Kryptowährungen Bitcoin-Cash-Fans suchen ihre neue Bank

Die Kryptowährung „Bitcoin Cash“ hat den Durchbruch noch nicht geschafft. Ihre Anhänger diskutierten in Tokio, wie sie aufgewertet werden kann.

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Welche Zukunft hat die Kryptowährung

Tokio Das Gipfeltreffen der Bitcoin-Spalter findet in standesgemäßer Umgebung statt: direkt im Zentrum Tokios, dem ersten Epizentrum eines digitalen Währungsbebens. Von ihrem Treffpunkt können die mehr als 400 Teilnehmer der dreitägigen „Satoshi Vision Conference“ Japans Kaiser aufs Dach schauen. Satoshi Nakamato war das Pseudonym der Person oder Gruppe, die sich 2009 Bitcoin ausgedacht hat. Und im Gebäude diskutieren die Teilnehmer nun die Zukunft der neuen digitalen Münze „Bitcoin Cash“, die sich nach einem hitzigen Meinungsstreit im August von Bitcoin abgespalten hat.

Die Emotionen schlagen bei diesem Thema immer noch hoch. Die sonst nüchternen Teilnehmer im Saal jubeln ausgelassen, als am Sonnabend Roger Ver auf die Bühne tritt, einer der Initiatoren der Trennung. Früher wurde der erste große Bitcoin-Investor gefeiert. Nun wird er von Anhängern des Ur-Bitcoins als Judas verteufelt. Seine Gegner werfen ihm unter anderem vor, Kunden gezielt in die Irre zu führen, ihnen vorzugaukeln, mit Bitcoin Cash billiger Bitcoin kaufen zu können.

Der 39-jährige Besitzer von Bitcoin.com, einer Mischung aus Newsseite, digitaler Geldbörse und Anbieter von Münzdiensten für die neue Währung, weist dies allerdings als verleumderisch von sich. Für ihn hat sich Bitcoin geändert, nicht er selbst. Seit sieben Jahren sei seine Botschaft dieselbe, erklärt er den Zuhörern in Tokio, wo er etwa die Hälfte des Jahres lebt. Er will eine dezentrale digitale Währung schaffen, die der Welt mehr Freiheit und Wohlstand bringt.

Seine Rede gleicht dabei mehr einer Predigt, und der freie Markt ist sein Gott. „Je mehr wirtschaftliche Freiheit in Ländern herrscht, desto länger leben die Menschen“, ruft der bekennende Anhänger libertärer Ideen. Applaus brandet dabei auf. Auch die Bildung sei höher, die Kindersterblichkeit geringer. Wieder gibt es Applaus. „Und Bitcoin sowie andere digitale Währungen sind der beste Weg, den die Welt jemals gesehen hat, um diese Ziele zu erreichen.“ Seine Anhänger klatschen noch intensiver.

Seine Rede pfeffert er mit Angriffen auf die Macher hinter dem Ur-Bitcoin, das in der Gemeinde oft Bitcoin Core genannt wird. Die würden Andersdenkende zensieren, digitales Gold schaffen wollen, anstelle eines nicht von Staat, Zentralbanken oder Banken kontrollierten Zahlungsmittels. Jeder werde realisieren, dass Bitcoin Cash das eigentliche Bitcoin sei, orakelt er. Dann folgt sein Appell an die Jünger im Auditorium: Bitcoin Cash werde zur Währung der Welt werden, ruft Ver. „Lasst uns alle zurückkehren und es in der Welt verbreiten.“

Bitcoin Cash zum Gewinner des Bitcoin-Streits auszurufen, ist allerdings noch eine gewagte Prognose. Besonders unter den harten Unterstützern Bitcoins dürfte die Vorstellung auf ebenso massiven Widerspruch stoßen wie die Person von Roger Ver. Und die Bitcoin-Entwickler können auf die Verbreitung der Währungen zeigen. Zwar ist Bitcoins Marktanteil in der Kryptowährungswelt innerhalb der vergangenen zwölf Monate von über 80 auf 45 Prozent abgesackt. Aber Bitcoin Cash wird bisher nur wenig verwendet.

