Kryptowährung Bitcoin Hoch hinaus mit einer Cyberpraline

Der Bitcoin-Kurs steigt weiter, die 6000-Dollar-Marke wackelt. China könnte den Handel wieder freigeben. Und IWF-Chefin Lagarde erklärt, dass sie die Digitalwährung ernstnimmt – und vielleicht sogar eine eigene startet.

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Der Wert der Krypto-Währung hat sich seit Jahresbeginn mehr als verfünffacht. Quelle: Reuters

Düsseldorf Wäre die Digitalwährung Bitcoin ein Fußballspieler, dann liefe der Transfermarkt so richtig heiß. Ziemlich jeder Topklub würde sich um ihn reißen. Welcher Verein zahlt mehr, wer bietet das bessere Umfeld? Und letztlich würden die Verhandlungen in einem Deal enden, der seinesgleichen sucht – womöglich würde er ähnliche Dimensionen annehmen wie der 222-Millionen-Transfer des Brasilianers Neymar von Barcelona nach Paris.

Zugegeben, der Vergleich hinkt ein wenig. Doch Bitcoins sind an den Finanzmärkten nach wie vor sehr gefragt. Der Kurs steigt und steigt, neu erreichte Rekordmarken sind allenfalls Platzhalter für weitere Gipfel. Nachdem der Bitcoin-Kurs am Donnerstag auf über 5000 Dollar gestiegen war, kratzte er am Freitag mit einem erneuten Zuwachs von knapp acht Prozent bereits an der 6000er-Marke. Seit Jahresbeginn hat sich sein Wert damit mehr als verfünffacht. Über 1000 Kryptowährungen gibt es der Internetseite Coinmarketcap zufolge inzwischen. Mit einer Marktkapitalisierung von knapp 100 Milliarden Dollar ist der Bitcoin mit Abstand die populärste.

Zu Sinn und Unsinn der Digitalwährung haben sich in jüngster Zeit viele Akteure an den Finanzmärkten geäußert. Die Meinungen gehen weit auseinander. Die Gruppe, die dem Bitcoin anerkennt, hat nun prominenten Zuwachs bekommen: Am Donnerstag betonte die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, bei der Jahrestagung von IWF und Weltbank mehrfach die Vorteile digitaler Zahlungen – und erklärte, virtuelle Währungen wie den Bitcoin ernstnehmen zu müssen. Man dürfe sie „nicht kategorisieren“, sagte Lagarde. „Derzeit finden große Veränderungen statt, auf die wir sorgfältig achten müssen.“ Vor einigen Tagen hatte Lagarde in London sogar gesagt, virtuelle Währungen könnten in den nächsten 20 Jahren nationale Währungen ablösen. Sie schloss nicht aus, dass der IWF in Zukunft möglicherweise selbst eine Kryptowährung auf den Markt bringt.

Auch Lloyd Blankfein, Vorstandschef der US-Großbank Goldman Sachs, hatte sich Anfang Oktober offen gezeigt. Und Morgan-Stanley-Chef James Gorman erklärte jüngst, der Bitcoin sei weit mehr als eine Modeerscheinung. Von anderen Top-Bankern kommt Kritik, sie lehnen Kryptowährungen ab. JP-Morgan-Chef Jamie etwa hält den Bitcoin für Betrug. Er wolle vorerst nicht mehr darüber reden, betonte er im Laufe dieser Woche. Kritisch äußerte sich auch der ehemalige Bundesbankpräsident und heutige UBS-Verwaltungsratspräsident Axel Weber.


Spekulanten bestimmen den Preis

Und doch steigt der Kurs unbeirrt weiter. Mehrere Faktoren sorgen derzeit für einen erneuten Schub. Da es mit großen Sprüngen nach oben geht, steigen immer mehr Anleger ein und treiben den Preis. Investoren hoffen außerdem, dass Großbanken bald in den Handel einsteigen könnten. Goldman Sachs prüft einen entsprechenden Schritt laut Berichten bereits.

Ein weiterer Grund: Eine technische Neuerung könnte ab Ende Oktober dafür sorgen, dass sich der Bitcoin schneller verbreitet. Die Währung fußt auf einer dezentralen Datenbank, Blockchain genannt. Dort werden alle Überweisungen verschlüsselt gelagert. Diese Datenbank wird regelmäßig um neue Datenblöcke erweitert. Das ist vergleichbar mit einer Textdatei, die alle Überweisungen erfasst und fortlaufend verlängert wird. Diese Erweiterung um neue Zahlungen soll bald noch schneller funktionieren, der Bitcoin soll dadurch noch effizienter werden.

Nicht zuletzt gab es für Bitcoin-Fans wieder gute Nachrichten aus China. Möglicherweise darf dort zeitnah wieder mit Bitcoins gehandelt werden – wenn auch unter verstärkter Aufsicht. Medienberichte verweisen auf eine entsprechende Meldung der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua. Zuletzt war China resolut gegen Kryptowährungen vorgegangen und hatte alle Handelsplattformen im Internet geschlossen.

Der Bitcoin war in der Folge massiv unter Druck geraten und hatte mehr als 1000 Dollar an Wert verloren. Das zeigt: Der Bitcoin ist nach wie vor ein sehr volatiles und riskantes Investment, Spekulanten bestimmen den Preis – die Bezeichnung als „Zockerwährung“ kommt nicht von ungefähr.

Anfang September hatte die chinesische Zentralbank daher virtuelle Börsengänge, sogenannte ICOs, für illegal erklärt. Dabei geben digitale Start-ups ihren Anlegern keine Aktien aus, sondern lediglich Gutscheine, die eine Beteiligung an möglichen künftigen Gewinnen versprechen. Auf dem Markt tummeln sich viele Betrüger, so die Befürchtung der Aufsichtsbehörden. Südkorea zog nach, auch in der Schweiz und in Russland wollen die Regulierer stärker eingreifen.

Diese Rückschläge allerdings scheinen die Anleger verarbeitet zu haben. „Die Versuchung an der Cyberpraline Bitcoin ist in diesen Stunden zu groß, was zu einer gekonnten Ausblendung von Negativschlagzeilen führt“, sagte Analyst Timo Emden vom Brokerhaus IG.

Auch für Christine Lagarde überwiegen die positiven Merkmale. Das reicht allerdings noch nicht dafür aus, dass sie selbst in Bitcoins investiert. Auf die Frage einer CNBC-Reporterin, ob sie selbst welche besitze, antwortete die IWF-Chefin lächelnd: „Nein, für mich sind sie derzeit zu teuer.“

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