Rechnung nur noch geschätzte 281 Millionen wert.

Die Gutachter selbst warnen, dass der Cash-Flow-Wert nicht mit dem fairen Wert zu verwechseln sei, der sich bei Verkauf der Quellen erzielen ließe. Auf Nachfrage teilt Proven Oil mit, dass Sproule den fairen Wert ebenfalls ermittelt habe – dieser sei allerdings Bestandteil eines Gutachtens und damit vertraulich.

Die Werthaltigkeit ihrer Investitionen können Anleger vor diesem Hintergrund kaum einschätzen. Rund 300 Millionen Euro haben sie in die Fonds investiert, was nach aktuellem Wechselkurs gut 450 Millionen kanadischen Dollar entspricht. Ihre Einlage hätten die Anleger gerne wieder zurück – inklusive zwölf Prozent Rendite pro Jahr. Von den Erträgen in Kanada müssen allerdings nicht nur die Anleger, sondern auch noch Kredite bezahlt werden. Im Anlegerschreiben zum Zahlungsstopp findet sich keine Angabe zur Höhe der Kredite. Auf Nachfrage beziffert Proven Oil sie mit 90 Millionen kanadischen Dollar.

„Es ist völlig unklar, wie viel die Investments der Anleger noch wert sind und woher die bisherigen Auszahlungen tatsächlich kamen“, kritisiert der Düsseldorfer Anlegerschutzanwalt Martin Seidel von der Kanzlei Baum, Reiter & Collegen. Er will nun im Auftrag von Anlegern Einsicht in die Bücher verlangen und sich in der Berliner Zentrale von Proven Oil gemeinsam mit Wirtschaftsprüfern selbst ein Bild von der Situation verschaffen.

Proven Oil räumt derweil nur ein Problem unumwunden ein – sieht den Schuldigen aber in den Anlegern selbst. „Das derzeitige Problem besteht offenkundig darin, dass einige Anleger noch nicht nachvollzogen haben, dass es sich bei den bisher geleisteten Vorabausschüttungen um Auszahlungen von Gewinnen handelt, die erst noch realisiert werden müssen.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%