Glaubenskampf unter Satoshis Währungsjüngern

Doch vielen Kunden dürfte und sollte der Streit unter Satoshis Jüngern letztlich egal sein. Für sie geht es um die künftige Lebensfähigkeit ihrer Investitionen. Und ihr größtes Problem ist dabei derzeit, in dem für uneingeweihte Nutzer schwer durchschaubaren Streit den Überblick zu behalten.

Der Südafrikaner Brett Scott, der sich als „wandernder wirtschaftlicher Forschungsreisender“ mit den vielen der neuen Währungen beschäftigt, kann die Hilflosigkeit mancher Anhänger verstehen. „Von außen sieht es so aus, als ob es sich um unterschiedliche Lesungen des gleichen Heiligen Texts handelt.“ Nur spalten sich die Geister anders als während der Reformation vor 500 Jahren nicht an der jungfräulichen Geburt von Jesus oder der Rolle des Papstes, sondern an technischen Details von Satoshis Schöpfung. Genauer gesagt geht es um die „Skalierungsdebatte“, also die Frage, wie Bitcoin verändert werden muss, um die rasant wachsende Zahl an Transaktionen zu verarbeiten.

Der Streit dreht sich dabei im Kern um die Größe der Blockchain, dem Register, in dem die Transaktionen eingetragen werden. Satoshi Nakamoto hatte deren Größe in seinem Weißbuch mit einem Megabyte angegeben. Doch reichte die Größe in Stoßzeiten nicht mehr aus, um alle Transaktionen aufzunehmen.

Geldtransfers wurden daher langsam und teuer. Zum Höhepunkt des Bitcoin-Booms im Dezember 2017 kosteten Transaktionen 45 US-Dollar, wenn man nicht lange auf einen Eintrag im Blockchain warten wollte. Damit verlor Bitcoin faktisch die Funktion als elektronisches Bargeld, die in Japan vom Staat bereits genehmigt worden ist.

Der Kernentwickler wollten nun Satoshis Blockgröße beibehalten und schlugen vor, mit dem sogenannten Lightning-Netzwerk einen zweiten Transaktionslayer auf Bitcoin zu entwickeln. Andere Bitcoin-Fans wie Ver sahen darin allerdings den Versuch, das System des bank- und zentralbanklosen Zahlungsverkehrs zwischen Individuen durch ein zentralistisches System zu ersetzen.

Die Bitcoin-Cash-Gründer schlugen stattdessen vor, die Größe der Blockchain zu vergrößern, um Satoshis Vision eines neuen, freien Bargelds treu zu bleiben. Im Mai soll die Größe von acht auf 32 Megabyte erhöht werden. Kritiker werfen den Spaltern allerdings unter anderem vor, damit vor allem die großen „Miner“ zu bevorzugen, die mit immer mächtigeren Computersystemen die neuen digitalen Bitcoin fördern. Denn größere Blockgrößen erfordern auch mehr Rechenkraft.

Vom Versuch, die Zukunft zu programmieren

Der Weg zu der Spaltung wurde gesäumt von üblen Beleidigungen, persönlichen Beschuldigungen und verletzten Gefühlen. „Es gibt wirklich viele Radikale auf beiden Seiten“, schüttelt ein neutraler Besucher der Visionskonferenz noch immer den Kopf. Doch inzwischen konzentrieren die Entwickler auf beiden Seiten auch wieder mehr Energie auf die Weiterentwicklung ihrer Produkte. Denn auf dem Weg zum dauerhaften Durchbruch gibt es für beide Währungen noch jede Menge Herausforderungen.

Auf der Konferenz diskutiert die Bitcoin-Cash-Gemeinde Fragen der Sicherheit und vor allem neue Dienste. Eine der größten geplanten Neuerungen ist die Verwendung der Blockchain für zwei Dinge, die die rivalisierende Währung Ether so populär machen. So überlegen die Entwickler, wie sie smarte Verträge integrieren können – sowie „Token“, digitale Wertmarken, die beispielsweise Vermögenswerte wie Immobilien- oder Firmenanteile repräsentieren.

Doch viele Besucher wollen schlicht klären, ob sie überhaupt in Bitcoin Cash einsteigen wollen. Chinesische Miner sind da. Einer, der anonym bleiben will, ist noch skeptisch, ob er auch Bitcoin Cash schürfen will. Er hat gehört, dass einer der größten Unterstützer, der chinesische Mega-Miner Jihan Wu, mit einem riesigen Bitcoin-Cash-Besitz die Währung dominiert. Er fragt sich daher, ob genug für ihn selbst zu holen ist.

Die Amerikanerin Lizzie Lacey, die sich als selbsternannte Entwicklungshelferin in Afrika betätigt, will herausfinden, ob Bitcoin Cash im Südsudan die kollabierende Landeswährung ersetzen könnte. Andere suchen ganz neutral nach Geschäftsmöglichkeiten oder Anregungen. Einige werden vielleicht auch zu einer Konferenz der Bitcoin-Core-Gemeinde im Oktober wieder nach Tokio kommen. Denn vielen Interessenten geht es letztlich ums Geschäft.

Wie der Wettbewerb der Währungsgeschwister ausgehen wird, ist noch offen. Der Moskauer Nikita Zhavoronkov vom webbasierten Such- und Analysedienst für Bitcoin und Bitcoin Cash beobachtet auf der einen Seite, dass die Nutzung von Bitcoin sinkt. Aber seine Zahlen spiegeln auch wider, dass Bitcoin Cash, offenbar seine persönlich bevorzugte Währung, bisher weit weniger wert ist und weniger gehandelt wird als Satoshis älterer Spross. Dennoch bleibt Zhavoronkov zuversichtlich für die neue Kreation: „Auf meinen Slides sieht es nicht gut aus, aber es gibt einige gute Nachrichten.“

Die weltgrößte Währungsbörse Coinbase beispielsweise hat Bitcoin Cash im Dezember in den Handel aufgenommen. Außerdem zeigen mehr Unternehmen Interesse an den selbsternannten Fackelträgern Satoshis. Zudem gibt es inzwischen ein japanisches Finanzinstitut, bei dem ein gesamtes Team hauptsächlich Anwendungen für Bitcoin Cash entwickelt: das Online-Wertpapierhaus SBI.

Es hat zur Konferenz sogar einen Redner zur Konferenz entsandt, der am Freitag die dreitägige Konferenz als erster Hauptredner eröffnen durfte. Das Engagement sei keine ideologische Entscheidung gewesen, erzählt Jerry Chan, der Chefstrategie von SBI Crypto, der Kryptowährungssparte des expandierenden Finanzinstituts. „Für uns als Unternehmen ist es kein heiliger Krieg, sondern sehr simpel eine wirtschaftliche Entscheidung“, erzählt Chan dem Handelsblatt. „Wir glauben, dass Bitcoin Cash die beste öffentliche Blockchain ist.“

Aus seiner Sicht spricht für die Abspaltung, dass die Macher versprochen haben, durch freien Wettbewerb der Miner die Gebühren so lange wie möglich so gering wie möglich zu halten und damit Unternehmen Gewinne zu ermöglichen. Mit der Beschränkung der Blockgröße beim Ur-Bitcoin sind verlässlich niedrige Transaktionsgebühren für ihn nicht gesichert.

Letztlich kann er sich allerdings vorstellen, dass verschiedene digitale Währungen noch länger parallel nebeneinander bestehen. Denn es gibt verschiedene Anwendungen, die vielleicht verschieden bedient werden können. Er glaubt auch nicht wie die Bitcoin-Ideologen daran, dass digitale Währungen Banken jemals ganz ersetzen werden.

Nicht jeder Mensch könne seine Geldgeschäfte vollständig selbst managen, wie sich die Bitcoin-Jünger das ausmalen, wendet er ein. Aber auch er hofft, dass dezentralisierte digitale Währungen Menschen durch Wahlmöglichkeiten mehr ökonomische Freiheit gewähren können. „Es bedeutet nicht, dass alle Menschen ihre eigene Bank werden müssen“, so Chans Fazit, „aber dass sie ihre eigene Bank werden können.“

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